Gabriele Graziano hat alle Gerichte selbst entwickelt. Foto: KS-Images.de

Eine alte neapolitanische Tradition wird im A’ Marenn neu aufgerollt – und ganz modern interpretiert. Profitieren sollen nicht nur die Kunden in Beilstein, sondern bald auch deutschlandweit.

Beilstein - Gabriele Graziano sitzt ganz ruhig in seinem Sessel in seiner Firma VIP Italia in Beilstein. Etwas verhalten beantwortet er Fragen rund um sein Leben. Doch in dem Moment, in dem das Gespräch auf das Thema Kochen kommt, blüht der Italiener auf. Innerhalb von Sekunden ist ihm die Leidenschaft, die er für hochwertige Produkte und jegliche Art von Lebensmitteln hegt, anzumerken. Er schwärmt von der italienischen Küche – aber vor allem von seiner Geschäftsidee. Denn mit dieser will er nicht nur ein kleines Stück Italien nach Beilstein und in andere Städte, sondern auch eine alte Tradition wieder ins Bewusstsein der Menschen bringen. Eine, ohne die Gabriele Graziano sich seine eigene Kindheit gar nicht hätte vorstellen können.

„Wenn ich als Kind in die Schule gegangen bin, dann habe ich immer eine Marenna von meiner Mama mitbekommen“, erzählt der Mann aus Neapel. Marenna? – „Im Deutschen würde man Vesper dazu sagen“, sagt Graziano und schmunzelt. Ein Marenna ist nämlich alles andere als ein ganz normales Vesper, das wir Deutschen kennen. Im Grunde hat es überhaupt nichts damit zu tun. Denn anstatt ein Wurst- oder Käsebrot – im besten Fall noch mit einer Gurke oder einer Tomate – in den Schulranzen gesteckt zu bekommen, erhielt Gabriele Graziano stets eine ganze Mahlzeit von seiner Mama mit für den Tag. Im Brötchen verpackt, um es essen zu können. Eingewickelt wurde das Ganze schließlich in ein Geschirrtuch. Öffnete er dieses, schlugen ihm die typischen Aromen der italienischen Küche entgegen. Gerüche, die er bis heute liebt, die ihm aber in der Vergangenheit oftmals im ein oder anderen Restaurant fehlten. Ein Abend in einem solchen Restaurant war es schließlich, der vieles im Leben von Gabriele Graziano veränderte.

„Ich war nicht so ganz zufrieden mit meinem Essen und habe mal wieder etwas vor mich hingeschimpft. Da hat mein Sohn gesagt: ‚Mach es eben besser.’ Und das habe ich dann versucht“, blickt der Italiener, der in Frankreich geboren wurde und im Alter von zwei Jahren wieder nach Neapel kam, auf den Abend vor rund drei Jahren zurück. Zu Hause stellte sich der 49-Jährige daraufhin an den Herd und tüftelte. Er schmeckte ab, probierte, verwarf Ideen und stellte die ein oder andere seiner Familie vor. Sein Ziel: „Ich wollte ein komplettes Gericht im Brötchen anbieten wie es früher die Omas und Mamas gemacht haben. Aber die Frage war: Wie mache ich das? Deshalb habe ich mich drei Jahre lang mit dem deutschen Markt beschäftigt und solche Gerichte aufgebaut, die zwar aus der neapolitanischen/italienischen Küche stammen, die aber alle verstehen.“ Herausgekommen sind 22 verschiedene Gerichte – 14 von ihnen werden seit ein paar Wochen im neu eröffneten Laden in Beilstein angeboten –, die den Gast erst einmal kurz erstaunt blicken lassen. Denn Panini wie diese hat man in Deutschland noch nie gesehen.

Da ist etwa die Carbonara Marenna, die alle typischen Zutaten außer die obligatorischen Spaghetti beinhaltet. Oder aber die Genovese Marenna, die befüllt ist mit Rindfleisch, das über Stunden bei niedriger Temperatur mit Zwiebeln geschmort wird. Garniert wird das Ganze mit Basilikumpesto, einer kompletten Burrata, Hartkäse und Pistazien. Die Brötchen lässt Gabriele Graziano übrigens in Italien herstellen – nach eigener Rezeptur und mit einem ganz besonderen Mehl, das am Ende eine Balance aus Knusprigkeit und Leichtigkeit auf den Teller bringt. Das kostet (in etwa das sechsfache eines normalen Dönerbrötchens), ist für den leidenschaftlichen Genießer aber ein Muss. „Die Qualität der Lebensmittel ist mir wichtig, da bin ich sehr wählerisch und mache keine Kompromisse. Ich kaufe nichts zu. Alle unsere Produkte werden frisch produziert“, macht er klar. Dafür hat er in seinem „Labor“ in Beilstein drei Köche angestellt, die alles produzieren, was ein paar Meter weiter im Verkaufsraum im A’ Marenn über den Tresen geht. Neben den herzhaften Marenne – die am Ende stilecht in einem Geschirrtuch eingewickelt werden – sind das im Übrigen auch süße.

Gefüllt mit Pistazien- und Ricottacreme, Tiramisu-Creme oder Panna-Cotta-Creme wandern die Brioche erst unter einen der zwei Schokobrunnen, ehe sie dann zum Gast gehen. Apropos Schokolade: Verwendet wird eine, die 39 Euro pro Kilo kostet und sozusagen als „Ferrari unter den Schokoladen“ gehandelt wird. „Wir wollen eben nicht irgendwer sein, sondern etwas Besonderes. Wir möchten uns abheben“, sagt Gabriele Graziano. Aus diesem Grund gibt es im Laden in Beilstein auch nur italiensche Produkte. Limonaden etwa oder Sekte und Weine. Kaufen kann man zudem verschiedene Spezialitäten wie Soßen und Antipasti.

Dies wird jedoch eine Beilsteiner Besonderheit bleiben. Denn in den weiteren Läden, die Gabriele Graziano geplant hat, steht der Fast Food-Gedanke im Vordergrund. Ende November wird in Asperg Eröffnung gefeiert, im ersten Quartal 2020 wird es die Marenne dann auch in der Stuttgarter Innenstadt geben. In drei bis vier Jahren soll die Kette in ganz Deutschland vertreten und die italienische Tradition wieder aus der Versenkung gehoben sein. Eine erste Anfrage aus Dubai kam auch schon – „doch das ist mir zu früh, ich möchte mir erst einmal in Deutschland einen Namen machen“, sagt der Mann, der das Genießen und die Leidenschaft für Lebensmittel „einfach in seiner DNA hat“, wie seine Mitarbeiter über ihn sagen. Und dies merkt man ihm bei einer Führung im Laden auch stets an. Er kommt aus dem Zeigen, Schwärmen und Hinweisen auf die Besonderheiten seiner Produkte gar nicht mehr heraus. Er lebt seine Idee – und die Tradition seiner neapolitanischen Familie.