Kleine Gesten wie dieser Weihnachtsbaum sollen den Betroffenen im Ahrtal zumindest eine kleine Freude sein. Foto:  

Tina Siber fährt regelmäßig mit der „Flutopferhilfe aus’m Ländle“ ins Ahrtal um dort zu helfen. Die Frau findet angesichts der großen Not dort bald keine Worte mehr. Weiterhin fehlt es in manchen Ortschaften an grundlegenden Dingen wie Strom und Wasser – und die Helfer vor Ort werden weniger.

Steinheim-Höpfigheim - Fakt ist: auch an Weihnachten müssen viele Opfer der Flutkatastrophe im Ahrtal weiterhin frieren. Diese schonungslose Tatsache verkündet Tina Siber von der „Flutopferhilfe aus’m Ländle“. Es vermittelt ein Ausmaß großer Tragik, dass die Höpfigheimerin diese Wahrheiten zwar unentwegt anspricht, sich vor Ort aber wenig ändert. „Immer noch haben Ortschaften keinen Strom, kein Gas und nicht einmal Wasser“, empört sich die 43-Jährige, die selbst in Sinzig aufgewachsen ist und deren Eltern immer noch dort wohnen.

Die Betroffenen fühlen sich vom Staat im Stich gelassen

Fast jedes Wochenende fährt Tina Siber mit Ehemann Markus und ihrer Tochter ins Ahrtal, um dort die Not zu lindern. Dass sie nicht längst erschöpft und hoffnungslos ist, grenzt an ein Wunder. Denn nicht nur die Hilfsaktionen an den Wochenenden zehren – auch die zwischenmenschlichen Kontakte verlangen ihr einiges ab. Viele Betroffene haben Angehörige verloren, fühlen sich vom Staat im Stich gelassen und sehen oft keinen Ausweg aus der trostlosen Situation. „Die Seelsorge Deutschland spricht von ein bis zwei Suiziden pro Woche“, hat Siber von der Organisation erfahren.

Entsprechend düster zeichnet auch sie das Bild vor Ort. Obwohl in wenigen Tagen das Weihnachtsfest gefeiert wird, freue sich dort kaum jemand darauf. „Ich will gar nicht wissen, wie die Menschen feiern“, sagt Tina Siber fast trotzig und in dem kurzen Satz liegt viel emotionaler Frust.

Häuser wurden mit Öl geflutet

Immer wieder ist Geld ein Thema. Geld, das fehlt: etwa für Bautrockner, die geliehen werden müssten. „Es fehlt auch an Gutachtern“, weiß die Helferin und beschreibt das Schicksal von Häusern und deren einstigen Bewohnern: „Weil keiner feststellt, ob das Haus abgerissen werden muss oder nicht, wollen die Besitzer vorerst auch nicht investieren“. In der Folge schimmeln die Gebäude und bleiben unbewohnbar.

Von den rund 4500 Häusern in der Region seien etwa 3000 beschädigt. „Viele müssen noch abgerissen werden“, beklagt Siber, die selbst in Häusern war, die mit Öl geflutet worden sind, weil Tanks von den Fluten mitgerissen wurden: „Darin kann man sich maximal 15 Minuten aufhalten, so furchtbar stinkt es.“ Siber erzählt außerdem von einer Frau, die im Obergeschoß eines solchen Hauses wohnt. Deren herzkranker Mann ist am Tag des Flutgeschehens gestorben. Die Frau hat ihn, der eine Herzattacke erlitt, bis zum Dachboden getragen, als das Wasser anstieg.

Zwei Millionen Liter Erdöl seien insgesamt durch die Flut in die Ahr gelangt, die stellenweise einen Hochwasserpegel von 12,10 Meter markierte. „Beim Jahrhunderthochwasser im Jahr 2016 waren es 3,18  Meter“. All das sei kein Szenario für glanzvolle Weihnachten. Auch nicht, dass eines der Versorgungszelte bald schließen müsse, weil der Verleiher auf den Kosten sitzenbleibe. „Das Rathaus zahlt nichts“, so Siber, die in all der Tragödie aber auch von Lichtblicken zu erzählen weiß.

Nicht mehr so viele Helfer wie zu Beginn

Auf der Kalenborner Höhe stellen nämlich Gabi und Alexander Zimmermann bis heute ihr Hotel für Helfer zur Verfügung. „Wie lange das noch geht, wissen sie nicht, denn auch sie bekommen nichts für ihre Unterstützung.“ Stattdessen haben die Eheleute drei Tiny Houses auf ihrem Grundstück aufgebaut. 15 Helfer haben bei Schnee und Kälte dafür gesorgt, dass die Häuser an Strom, Gas und Wasser angeschlossen werden. Bis Weihnachten sollen dort Menschen in Not einziehen. „Alle sind über 65. Die fallen nämlich durch das Raster“, weiß Siber, die sich unentwegt darüber aufregt, dass so viel offizielle Hilfe untersagt bleibe. „Ich glaube fast, der Staat ruht sich aus, weil sich so viele Bürger engagiert haben.“

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Doch auch vor Ort gebe es nicht mehr so viele helfende Hände wie anfangs. „Vielleicht im Frühjahr wieder“, hofft die Frau, die potenziellen Unterstützern dazu rät, „einfach mal hinzufahren und Geld direkt jenen Gruppen auszuhändigen, die dort helfen“. Dass Weihnachten besonders schwer wird, weil viele Menschen die Katastrophe emotional noch nicht verdaut hätten, lastet Siber ebenfalls auf der Seele: „Sie können nur schwer allein sein und wollen immer wieder über das Geschehene sprechen.“

Das Spendenkonto der „Flutopferhilfe aus’m Ländle“ bei der Volksbank Ludwigsburg:
Flutopferhilfe aus’m Ländle
DE38 6049 1430 0144 8600 07
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