Auch in Ecuador ist gewählt worden, berichtet Antonia Ruoff. Foto: Antonia Ruoff

Die Erdmannhäuserin Antonia Ruoff berichtet aus ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr in Ecuador regelmäßig. Diesmal über Politik – dabei ist Korruption offenbar ein Problem.

Erdmannhausen/Ibarra - Diesen Mai gab es bei uns in Deutschland gleich zweimal die Chance zu wählen: bei den Europawahlen und bei den Kommunalwahlen. Auch hier in Ecuador wurden am 24. März die Regional- und Kommunalparlamente, Bürgermeister und Mitglieder des Rates für Bürgerbeteiligung (CPCCS) gewählt. Da Ecuador wie Deutschland eine repräsentative Demokratie ist, sind mir zahlreiche politische Gemeinsamkeiten, allerdings auch einige Unterschiede aufgefallen. Mit Lenin Moreno als Präsident bildet Ecuador eine Präsidialrepublik, dessen sozialistische Partei Alianza Pais die Regierung bildet. Sieben Parteien sind in der sogenannten „Asamblea Nacional“, also dem Parlament, vertreten.

Am 1. Mai konnte ich in Quito eine Demonstration miterleben, die sich gegen Moreno richtete. Wie gegen viele andere Politiker läuft auch gegen ihn ein Ermittlungsprozess wegen Korruption, was hier tatsächlich ein großes Problem ist. Nicht nur bei den ganz großen Politikern wie Ex-Präsident Raffael Correa, auch innerhalb der Kommunen gibt es viele Vorwürfe gegen Politiker. Offensichtlich gelten Posten in der Politik als schneller und einfacher Weg, an viel Geld zu kommen, was unter anderem ein Grund für die hohe Quote an Kandidaten sei. Die Wähler verlieren zunehmend das Vertrauen in die Regierung, mehr als nur einmal habe ich schon gehört, dass es eh egal sei, welche Partei man wähle, es seien schließlich alle Politiker korrupt.

Das Wahlrecht hier in Ecuador gilt ab 16 Jahren, ab 18 Jahren gibt es eine Wahlpflicht. Wer diese nicht einhält, muss eine Strafe von 15 Prozent des Mindestlohnes zahlen, was momentan etwa 59 Dollar sind. Ausgeschlossen von dieser Wahlpflicht sind Menschen ab 65 Jahren, Mitglieder des Militärs und isolierte Völker. Außerdem wird für gewöhnlich im Geburtsort gewählt, weshalb die Wahl meistens auch ein großes Familientreffen ist.

Bei den Wahlen geht es um vier grundlegende Themen: Gesundheit, Bildung, Sicherheit und Arbeit. Da es hier in Ecuador gewaltige Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Einrichtungen gibt, haben Parteien des linken Spektrums einen enormen Einfluss und auch schon einiges erreicht. So gibt es in fast jeder Stadt ein staatliches Krankenhaus, das „centro de salud“, in welchem sich Patienten kostenlos behandeln lassen können.

Zu den vier großen Themen kommt meistens noch ein fünftes Thema dazu: In letzter Zeit gibt es in Ecuador einige frauenrechtliche Bewegungen, die zum Beispiel gegen den Femizid – die systematische Tötung von Frauen –, für die Legalisierung von Abtreibungen, die nicht einmal im Falle einer Vergewaltigung erlaubt sind, und gegen die hier verbreiteten „Miss“-Wahlen kämpfen. In den Städten wird jedes Jahr eine „Miss“, also die schönste Frau der Stadt, gewählt. Es wird vor allem kritisiert, dass die Wahl weder gesellschafts- noch kulturfördernd sei und Frauen auf einer politischen Veranstaltung nur auf Äußeres reduziert werden würden.

Bezüglich der Kommunalwahlen ist mir beim Betrachten der Wahlplakate aber vor allem eines aufgefallen: Jede Partei hatte mindestens eine weibliche Kandidatin. Dies ist auf die im Gesetz verankerte Parität zurückzuführen, die besagt, dass jede Partei gleich viele männliche sowie weibliche Kandidaten aufstellen muss.

Passend zur „Fridays for future“-Bewegung gibt es auch hier Initiativen, um die Umwelt zu schützen und den Klimawandel zu stoppen. Doch der Schutz der Natur ist hier deutlich tiefer in der Verfassung verankert: Nach dem Konzept des „Buen vivir“ (kichwa: sumak kawsay), also dem „guten Leben“ ist der Schutz der Natur gesetzlich versichert. Die Ecuadorianer selbst stehen für das Gebiet Ecuadors ein, in dem sie leben. Werden also Gebiete im Amazonas illegalerweise ausgebeutet, haben die dort lebenden Völker das Recht, dagegen zu klagen. Dennoch herrscht in Ecuador ein ständiger Konflikt zwischen dem Naturschutz und dem Wirtschaftsgewinn. Schließlich braucht das Land die Erdölreserven, Platz zur Tierhaltung und Unterkünfte, in denen Touristen schlafen können. Die Idee des Buen vivirs ist es jedoch, einen gesunden Mittelweg zu finden und unkontrollierte Ausbeutung zu verhindern.

Obwohl auch nach Ecuador viele Venezolaner geflüchtet sind, was das Land natürlich vor viele Herausforderungen stellt, wird die Flüchtlingskrise kaum in die Politik eingebunden. Zumindest viel gemäßigter als in Deutschland. Dies wurde mir von mehreren Menschen so erklärt: Ecuador war schon immer ein Land mit vielen verschiedenen Kulturen, daher ist die Toleranz für Neues doch sehr hoch. Auch wenn es seit den Flüchtlingsströmen aus Venezuela mehr Stimmen gegen Flüchtlinge gibt, würden sich Parteien doch eher unbeliebt machen, wenn sie öffentlich gegen Flüchtlinge hetzen würden.

Wie man also sieht, gibt es zahlreiche Thematiken die in Deutschland und in Ecuador ähnlich sind: Gesundheit, Sicherheit, Bildung und Arbeit werden auch bei uns immer wieder diskutiert. Auch wenn ich froh bin, dass ich mir in Deutschland kaum Gedanken bezüglich Korruption machen muss, denke ich doch, dass es einige Punkte, zum Beispiel das Buen vivir, gibt, in denen Ecuador Deutschland deutlich voraus ist und wovon auch wir in der westlichen Welt etwas lernen können.