Die Georgskirche ist ein Gotteshaus, das nicht vermietet wird. Foto: Werner Kuhnle

Michael Vogts Frau ist auf tragische Weise verstorben. Er wollte für sie eine Trauerfeier in der Georgskirche in Kleinbottwar ausrichten. Doch die Kirchengemeinde sagte Nein – und verweist auf einen Grundsatzbeschluss.

Steinheim-Kleinbottwar - Am 23. Dezember wäre Christa Vogt 67 Jahre alt geworden. Ein tragischer Unfall hat das Leben der Mutter und Ehefrau zuvor jedoch jäh beendet. Am 15. November stürzte Christa Vogt in ihrem Haus und brach sich das Genick. Ehemann Michael Vogt war zum Zeitpunkt des Unfalls in der Schweiz. Der 69-Jährige schaute im Ferienhaus nach dem Rechten. Als er nachmittags zurück nach Baden-Baden kam, lag Christa Vogt tot auf der Treppe. „Sie hatte in ihrer Jugend einen schweren Unfall und war durch ein versteiftes Bein unsicher beim Treppensteigen. Sie muss gestolpert sein“, erklärt sich der Witwer den tödlichen Sturz seiner Frau, der von einem Tag auf den anderen sein Leben verändert hat.

Den unerwarteten Tod des geliebten Partners zu verarbeiten, bringt Menschen an ihre Grenzen – und dauert oft Jahre. In der ersten Zeit wird die Trauer meist durch das Planen der Beerdigung überdeckt. Es gibt jede Menge zu organisieren. Wo findet die Trauerfeier statt? Wie soll sie gestaltet werden? Fragen, die sich auch Michael Vogt zusammen mit Sohn Oliver gestellt hat. „Meine Frau und ich hatten eigentlich vorgehabt, uns in einem Baumgrab beerdigen zu lassen, aber hier bei uns in Baden-Baden gab es keine freien Plätze mehr“, erzählt Michael Vogt. Das nächste freie Baumgrab hätte es in Achern gegeben, einer rund 30 Kilometer entfernten Gemeinde. „Aber dorthin haben wir gar keinen Bezug.“ Schnell war klar: Christa Vogt soll in Kleinbottwar beerdigt werden. In dem Ort, in dem sie viele Jahre glücklich war und in dem Sohn Oliver immer noch lebt.

Starke emotionale Bindung

Geheiratet hat das Paar in Stuttgart, doch bei Besuchen ins Bottwartal haben sich beide in die hiesige Landschaft verliebt. 1987 folgte der Umzug ins eigene Haus nach Kleinbottwar. Sohn Oliver kommt zur Welt und verbringt seine Kindheit und Jugend im Steinheimer Stadtteil. Als Michael Vogt Mitglied des Vorstands der Kreissparkasse Esslingen wird, zieht die Familie 2003 in den Landkreis Esslingen. „Meine Frau hatte eine sehr starke emotionale Bindung und wollte nicht von Kleinbottwar weg, aber berufsbedingt ging es nicht anders.“ 2013 geht Vogt in den Ruhestand und es folgt ein weiterer Umzug nach Baden-Baden. „Wir dachten, in einer größeren Stadt ist es im Alter aufgrund der Infrastruktur leichter.“ Sohn Oliver lebt jedoch seit geraumer Zeit wieder in Kleinbottwar.

Auch wenn das Paar vor vielen Jahren aus der evangelischen Kirche nach bedrückenden Erlebnissen aus „ganz persönlichen Gründen“, wie der 69-Jährige es ausdrückt, ausgetreten ist, möchte der Witwer, dass ein Geistlicher die Predigt hält und die Trauerfeier für Christa Vogt in der Georgskirche, nicht in der Aussegnungshalle stattfindet. „Unser Sohn ist dort konfirmiert worden, die Kirche hat für uns eine große Bedeutung – ich war früher auch oft in Gottesdiensten dort“, erzählt Michel Vogt. Über einen Bekannten bekommt er Pfarrer Johannes Wendnagel empfohlen. Der Geistliche aus Pfaffenhofen hält ab und an Trauerpredigten für aus der Landeskirche Ausgetretene. Drei Stunden nimmt sich Wendnagel Zeit. „Es war ein gutes, sehr einfühlsames Gespräch, für das ich sehr dankbar bin“, sagt Michael Vogt.

