Streuobstwiesen prägen das Landschaftsbild in der Region und sind ein ökologisch wertvoller Lebensraum. Foto: Arnd Bäucker

In etlichen Fällen können die ökologisch wertvollen Streuobstwiesen in der Region nicht mehr angemessen bewirtschaftet werden. Würde ein Mindestentgelt für die Arbeit helfen? Fachleute empfehlen in jedem Fall eine stärkere Kooperation der Besitzer untereinander.

Steinheim - Jetzt rollen sie wieder: Die Traktoren mit Anhängern, voll beladen mit Äpfeln. Was die Ernte angeht, ist jetzt Hochsaison. Zugleich fallen aber auch gerade jetzt viele Obstbaumwiesen auf, auf denen die Früchte herabfallen, doch keiner liest sie auf; sie verfaulen. Etliche ökologisch wertvolle Streuobstwiesen werden nicht mehr länger bewirtschaftet – weil die Besitzer es nicht schaffen oder weil gar niemand mehr da ist, der die mühselige Arbeit auf sich nimmt. Ein sehr wertvoller Teil der württembergischen Kulturlandschaft droht zu verschwinden. Doch ist Abhilfe möglich?

Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde gefordert

Claus-Peter Hutter, Präsident der Umweltstiftung NatureLife-International (NLI), hat kürzlich einen Vorschlag gemacht: Die Arbeit auf den „Stückle“ sollte finanziell mehr wertgeschätzt werden. Landschaftspflege sei Aufwand und der sollte von der Gesellschaft entsprechend honoriert werden. Rechne man alle Tätigkeiten um das Ernten und Abfahren der Früchte zusammen, entspräche die Entlohnung rund drei Euro pro Stunde. Betreiber von Streuobstwiesen sollten aber einen „Mindestlohn von 12 Euro“ bekommen, „obwohl die Arbeit und das Ergebnis ein Vielfaches wert sind“. Bei einem weiteren Rückgang der Streuobstwiesen könnten die Säfte einheimischer Erzeugung Mangelware werden. Die Stiftung NLI weist darauf hin, dass die Früchte der Obstwiesen in der Regel Bioqualität hätten – auch wenn sie nicht speziell zertifiziert seien.

Das Interesse bei den Jüngeren ist da

Die Anregung Hutters stößt bei Experten der Streuobstwiesen-Bewirtschaftung auf geteiltes Echo. Jens Fränznick, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Streuobstwiesen Steinheim (ASS), bestätigt, dass die Entlohnung für die Arbeit auf Streuobstwiesen bei weitem nicht dem Aufwand entspricht. Schließlich müssten dazu auch Arbeiten gezählt werden, die das ganze Jahr über anfallen: das Mähen der Wiesen und der Schnitt der Bäume. „Das rechnet sich vorne und hinten nicht, und am Schluss legt man drauf.“

Die Lösung sieht Fränznick allerdings nicht in einem Mindestlohn, sondern eher im Zusammenschluss von Stückle-Besitzern zu einer Gemeinschaft, wie das bei der ASS auch der Fall ist. Die Mitglieder müssen ihre Wiesen traditionell bewirtschaften, dürfen sie nicht mineralisch düngen, keine Insektizide und Herbizide verwenden. Der Verein garantiert seinen Mitgliedern dafür einen höheren Ertrag pro 100 Kilo: statt fünf Euro derzeit rund 15 Euro. „Wir vermarkten das Obst selber,“ so Franznick, nämlich als „Steinheimer Apfelsaft“. 90 Mitglieder zählt die ASS. Der Ertrag wird für umweltfördernde Projekte verwendet, etwa für Nistkästen.

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Weil aber keine Wiese von allein Erträge bringt, versucht der Verein außerdem auch das Interesse an der Landschaftspflege als solche zu fördern: „Wir bieten Schnittkurse an, sowohl den Winterschnitt als auch den Sommerschnitt.“ Das finde Anklang, bis zu 70 Lernwillige seien schon gekommen. Auch jüngere Leute zeigten Interesse. „Aber es gibt wenig Wissen, was man für eine solche Wiese alles im Blick haben und tun muss.“ Mitunter sei auch ein Problem, dass manch „Stückle“ schon verwildere, aber auch nicht verkauft oder verpachtet würde.

Falsche Vorstellungen in Sachen Arbeitsaufwand

Auch Eric Hirsch, Umweltbeauftragter der Stadt Steinheim, hat das Sterben vieler Stückle beobachtet: „In den vergangenen 60  Jahren sind sie schätzungsweise um die Hälfte zurückgegangen.“ Rege Bautätigkeit habe besonders zum Rückgang beigetragen: „Oft waren das minder gute Böden, die am Rand der alten Siedlungen lagen.“ Neue Leute zu rekrutieren, sei nicht leicht. Es sei schwierig, die Grundstücke zu verpachten. Interessenten hätten falsche Vorstellungen, sie stellten sich eher ein Art Freizeitgelände vor. Aber Streuobstwiesen machen viel Arbeit. Hirsch stimmt zu, dass eine Finanzierung über die Produkte nicht möglich ist. Er sieht aber eine Chance in „Aufpreisprojekten“, wie dem ASS und dem „Steinkauz“ in Beilstein: „Das funktioniert.“

Es gebe auch Unterstützung durch das Land in Form eines Förderprogramms. Für zwei Pflegeschnitte in fünf Jahren gebe es je 15 Euro pro Baum. Möglich sei eine solche Förderung nur über einen Sammelantrag. Und wie sieht es auf Kreisebene aus? Im Landratsamt Ludwigsburg betont man, wichtiger als Mindesterlöse sei eine größere Wertschätzung der Arbeit. Hilfreich seien da Aktionen, die dafür sorgten, dass das reife Obst von den Wiesen kommt. „Jeder, der sich bückt und die Äpfel bei Produzenten pressen und in Bag-in-Box füllen lässt, ist ein Gewinn.“, so Pressesprecher Markus Klohr.

Kommunen sollen Besitzer und Pächter zusammenbringen

Skeptisch sieht Hutters Vorschlag auch Oliver Hartstang, der Vorstand des Obst- und Gartenbauvereins Großbottwar (OGV). Die Forderung nach einem Mindestlohn klinge, „nach einem Gießkannenprinzip mit hohem bürokratischen Aufwand“. Besser seien da „gezielte Förderungen für Kleinerzeuger und Aufpreisvermarkter.“ Hartstang sieht auch Dilemma in der Frage, wie die Areale an jüngere Interessenten vermittelt werden können. Deren Zahl wachse, aber es würden oft nicht mal die schlecht gepflegten Wiesen verkauft, oder absurde Preise aufgerufen. Da seien die Kommunen gefordert: Sie sollten auf die Besitzer zugehen und „Möglichkeiten zum Verkauf oder zur Verpachtung zeigen“.

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