Gastronomen bleibt am Montag nur noch ein Abhol- oder Lieferservice. Die Künstler sind ganz außer Gefecht gesetzt. Foto: Archiv (dpa)

Der Teil-Lockdown geht mit Schließungen und Verboten einher, die zwei Branchen besonders treffen. Während die Restaurants vor Ort auf ihre Konzepte aus dem Frühjahr bauen, ist die Absage von Veranstaltungen ein herber Schlag für die regionalen Künstler.

Bottwartal - Die Gerüchteküche hatte schon heftig gebrodelt. Ein Beschlussvorschlag für einen Teil-Lockdown machte zum Wochenbeginn die Runde. Ein Teil: Die Schließung von Gastronomie und Kulturstätten. Seit Mittwoch steht nun fest, dass dies ab 2. November zur Realität wird – und damit zwei Branchen erneut getroffen werden, die 2020 viel eingesteckt haben. Wie nehmen das die Betroffenen in der Region auf?

Tatsächlich haben einige Gastronomen schon mit der Schließung gerechnet, wie etwa Debora Parra mit ihrem i-Dipfele in Marbach: „Es war kein Schock für mich.“ Sie weise schon seit 14 Tagen ihre Kunden auf den Abhol- und Lieferservice hin: „Zum Glück habe ich treue Stammgäste. Wir haben es im Frühjahr geschafft und schaffen das jetzt auch gemeinsam.“ Zum Glück könne man auf die Strukturen und Konzepte zurückgreifen. So geht es auch Mahir Kizilbel vom Mille Miglia in Murr: „Ich habe es geahnt und den Lieferservice daher stärker in den Fokus gestellt.“ Die Sommersaison im Eiscafé sei gut gelaufen, was auch sowieso sein Hauptgeschäft sei. Sonst schließe er ja auch über den Winter ganz: „Aber unsere Küche ist so stark nachgefragt, dass wir ab dem 2. November wieder dabei sind.“

Das Orakel in Oberstenfeld wird seinen Abholservice wieder öffnen, erklärt der Inhaber Savvas Theodoridis: „Für einen Lieferservice fehlen die Strukturen. Aber wenn es nötig wird, bauen wir die auf.“

Ihm sei es eine Herzensangelegenheit, dass kein Mitarbeiter entlassen werden muss: „Wir ziehen das gemeinsam als Team durch. Ich habe auf keinen Fall vor aufzugeben – es geht um meine Existenz.“

Existenzgefährdend ist die Situation bereits für viele Kulturschaffende, weiß Susanne Wichmann, die „das große Glück“ hat, als Hornistin bei der Staatsoper in Stuttgart fest angestellt zu sein: „Die Szene steht unter Schock.“ Unermüdlich sei an Lösungen gearbeitet worden, um trotz Hygienevorgaben noch Veranstaltungen auf die Beine zu stellen: „Und jetzt bluten wir, obwohl wir das Problem selbst nicht verursacht haben.“ Natürlich sei durchaus Verständnis da, dass Maßnahmen nötig sind, doch besonders die freischaffenden Künstler seien „jeglicher Lebensgrundlage entzogen“, so Wichmann: „Viele haben sich zum Teil auch schon umorientiert.“

Auch der Schwabenrocker Gitze, alias Günter Deyhle, ist jetzt „nach 17 Jahren der Selbstständigkeit“ wieder in Teilzeit in einem Büro angestellt: „Ich versuche alle Krisen mit Gelassenheit und Zuversicht anzugehen.“ Die Enttäuschung sei aber dennoch groß gewesen: „Die Veranstalter haben mit viel Geld, Zeit und Herzblut tolle Veranstaltungen auf die Beine gestellt.“ Die Auftritte, die möglich gewesen seien, habe er als „unbeschwerte Abende“ erlebt: „Die Kulturszene ist sehr kreativ, ich wünsche mir sehr, dass die Kollegen und Veranstalter nicht aufgeben.“

Aufgeben ist für Kult-X-Organisator und Chorleiter Jörg Thum keine Option, auch wenn er zugibt: „Das war schon ein Schlag in Gesicht. Das Jahr 2020 ist für uns begraben.“ Die Kulturreihe habe das Glück, dass mit allen Künstlern bereits Vereinbarungen für 2021 stehen und so keine Entschädigungen fällig waren. Mit der Stadt Steinheim habe das Team ein Hygienekonzept erarbeitet, sodass Kult-X „von heute auf Morgen“ wieder starten kann: „Aber ich weiß auch, dass manche seit Februar keinen Auftritt mehr hatten. Die Leute kommen an ihre Grenzen.“

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