In den riesigen Silos wird Soja gelagert, bis es von großen Schiffen (im Vordergrund) abtransportiert wird. Foto: Wolfgang Manuel Simon

Der Erdmannhäuser Wolfgang Manuel Simon kennt die Situation am Amazonas – und freut sich über die Nachricht.

Erdmannhausen - Eigentlich sind es gute Neuigkeiten, die gerade aus Brasilien kommen. Gemeint ist damit aber keineswegs der eine oder andere sportliche Erfolg bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Vielmehr lässt den Erdmannhäuser Wolfgang Manuel Simon die Meldung aufhorchen, dass die brasilianische Umweltbehörde Ibama die für den Staudamm-Bau am Tapajós-Fluss im Bundesstaat Pará notwendige Umweltlizenz verweigert hat. „Das gibt uns Hoffnung für die Menschen vor Ort“, sagt der Erdmannhäuser, der das Gebiet im vergangenen November mit der Hilfsorganisation Poema besucht hat (wir berichteten).

Allerdings bleibt er skeptisch, ob das nun wirklich das Aus für das größte geplante Infrastrukturprojekt Brasiliens sein wird. „Die derzeitigen Verhältnisse in dem Land lassen an einer endgültigen Entscheidung zweifeln.“ Damit spielt Simon auf die aktuelle Machtverschiebung in der Regierung an, aber auch auf die Tatsache, dass die Agrar-Lobby in dem südamerikanischen Land großen Einfluss hat.

Durch sein Engagement bei der Hilfsorganisation Poema beobachtet der Erdmannhäuser die Entwicklung im Amazonas-Gebiet sehr genau. Einen Monat lang war er im vergangenen Jahr gemeinsam mit Gerd Rathgeb aus Stuttgart und Dieter Streicher aus Beilstein in den brasilianischen Bundesstaaten Pará und Maranhao unterwegs. Dort haben sie Projekte der Hilfsorganisation Poema besucht, mit den dortigen Partnern gesprochen und neue Vorhaben geplant. Dabei haben sie nicht nur einzigartige Natur entlang des Amazonas und seiner Zuflüsse bewundert, sondern ebenso viel von deren Zerstörung mitbekommen.

Zum Beispiel, nahe Altamira, das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt, Belo Monte, ein Mega-Damm, gegen den es vor und während des Baus viele Proteste gab – auch seitens Poema. Vergebens. Inzwischen ist das Kraftwerk in Betrieb, mehr als 500 Quadratkilometer wurden für die Staubecken überflutet.

Doch auch am Tapajós-Fluss im Bundesstaat Pará sollte ein solches Wasserkraftwerk entstehen. „Die Ausmaße dieses Projekts sind für Mitteleuropäer nicht zu begreifen“, so Simon. Geplant war eine Staumauer von 7,6 Kilometer Länge mit einem etwa 125 Kilometer langen Stausee. Damit wäre ein Gebiet geflutet worden, das eineinviertel Mal so groß ist wie der Landkreis Ludwigsburg, hat Wolfgang Manuel Simon errechnet. Mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung und die Natur. Nur ein Beispiel wäre die indigene Dörfergemeinschaft Sawre Jaybu der Munduruku, wo Poema ebenfalls eine Anlage zur Wasseraufbereitung stehen hat. „Der Ort würde mitsamt seiner Schule geflutet werden“, erklärt Wolfgang Manuel Simon, „wie viele andere Orte auch“.

Doch wozu eigentlich ein Wasserkraftwerk mit mehr als 8000 Megawatt Leistung – was in etwa sechs Atomkraftwerken entspricht? „Der geplante Tapajós-Staudamm hat ganz klar mit der Ausweitung der Soja-Anbaugebiete zu tun“, sagt Wolfgang Manuel Simon. Er hat bei seiner Reise die riesigen Silos in Itaituba gesehen. Dort wurde eine neue Verladestation gebaut. Das mit dem Lastwagen aus dem Süden Brasiliens gebrachte Soja wird von hier aus per Schiff weitertransportiert. Simon: „Zu Spitzenzeiten erreichen 1000 Lastwagen täglich den Ort.“

Von dort aus geht das Soja auf Reisen. Wolfgang Manuel Simon drückt es so aus: „Die Nabelschnur von fleischfressenden Zivilisationen beginnt dort und endet hier in Europa. Die Futtermittel aus den abgeholzten Regenwaldgebieten Amazoniens landen in den hiesigen Futtertrögen und damit auf unseren Tellern.“ Damit habe laut Simon jeder, der Fleisch, Wurst und Käse im Supermarkt einkaufe, die Gewissheit, dass er gentechnisch verändertes Soja mit Glyphosat-Resten zu sich nehme.

Zurück aus Brasilien hat Poema im vergangenen Dezember gemeinsam mit dem Verein gentechnikfreie Landkreise Ludwigsburg und Rems-Murr, dessen Vorsitzender Wolfgang Simon ist, einen Brief an alle grünen Landtagsabgeordneten geschrieben. Darin haben sie sich für eine Agrarwende stark gemacht und den Einfuhrstopp von gentechnisch verseuchtem Futtermittel gefordert. „Diese werden hier an unsere Tiere verfüttert, ohne dass Verbraucher dies an Fleisch, Eier oder Milchprodukten erkennen können“, so Simon. Er hofft, dass manch einer durch Geschichten wie diese die Augen öffnet und einen Blick über den Tellerrand wagt. „Diese Hoffnung wird auch von den guten Nachrichten aus Brasilien unterstützt“, sagt der Erdmannhäuser. Bezüglich des Stopps des geplanten Staudamm-Baus kann er sich gut vorstellen, „was dort für ein Jubel ausgebrochen ist“. Wenn er auch befürchtet, dass diejenigen, die mit dem Damm Milliarden verdienen würden, wohl so schnell nicht locker lassen . . .