Unterschlagung oder gewerbsmäßiger Betrug? Das muss das Gericht entscheiden. Foto: Archiv (dpa/Uli Deck)

Ein 45-Jähriger muss sich derzeit wegen Unterschlagung vor dem Schöffengericht in Ludwigsburg verantworten. Der Mann soll im Kofferraum seines Dienstwagens insgesamt 203-mal Räder abtransportiert haben.

Unterschlagung oder gewerbsmäßiger Betrug? Diese Entscheidung steht im Falle eines ehemaligen Mitarbeiters des Affalterbacher Automobilherstellers AMG noch aus. Der 45-Jährige hatte direkt zu Prozessbeginn vor dem Schöffengericht in Ludwigsburg gestanden, seinem früheren Arbeitgeber Kompletträder im Wert von rund 400 000 Euro gestohlen zu haben.

Das Wirtschaften in die eigene Tasche ging ziemlich lange gut – genau genommen vom 24. Januar 2017 bis zum 24.  Mai 2019. Insgesamt 203-mal soll der zwischenzeitlich fristlos gekündigte Mann im Firmenauftrag die Reifen auf dem Weg von der Montage bei einer Firma in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) zum Einlagern in Stuttgart und andersherum verschwinden lassen haben.

Eine Domina soll den Angeklagten mit Videos erpresst haben

Den Fellbachern kam es aber eines Tages seltsam vor, dass die Wagen aus Affalterbach beim Wechsel von Sommer- auf Winterreifen stets komplett neue Räder bekamen, die gar nicht nötig gewesen wären. Die bisherigen, die der Angeklagte in den Kofferraum seines Dienstwagens umlud, hatten nämlich jeweils kaum mehr als 3000  Kilometer auf dem Buckel. AMG setzte daraufhin einen Privatdetektiv auf den 45-Jährigen an, der beobachtete, wie dieser mit dem Dienstwagen in Fellbach einen Satz abholte. In Winnenden, wo der Angeklagte damals gewohnt hat und die gestohlenen Räder in sein Privatfahrzeug umlud, verlor der Detektiv die Spur. Am Sitz in Affalterbach kam der einstige Mitarbeiter kurz darauf mit leerem Kofferraum an.

Der Detektiv versuchte herauszufinden, wo der 45-Jährige die Kompletträder anbot, bekam aber nichts heraus. „An zwielichtige Gestalten“, wusste der Verteidiger, der auch auf das Motiv seines noch unbescholtenen Mandanten zu sprechen kam. Dieser sei einer teuren Domina hörig gewesen, die ihm drei oder vier Abnehmer für größere Mengen Rädersätze vermittelt habe. Diese Frau habe den Angeklagten auch mit Videos erpresst und gedroht, diese an seine Ehefrau zu schicken, wenn er nicht weiter zahlt. Nachdem der 45-Jährige seiner Frau doch noch alles gestanden hatte, folgte die Scheidung.

Den Kollegen waren Ungereimtheiten aufgefallen

Erste Verdachtsmomente gegen den Angeklagten gab es übrigens schon 2017. Einer der Mitarbeiter in Fellbach hatte sich damals gewundert, dass der 45-Jährige die Räder selbst abholt, anstatt wie üblich eine Spedition. Er ließ schon damals in Affalterbach nachfragen, ob das auch alles seine Richtigkeit habe.

Der frühere Teamleiter des Angeklagten erklärte der Richterin Andrea Henrich: „400 000 Euro ist für unsere Firma nicht viel Geld. Wir sind ein großes Unternehmen.“ Als Zeugin vor Gericht sagte auch die frühere Leiterin der Rechtsabteilung aus. Kollegen hätten sich durchaus mit „Ungereimtheiten und Vermutungen“ an sie gewandt. So war aufgefallen, dass das Privatauto des Angeklagten fast immer im Parkhaus von AMG stand, während er viel in Dienstfahrzeugen unterwegs war. Zudem stand sein Laptop oft in Affalterbach, während der 45-Jährige im Homeoffice gearbeitet haben soll. Gehäuft führten die Hinweise schließlich vor den Richter. Von einer Domina hatte der Mann der Rechtsabteilung aber nichts erzählt. Dort gab der 45-Jährige, „Geldnöte“ an. Die Verhandlung geht am Donnerstag weiter.