In Oberstenfeld sorgt eine neu gegründete Rolli-Gruppe mit Alt-Schultes Reinhard Rosner (links) für frischen Wind. Foto: Oliver von Schaewen

Ehrenamtliche könnten betagten Senioren ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Aber die Fördervereine der Ludwigsburger Kleeblatt-Heime beklagen mangelnden Zulauf.

Sorgsam bindet Reinhard Rosner einen blauen Fußsack um die Beine einer Seniorin, die im Rollstuhl sitzt. Die drei anderen Helfer sind auch schon im Foyer des Oberstenfelder Kleeblatt-Heims versammelt. Allmählich trudeln alle vier Frauen ein, die am 14-tägigen Montagsausflug der Rolli-Gruppe teilnehmen. „Heute sind wir eine kleine Gruppe“, erklärt Rosner, Vorsitzender des Fördervereins und früherer Bürgermeister der 8000-Einwohner-Kommune im Oberen Bottwartal.

Den Fördervereinen der Kleeblatt-Heime fehlt der Nachwuchs

Vier Helfer, vier Rollstuhlfahrer – mehr geht nicht an diesem eher trüben Novembermorgen gegen 10 Uhr. Die Rolli-Gruppe gibt es seit etwas mehr als einem Jahr. Sie bringt frischen Wind in das Altenheim. „Wir könnten noch mehr ehrenamtliche Helfer gebrauchen“, sagt Rosner, der das Amt im Mai 2019 übernahm und es nicht zuletzt durch die Vorgaben der Coronapolitik schwer hatte, den „Mitarbeiterstamm“ zu erweitern. Da mag es fast wie eine Art Trost wirken, dass es anderen Kleeblatt-Fördervereinen im Kreis Ludwigsburg ähnlich geht. „Man hört sich um und erfährt viel – jeder Verein hat so seine Nachwuchsprobleme.“

Dick eingepackt trotzen die Seniorinnen im Rollstuhl dem auffrischenden Wind. Die Frauen haben schon öfter mit der Rolli-Gruppe das Neubaugebiet unterhalb der Burg Lichtenberg besucht – auch diesmal wollen sie die Baufortschritte sehen. Mit von der Partie sind Hans-Joachim Wirth und seine Frau, die beide schieben. „Wir haben früher einen pflegebedürftigen Nachbarn geschoben, um seine Frau zu entlasten, jetzt helfen wir hier mit.“ Wenig später setzt Regen ein. Die Gruppe sucht im Edeka-Markt Zuflucht und geht shoppen.

Ältere wollen mit Wohnmobilen reisen, statt im Altenheim zu helfen

Kleine Glückserlebnisse teilen, das ist die stille Freude der Helfer an diesem Morgen. Kaum zu glauben, dass zu wenige Menschen in ihren Wohnorten an die Älteren im Seniorenheim denken. Aber doch ist es so, wie auch Kerstin Falkner-Tränkle, Kleeblatt-Fördervereinsvorsitzende in Erdmannhausen bestätigt. Sicherlich hätten die Coronabeschränkungen dazu geführt, dass viele Menschen aus Angst, das Virus in das Heim zu tragen, ihr Engagement zurückgefahren. Doch insgesamt sei man bei rund 100 Mitgliedern und 20 Aktiven in der dörflichen Struktur des 5000-Einwohner-Ortes noch relativ gut aufgestellt. „Die Menschen packen gerne mit an, aber zögern, sich längerfristig zu binden, etwa im Vereinsvorstand.“ Viele Ältere wollten mit Wohnmobilen oder E-Bikes verreisen können, so lange es ihnen noch körperlich möglich ist. Sie selbst habe intensive Erfahrungen gesammelt, die sie nicht missen möchte, erzählt die SPD-Gemeinderätin.

Über die Ursachen der Helferkrise hat sich Stefan Ebert viele Gedanken gemacht. Der Geschäftsführer der Kleeblatt-gGmbH hält es für wichtig, dass Ehrenamtliche sich besonders um die kümmern, die keine Angehörigen mehr haben. „Unsere Mitarbeiter kämpfen mit immer mehr Bürokratie – ihnen fehlt diese Zeit für die Pflegebedürftigen.“ Ebert bestätigt: „Mehrere unserer Fördervereinsvorsitzenden begleiten dieses Amt schon sehr lange und finden keine – oder nur sehr schwer – Nachfolger.“ Auch die Zahl der Helfer schrumpfe kontinuierlich. Vor Corona habe sie bei 600  gelegen. Aktuelle Daten lägen pandemiebedingt nicht vor.

Der Kleeblatt-Geschäftsführer will stärker in die Werbung gehen

Um wieder mehr Ehrenamtliche zu gewinnen, will der Kleeblatt-Chef Ebert stärker werben. Wer sich melde, dem vermittele man den Kontakt zu einem Pflegebedürftigen in einem nahen Heim. Dann kläre sich schnell, welche Tätigkeit am besten passe, wie etwa vorzulesen, zu musizieren, spazieren zu gehen oder Kuchen backen für das Kleeblatt-Café, das auch immer Helfer benötige.

Auf persönliche Kontakte schwört Helmut Wiedenhöfer, Leiter des Seniorenstiftes Schillerhöhe in Marbach. „Vieles ergibt sich, wenn man mit den Menschen, die das Haus wegen eines Angehörigen besuchen, ins Gespräch kommt.“ Da kenne der eine wieder einen anderen, der vielleicht mal ein kleines Konzert mit einem Musikinstrument geben könne. „Alles hängt davon ab, ob man eine Wohlfühlkultur aufbauen kann – die Leute engagieren sich, wenn sie ihre Angehörigen gut aufgehoben sehen.“ Wiedenhöfer sehnt sich nach Normalität: „Ich gehe davon aus, dass dies der letzte Coronawinter ist.“

Das Sozialministerium geht von einem hohen Engagement aus

Und wie denkt die Landespolitik über das rückläufige Ehrenamt? Im Sozialministerium gebe es keine Zentralstelle für das Ehrenamt in Altenheimen, teilt Pascal Murmann, Sprecher des von den Grünen geführten Sozialministeriums in Stuttgart mit. Das gesellschaftliche Engagement habe durch die Coronapandemie nicht nachgelassen, auch wenn dies so scheine. So hätten im Jahr 2021 zum Beispiel rund 13 000 junge Leute ein Freiwillige Soziales Jahr absolviert – „so viele wie in keinem anderen Bundesland“. Allerdings habe der gesellschaftliche Zusammenhalt unter der Coronapandemie gelitten, räumt Murmann unter Verweis auf eine entsprechende Studie des Landes Baden-Württemberg ein.

Bringen soziales Pflichtjahr und Ehrenamtskarte etwas?

Soziales Pflichtjahr
 Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält an seiner Idee für ein soziales Pflichtjahr fest – altersunabhängig. Damit will er das Ehrenamt fördern und den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Steinmeier ist der Meinung, nicht nur junge Leute sollten ein solches Pflichtjahr ausüben. Alle Menschen sollten einmal in ihren Leben die Erfahrung machen, für fremde Menschen da zu sein.

Ehrenamtskarte
 Verbilligt ins Kino, Schwimmbad oder Theater? Die Ehrenamtskarte soll jungen Leuten durch Vergünstigungen ein freiwilliges soziales Jahr schmackhaft machen. Das Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg arbeitet derzeit an einem Gesetzesentwurf. Grüne und CDU hatten die Karte im Koalitionsvertrag vereinbart.