Im Rathaus und zu Hause in Erdmannhausen fühlt sich Birgit Hannemann wohl. Foto: Sandra Brock

Birgit Hannemann, geborene Flaig, hat am Samstag die ersten 100 Tage als neue Chefin im Erdmannhäuser Rathaus vollendet.

Erdmannhausen Der Wahlkampf in Erdmannhausen ist turbulent gewesen. Schließlich hat sich die Herausforderin Birgit Hannemann bei der Bürgermeisterwahl am 11. März gegen den Amtsinhaber Lutz Schwaigert durchgesetzt. Seit 1. Juni ist Birgit Hannemann nun im Amt. Nach 100 Tagen blickt sie zurück und nach vorn.
Frau Hannemann, sind Sie gut in Erdmannhausen angekommen?
Ja, ich fühle mich sehr wohl hier im Rathaus und auch seit einer guten Woche zuhause in der Beethovenstraße in Erdmannhausen.

Sie haben ja vorher in Stuttgart-Vaihingen gelebt. Hier zu wohnen ist viel praktischer, oder?
Die Wege sind kürzer, klar. Das ist geschickt, vor allem am Wochenende. Wenn ich beispielsweise mittags und abends einen Termin habe – zwischendrin hin und her zu fahren, das hat Zeit gekostet. Das ist jetzt schon praktischer. Ich muss auch nicht mehr mein halbes Auto mit Klamotten vollpacken.

Stichwort Umzug. Auch wenn gerade Ferien sind: Dieser Tage haben Sie schon auch einiges um die Ohren, oder?
Ja, die standesamtliche Trauung war am 18. August, dann der Umzug und am 15. September kommt noch die kirchliche Trauung. Dann gab es wirklich genug Veränderung dieses Jahr. Aber es lässt sich alles machen.

Die vergangenen 100 Tage waren voll von neuen Eindrücken. Was ist besonders hängen geblieben?
Das ist schwierig zu sagen, weil es so viele verschiedene Eindrücke waren. Was ich gemerkt habe ist, dass die Arbeit hier sich eigentlich nicht so sehr von der in einer größeren Stadt, wo ich ja vorher war, unterscheidet. Im Tagtäglichen gibt es kaum Unterschiede. Positiv ist, dass ich jetzt auch die Gesamtverantwortung habe. Man bekommt das negative und das positive Feedback.

Die Erdmannhäuser haben sie herzlich aufgenommen, unter anderem ihre standesamtliche Hochzeit begeistert mitgefeiert. Aber gibt es auch Bürger, die ihnen offen weniger Sympathie entgegen bringen?
Die höre ich komischerweise nicht. Die Kritiker kommen nicht bis zu mir, was ich persönlich schade finde. Denn ich bin jemand, der gerne Kritik offen entgegennimmt. Aber ich bekomme die Kritik nur über Dritte zugetragen. Leider.

Was sind die Kritikpunkte, die Sie dann über Dritte zu hören bekommen?
Es gibt ein paar Bürger, die mit dem Wahlausgang nicht zufrieden sind.

Immerhin haben fast die Hälfte der Wahlberechtigten am 11. März nicht für Sie gestimmt . . .
Ich denke, da hat bei einigen auch schon ein Umdenken angefangen. Nach dem Motto: Unsere schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetreten. Aber klar, es gibt immer den einen oder anderen Kritiker. Offen wurde ich auf die Erdmannhausen-Image-Kampagne angesprochen. Allerdings von Menschen, die mich im Wahlkampf unterstützt haben. Sie meinten, dass sie von der Kampagne nicht so viel halten. Aber daran kann man konstruktiv arbeiten. Von anderen höre ich nur, dass es rumort. Etwa: Wieso war sie da nicht? Warum kommt sie dort nicht hin? Die Kritik lässt sich aber nicht so richtig fassen.

Was macht man mit dieser versteckten Kritik, wie geht man damit um?
Wenn ich mitbekomme, dass es rumort, versuche ich einen Gesprächstermin hinzubekommen. Aber das ist schwierig, wenn man nicht weiß, von wem die Kritik kommt. Ein Stück weit muss vielleicht auch einfach Gras über die Wahl wachsen. Es muss klar werden, dass ich manche Vorurteile, die es gibt, nicht bedienen kann.

Vor und während der Wahl wurde immer wieder von Gräben im Ort gesprochen, die es zuzuschütten gilt. Wo sind diese Gräben und haben Sie sie schon gefüllt oder überbrückt?
Ich habe schon Feedback bekommen, dass man sich wieder annähert. Neulich habe ich zum Beispiel gehört, dass Leute wieder miteinander reden, die ein halbes Jahr nicht miteinander gesprochen haben. Für mich bedeutet das, dass hier der Ort langsam wieder etwas zusammenwächst.

