Diese Schranktür ist zum Ablageort für Möbelholz unterwegs. Foto: avant

Auf dem Recyclinghof Bottwartal endet das profane Leben vieler Gegenstände? Keineswegs. Die Besucher des Sammelplatzes in Steinheim helfen kräftig mit bei der Wiederverwertung wertvoller Rohstoffe.

Steinheim - Für Vivien ist es eine Premiere. „Sonst macht das immer mein Papa“, schildert die junge Frau die bisherige clevere interfamiliäre Lösung für das Entsorgen im Haushalt anfallenden Abfalls, der dort stört, nach dem Buchstaben des Verwertungsgesetzes aber nicht wertlos ist. Vivien lädt gerade Papier und Holz aus ihrem Kofferraum.

Es ist früher Samstagmorgen an einem Ort, den man auch Friedhof der Zivilisationsgesellschaft nennen könnte. Der Wertstoffhof Bottwartal in Steinheim ist Endstation für vieles, was einst hoffnungsvoll begann. Hier endet das Leben früher heiß begehrter Produkte wie Fernseher, Möbel oder anderer elektronischer Geräte. Andere Wertstoffe hauchen hier zwar ihr ersten Leben aus. Doch wie in einer Art Wiederauferstehung starten von hier viele Wertstoffe in ihr zweites Leben. Dazu zählen Papier, Kartonagen oder Metall. Recycling nennt man das.

Die Deutschen sind Müllsammelweltmeister

Die gute Nachricht dabei: Die Deutschen sind Müllsammelweltmeister. Die schlechte Nachricht: Jeder von uns erzeugt über 500 Kilogramm Abfallstoffe pro Jahr. Davon ist ein knappes Drittel Hausmüll. Und die Abfallmenge wächst jährlich. Besonders Verpackungsmaterial, Elektronikschrott und Biomüll nehmen zu. Mit der gesamten Menge liegen wir deutlich über dem EU-Schnitt.

Noch ist das Verwertungssystem im Kreis Ludwigsburg nahezu einmalig. Während anderswo – etwa im Kreis Böblingen – penibel in zig Abfallkategorien vorsortiert wird, gibt es hier nur die Fraktionen „flach & rund“ nebst dem Rest- und dem Biomüll. Damit ist nun am Jahresende Schluss. Vom Jahr 2022 an müssen mehr als eine halbe Million Menschen das Sammeln von Wertstoffen neu lernen: ein Kraftakt für alle – Bürger, Verwaltungen und Entsorgungskräfte. Die von der EU geforderten höheren Verwertungsquoten können nur noch mit dem neuen Sammelsystem erreicht werden.

Der Sohn zieht aus – und die Möbel auch

Dabei bietet der Landkreis mit dem Hol- und Bringsystem schon heute viel Service an, im Fachjargon Ludwigsburger System genannt. Zum Vergleich: Ein Gronauer fährt für seinen selbst und spontan abgelieferten Sperrmüll nur rund zehn Kilometer bis zum Wertstoffhof in Steinheim. Sein Nachbar in Wurfweite in Beilstein-Schmidhausen im Landkreis Heilbronn muss dafür zweieinhalb mal weiter – bis nach Eberstadt.

Dieses komfortable Angebot nutzten die Menschen im Kreis Ludwigsburg daher auch rege. Simone Schmid ist mit ihrem Mann aus Mundelsheim gekommen. Ihr großer Sohn ist ausgezogen. Jetzt endet mit diesem Lebensabschnitt auch das Leben seiner Möbel. Kissen und Schränke aus seinem Zimmer wandern in die jeweiligen Container.

„In letzter Zeit bin ich öfter hier, als mir lieb ist“

Christa Lutz kommt mit ihrem neunjährigen Sohn David. Heute liefern die beiden Verpackungsmaterial ab. Bianca Kostlitz dagegen kommt aus der Schillerstadt Marbach. „In letzter Zeit bin ich öfter hier, als mir lieb ist“, bedauert sie. Durch Aufräumen und Aussortieren falle mehr an.

Die angelieferten Mengen sind beeindruckend. „Pro Monat haben wir rund 34 Container ‚Flach‘“, rechnet die Betriebsleiterin Gabriele Schoof kurz vor. Hintereinander gereiht ergäben die riesigen Container damit eine Länge von fast einem Viertel Kilometer. Plötzlich sprintet Patrick Weller los. Ein Kunde hat einen Bildschirm in die falsche Box einsortiert. Der AVL-Mitarbeiter ist in seiner Freizeit Fitness- und Kraftsportler. Scheinbar mühelos stemmt er die schwere Last über den Hof und sortiert sie am richtigen Platz neu ein.

98 Prozent der Kunden sind zufrieden

Zwischendurch fragt jemand Hasan Dukellaj, wohin er die Altbatterien bringen soll. Der gelernte Einzelhandelskaufmann ist Mitarbeiter der Abfallverwertungsgesellschaft im Landkreis Ludwigsburg, kurz AVL genannt. Dukellaj gibt ihm freundlich Auskunft. Routiniert geht er auf unsichere Menschen zu, die ratlos vor einer der vielen riesigen Container stehen. Alles ist sorgfältig beschriftet. Doch was wohin gehört, überfordert in der Eile manchen Zeitgenossen. Nicht jeder der Mitbürger reagiert dann souverän oder gar entspannt. Oft dienen die Mitarbeiter der AVL in solchen Situationen als eine Art Blitzableiter. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn zu viel Müll extra kostet.

„Jeder Mensch hat eben seinen Charakter“, bezeichnen das die AVL-Mitarbeiter lapidar und reagieren routiniert. Aber es ist auch schon vorgekommen, dass zu ihrem Schutz die Polizei anrücken musste. Doch 98 Prozent der Kunden seien zufrieden. „Die Ich-Gesellschaft ist eben auch hier angekommen“, beschreibt das Andreas Ceczka. Im Dress der AVL steht er am Empfang und lotst die ankommenden Autofahrer. Der gerade gestoppte BMW-Fahrer erhält präzise Anweisungen, wo er sein Recyclinggut entsorgen kann. Mit dem neuen Jahr und im Übergang von „Flach & Rund“ zum neuen Verwertungssystem wird Ceczka mit hoher Wahrscheinlichkeit viel zu erklären haben.

Jeder Verbraucher leistet seinen Beitrag

„Auftrag. Zukunft“ steht auf den T-Shirts der AVL-Mitarbeiter. Schon heute leisten sie mit ihrer Aufgabe einen wichtigen Beitrag zur Wiederverwertung wertvoller Rohstoffe. Doch Rohstoffe verbrauchen Ressourcen, ihre Verarbeitung erzeugt den klimaschädlichen CO2-Ausstoß. Selbst das Recyceln erfordert hohen Energieeinsatz und damit schädliche Klimagase. Insofern trägt jeder Verbraucher, der weniger Abfall erzeugt, sprich: weniger konsumiert, zu einem wirksamen Form von Klimaschutz bei.