Und dann passiert, was für den 69-Jährigen noch immer unbegreiflich ist. Der Kirchengemeinderat lehnt den Wunsch des Witwers ab: Die Trauerfeier kann nicht in der Kirche stattfinden. „Ich habe der Vorsitzenden ein sehr persönliches Mail geschrieben und auch Gemeindepfarrer Volker Hommel hat meines Wissens versucht, das Gremium umzustimmen, aber es gelang nicht.“ Warum? Das wird Michael Vogt nicht persönlich mitgeteilt, sagt er.

Was bleibt, ist Unverständnis und Bitterkeit. Er habe Verständnis dafür, dass es in einer Organisation gewisse Regeln geben müsse, betont der 69-Jährige. Und doch müsse der Einzelfall betrachtet werden. „Es wird seitens der Kirche immer viel von Nächstenliebe geredet und davon, dass man näher an die Menschen heranrücken will, aber wenn es drauf ankommt, dann ist es nicht so“, sagt Michael Vogt, betont jedoch, dass es ihm nicht darum gegangen sei, die Kirche wie eine Art Eventlocation zu buchen – auch wenn er natürlich für die Unkosten aufgekommen wäre. Er wolle auch keinen „Privatkrieg“ gegen die Kirchengemeinde führen. Er hoffe vielmehr, dass er ein Umdenken in Gang bringen kann.

Nochmalige Beratung

Und das könnte er womöglich. Denn das erst dieser Tage neu gewählte Kirchengemeinderatsgremium wird sich nächstes Jahr über das Thema nochmals beraten, teilt die Vorsitzende des Kleinbottwarer Kirchengemeinderats, Silvia Schmidt, auf Anfrage mit. Bis dahin gilt aber noch ein lange zurückliegender Grundsatzbeschluss, in dem festgelegt wurde, dass Trauerfeiern grundsätzlich in der Aussegnungshalle auf dem Friedhof in Kleinbottwar stattfinden und das Kirchengebäude nicht genutzt werden soll. „Die seelsorgerliche Begleitung ist nicht abhängig vom Ort der Trauerfeier“, betont Schmidt. Die Entscheidung werde von den Einheimischen so akzeptiert und sei seit Generationen Tradition. „Bisher gab es nur ganz vereinzelt Anfragen.“

Bei Michael Vogts Anfrage sei gemäß dieser Regelung verfahren worden. „Sie wäre auch bei einer Anfrage von anderen Personen innerhalb und außerhalb der Kirchengemeinde Kleinbottwar so angewendet worden“, versichert Schmidt im Namen des Gesamtgremius. In der Vergangenheit sei nur in begründeten Einzelfällen von der Regelung abgewichen worden. Eine „besondere Beziehung zum Gotteshaus“ stelle für den Kirchengemeinderat keine ausreichende Begründung dar und wäre den Kirchenmitgliedern nicht vermittelbar, ist sie sich sicher. Dem Kirchengemeinderat sei bewusst, dass jeder Sterbefall Trauer, Leid und Schmerz verursache. „Ist jemand aus der Kirche ausgetreten und hat dennoch den Wunsch einer christlichen Beisetzung, liegt dies im Ermessen des angefragten Pfarrers. Das ist losgelöst von der Örtlichkeit der Trauerfeier.“ Die Georgskirche sei jedoch ein Gotteshaus, das nicht vermietet werde. „Eine finanzielle Entschädigung ist nicht ausschlaggebend.“ Die Nähe zu den Menschen in Kleinbottwar und deren Bedürfnissen sei der Kirchengemeinde ein großes Anliegen, betont Schmidt. „Im Rahmen eines Gemeindeentwicklungsprojekts haben wir uns sehr ausführlich mit unserer Gemeinde, ihrer Struktur und ihren Bedürfnissen befasst. Für neue Ideen sind wir offen, so wurde zum Beispiel eine Taufe auf einem privaten Grundstück im Swimmingpool vorgenommen.“ Man schätze Gemeindepfarrer Volker Hommel. „Seine Meinung ist uns wichtig.“ Nach der Ordnung unserer Landeskirche leite er gemeinsam mit den ehrenamtlichen Mitgliedern des Kirchengemeinderats die Kirchengemeinde. Aber: „Im Kirchengemeinderat fallen Entscheidungen – wie in jedem demokratischen Gremium – nach dem Mehrheitsprinzip.“

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