Stichwort Krankenpflegeverein?
Ich war im Mai bei der Hauptversammlung. Da habe ich mitbekommen, dass dort die alten Wunden noch groß sind. Ich denke aber, dass sich das legen wird. Mit dem geplanten Konzept der Demenzbetreuung ist der Verein sicherlich auf einem guten Weg.

Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat? Im Vorfeld hieß es, da wollen sie einige nur als Marionette, um ihren eigenen Kopf durchzusetzen . . .
Wir diskutieren schon leidenschaftlich. Es gibt unterschiedliche Meinungen und das ist auch gut so. In der Nachsitzung kommt man zusammen und kann mit Schmunzeln die eine oder andere Abstimmungsniederlage verkraften. Das Miteinander ist gut und in der Sache streitet man. So soll es sein. Die Marionette war ich noch nie und werde ich auch nicht sein.

Es gab da ja so eine Skulptur am 1. Mai auf dem Kreisverkehr . . .
Über die ich herzlich gelacht habe – was ich wohl nicht hätte, wenn der Spaß wirklich den Tatsachen entsprochen hätte. Ich kann mit einem Augenzwinkern sagen: Die haben sich aber Mühe gegeben. Zumal ich fand, dass die Puppe sehr gut getroffen war.

Sie haben also Ihren eigenen Kopf.
Ich habe meinen eigenen Kopf, aber man muss sich immer überlegen, ob man den auf Biegen und Brechen durchsetzen will. Ich habe meine Vorstellungen, aber wenn die Mehrheitsverhältnisse anders sind, muss man das auch akzeptieren.

Eigener Kopf, eigene Handschrift: In so kurzer Zeit kann man viele Projekte eigentlich nur weiterführen und weniger Themen setzen, die Ihre eigene Handschrift tragen, oder?
Das stimmt. In den ersten 100 Tagen gab es vor allem Projekte, die weitergeführt werden mussten. Stichwort Kinderhaus. Da musste schnell gehandelt werden. Auch beim Bahnhof kamen noch einige Entscheidungen, mit denen wir alle vorher nicht gerechnet hatten. Wir haben übrigens jetzt tatsächlich die richtigen Platten dort, die passen. Dann kam noch das Thema Schlecker. Ich bin froh, dass jetzt eine Lösung in Sicht ist, auch wenn noch einiges an Gesprächen nötig sein wird. Aber insgesamt blieb noch wenig Zeit für Eigenes.

Welche Projekte werden Ihre Handschrift tragen auf lange Sicht tragen?
Anstehen wird das Thema Gewerbegebietserweiterung. Da müssen wir vorankommen. Auch in Absprache mit Marbach. Dann wird das Thema der Vernetzung der Vereine im Ort noch kommen.

Was ist hier geplant?
Ich höre immer wieder von einzelnen Vereinen, dass sie sich bemühen, eine gute Jugendarbeit hinzubekommen, aber einfach nicht noch mehr stemmen können. Da kann die Gemeinde sicher den einen oder anderen Anschub geben und versuchen, die Vereine zu unterstützen. Wir können Vereine zusammenbringen, die alleine nicht aufeinander zugehen würden, weil sie gar nicht von ihren Problemen wissen. Und dann wäre da noch das Thema Verkehr. Da brauchen wir definitiv eine Lösung. Und es gibt keine Musterlösung. Die einen sagen: Je mehr parkende Autos, desto besser. Andere trauen sich kaum vorbeizufahren. Wir haben da in der Piemonteser Straße, der Bahnhof- und der Schafstraße augenscheinliche Probleme. Aber da braucht man ein gescheites Konzept und Zeit. Das geht nicht in den ersten 100 Tagen.

Wenn Sie für Erdmannhausen einen Wunsch frei hätten . . .
Dann wären das vollere Kassen. Mehr Geld bedeutet mehr Gestaltungsspielraum. Obwohl es uns finanziell nicht schlecht geht – aber da ließe sich sicher das eine oder andere besser und leichter umsetzen.

Was an Erdmannhausen mögen Sie besonders?
Ich mag die Struktur von Erdmannhausen. Weil es von allem etwas hat . Zum einen ist da fast etwas Großstädtisches, wenn man sich die Ortsmitte anschaut. Fußläufig gibt es alles, was man braucht. Zum anderen ist man in ein paar Schritten im Grünen und in der Natur. Gerade dieses Spannungsfeld finde ich toll. Das Gespräch führte Sandra Brock