Eine Bombe traf am 3. September 1940 das Gasthaus Traube in Großbottwar. Foto: Archiv (Werner Fuchs

Der Fund einer Weltkriegsbombe weckt Erinnerungen an den 3. September 1940. Die Einwohner Großbottwars wurden bei einem der ersten Luftangriffe in Süddeutschland von Bombenabwürfen aus dem Schlaf gerissen. Die folgenden Löscharbeiten dauerten fast eine Woche.

Vor zwei Jahren hätte in Murr groß gefeiert werden sollen: 100 Jahre Fußball und 75 Jahre Sport- und Gesangverein (SGV) Murr. Doch Corona machte den Akteuren einen Strich durch die Rechnung. Das mehrtägige Fest mit Umzug wurde abgesagt. Dennoch brachte der SGV eine Jubiläumschronik heraus. Ihr Autor, Andreas Hennings, Redakteur der Marbacher Zeitung (MZ) , hatte sich ein Jahr lang beinahe jeden Abend im Archiv der MZ vergraben, um auf mehr als 500 Seiten die Jubiläen des Vereins in die politischen und gesellschaftlichen Geschehnisse in Murr, aber auch im Bottwartal zwischen 1900 und 2020 einzubetten.

Der Fund der Bombe in Großbottwar – auch wenn es sich um eine Wehrmachtsbombe handelt, mit der eine Brücke gesprengt werden sollte, um das Vorankommen der Alliierten zu stoppen - ruft dieser Tage Erinnerungen wach; nicht zuletzt angesichts des Krieges in der Ukraine. Von August 1940 an flogen britische Bomber über den Süden des Landes, als Antwort auf deutsche Angriffe auf Großbritannien. In der Chronik wird auch daran erinnert.

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Vier Wohnhäuser und neun Scheunen stehen in Flammen

Ein Donnern aus Richtung Stuttgart riss in der Nacht auf den 3. September 1940 die Großbottwarer aus dem Schlaf. Nach einer Stunde war es wieder ruhig, Luftalarm gab es damals noch nicht. Doch dann wurden die Großbottwarer erneut durch drei gewaltige Detonationen geweckt, die in kurzem Abstand erfolgten. Panik machte sich breit. Die Menschen stürzten aus den Häusern oder in die Keller. Um 2.32 Uhr hatte ein britisches Flugzeug neben drei Sprengbomben 100  Stabbrandbromben abgeworfen – wohl als Notwurf, weil es Zeit war, heim zu fliegen. Zwei der Sprengbomben fielen in Felder, die dritte traf das Gasthaus Traube. Vier Wohnhäuser und neun Scheunen brannten.

Die Feuerwehren aus Winzerhausen, Steinheim, Marbach und Ludwigsburg kamen zur Hilfe, um die 50 Meter hohen Flammen zu bändigen. Panik brach kurz aus, als erneut Flugzeuge zu hören waren – Bomben fielen aber nicht mehr. Bis alle Scheunen gelöscht waren, verging fast eine Woche.

Weil es im gerade ein Jahr andauernden Krieg so etwas bis dahin nicht gegeben hatte, wirkte der erste Luftangriff in Süddeutschland für die Großbottwarer viel grauenhafter und schrecklicher als spätere Luftangriffe in anderen Orten. Das „Bombentörle“ in der Stadtmauer und der „Brandplatz“ erinnern bis heute an die Kriegsnacht. In der Marbacher Zeitung war über den Luftangriff auf Großbottwar nichts zu lesen.

Drei Jahre lang blieb dieser Vorfall in der näheren Umgebung ein Einzelfall. Die Bevölkerung wurde aber angehalten, nachts keine Lichter brennen zu lassen, wie es vor dem Krieg geübt worden war. Eine Maßnahme, die in der Bevölkerung ein beklemmendes Gefühl hervorrief und bei den Menschen teils noch Jahrzehnte nach dem Kriegsende präsent blieb.

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Immer wieder stürzen getroffene Bomber ab

In der Nacht zum 25. Februar 1940 war nach Flakbeschuss ein britischer Lancaster-I-Bomber auf dem Feld im Murrer Gewann Ettich abgestürzt, nördlich der heutigen Straße Im Schlat. Die brennenden Trümmer verteilten sich bis Richtung Honatskelter und wurden im Bahnhof gelagert. Zwei Besatzungsmitglieder starben, weitere retteten sich mit Fallschirmen. Sie kamen in Kriegsgefangenschaft.

Immer wieder stürzten in der Umgebung getroffene Bomber ab, so etwa im März 1943, als ein Nachtjäger über Mundelsheim eine britische Halifax abschoss. Einen Monat später fielen Brandbomben auf Marbach, getroffen wurden jeweils ein Gebäude in der Kirchenweinberg- und in der Schillerstraße. Selbst im ländlichen Siegelhausen, wo man sich sicher fühlte, fielen Bomben: erst auf umliegende Felder, dann auf ein Anwesen.

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