Die Weinprinzessinnen Claudia I. und Franziska I. (von links) haben das Programm mitgestaltet. Foto: Stadt Beilstein

Die Corona-Pandemie ließ den Veranstaltern keine andere Wahl: Zum ersten Mal ging die Beilsteiner Weinproklamation nur im Online-Format über die Bühne.

Beilstein - Es fühle sich ein bisschen seltsam an, erklärte der Beilsteiner Bürgermeister Patrick Holl, als er am Freitag via YouTube in eine Kamera hineinerklärte, dass die Weinproklamation im Rathauskeller wegen der Corona-Pandemie nur online stattfinden könne. Keine noch schnell hereingetragene Stühle, kein umtriebiges Gewusel und keine Sätze wie „Komm doch mal rüber, wir haben noch einen Platz für dich frei“. Der Keller blieb leer – nur die Akteure der Traditionsveranstaltung traten in der gewohnten Reihenfolge auf.

Die Fortschreibung der Weinchronik seit 1693 dürfe auf keinen Fall aufhören, erklärte Patrick Holl – das Ereignis solle wenigstens virtuell erlebbar bleiben. Die Initiative für das neue, zehnminütige Format sei von der Beilsteiner Weinprinzessin Claudia I. ausgegangen.

An die Historie des Ereignisses an jedem letzten Novembersamstag erinnerte der Stadtrat Dietmar Rupp. „Jede Kommune musste eine Weinrechnung führen“, erzählte er. Im 17. Jahrhundert und danach war die Festsetzung des Preises eine Handelsgrundlage – für Kaufgeschäfte ebenso wie für die Festsetzung von Steuern. Diese Bedeutung sei zwar in der Moderne verloren gegangen, doch sei es guter Brauch geblieben, die Menge und Qualität in einem schönen Buch niederzuschreiben und so das Jahr des Weinanbaus der Nachwelt zu sichern. Vor 35 Jahren habe die Stadt Beilstein deshalb die Proklamation im Rathauskeller wiederbelebt.

Rupp gab dann eine Zusammenfassung des Weinjahrs: Der milde Winter sorgte für einen früheren Außentrieb, die Blüte sei eine Woche eher als im langjährigen Mittel eingetreten. Dann habe der Anbau im Frühjahr und im Sommer unter anhaltender Trockenheit gelitten, was später zu relativ geringen Mengen geführt habe. Auch die Eisheiligen sorgten am 13. und 14. Mai für Einbußen, als deren Frost den Pflanzen zusetzte und in einigen Lagen Schäden anrichtete. „Die Qualität des Jahrgangs wird ordentlich, aber die Menge liegt unter dem Durchschnitt“, konstatierte Dietmar Rupp.

Auf die Probleme der Corona-Pandemie kam die württembergische Weinprinzessin Franziska I. zu sprechen, die selbst zwei Jahre lang als Beilsteiner Weinprinzessin fungiert hatte und die Proklamation in diesem Jahr „auf ganz andere Weise“ erlebe. Der Wein sei nicht in den sonst üblichen Mengen geerntet worden, und die Keller der Weingüter seien angesichts ausbleibender Käufe voll geblieben. „Es fehlt die Gastronomie“, bedauerte Franziska I., die von einem sehr guten Jahrgang sprach. Sie wünschte den Winzern, dass sie aus dem gelesenen Wein einen guten Tropfen machten und ein positives Jahr 2021 erleben.

Der aktuellen Beilsteiner Weinprinzessin Claudia I. war es vorbehalten, aus der Weinchronik vorzulesen. Sie zitierte eine „gute, bis sehr gute Qualität“ und besagte Erträge, die deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt geblieben sind. Der Beginn der Hauptlese sei am 10. September gewesen. Dann erwähnte die Weinprinzessin die Durchschnittswerte einzelner Weinsorten. So kam der Riesling auf ein Mostgewicht von 88 Grad Oechsle, der Trollinger auf 78 Grad, der Spätburgunder auf 95 Grad Oechsle. Die Trauben erreichten Höchstwerte von 94 Grad beim Trollinger, 100 Grad beim Lemberger, 118  Grad beim Spätburgunder, und beim Riesling waren es 102 Grad Oechsle.