Jan Trost hat sich in gewohnter Manier kurz vor dem Jahreswechsel viel Zeit genommen, um mit der Redaktion über die Dinge zu sprechen, die Marbach bewegen. Foto: Werner Kuhnle

Wie soll sich Marbach weiterentwickeln? Der Bürgermeister Jan Trost erläutert im Redaktionsgespräch die Leitlinien. Wichtig ist ihm vor allem eine attraktive Fußgängerzone.

Marbach - Ob Entwicklung der Innenstadt, Debatte um die Zukunft des Krankenhausgeländes oder Schaffung neuer Betreuungsplätze: Der Marbacher Bürgermeister Jan Trost hat in diesem Jahr eine Menge an Themen mit seiner Mannschaft beackern und diskutieren müssen. 2020 geht es gerade so weiter. Dann stehen einige wegweisende Entscheidungen an. Und bei einem Thema könnte sich eine unerwartete Wendung ergeben, wie er im Interview erklärt.

2019 ist fast schon wieder Vergangenheit. Welches Ereignis hat Sie im Rückblick am meisten gefreut und worüber haben Sie sich am meisten geärgert?

Fangen wir mit Letzterem an. Am meisten geärgert hat mich, dass es immer noch keine Planungssicherheit beim Gesundheitscampus gibt und Landrat Rainer Haas der Stadt, wie zuletzt in der Kreistagssitzung, den „Schwarzen Peter“ zuschiebt. Das ist für uns als Stadt, aber auch für die dort praktizierenden Ärzte, Beschäftigten und Patienten unbefriedigend. Es stehen immer wieder neue Ideen im Raum, doch es fehlt ein klarer Aufsichtsratsbeschluss, mit welchen Bausteinen der Standort Marbach definitiv bestückt werden soll. Wir hoffen, dass, wie angekündigt, im März 2020 eine Entscheidung fällt.

Es geht also in erster Linie darum, Klarheit zu schaffen.

Das ist der eine Punkt. Was dann auf dem Gelände an medizinischen Einrichtungen angesiedelt wird, ist natürlich ebenfalls wichtig. Aktuell ist ein zweites Ärztehaus mit auf jeden Fall ambulantem Operieren geplant, das wohl auch ziemlich sicher darüber hinaus qualitativ gut besetzt werden kann. Dazu sollen eine private psychosomatische Klinik kommen und Einrichtungen, die den Bereich Pflege und Wohnen im Alter abdecken. Es wäre schön, wenn diese Überlegungen nun auch fix gemacht würden.

Sind Sie in der Angelegenheit schon beim künftigen Landrat Dietmar Allgaier vorstellig geworden?

Ja. Vertreter aller Fraktionen und ich hatten noch vor Weihnachten ein konstruktives Gespräch mit ihm, in dem wir unsere Vorstellungen ausgetauscht haben. Herrn Allgaier ist sehr daran gelegen, dass eine abschließende Lösung für den Gesundheitscampus Marbach gefunden wird. Daran werden wir in den nächsten Monaten eng mit ihm zusammenarbeiten.

Und was hat Sie am meisten gefreut?

Am meisten gefreut hat mich, dass es Sandra Richter, der neuen Direktorin der Marbacher Literaturmuseen, gelungen ist, die seit langem erhofften Planungsmittel für den Ausbau der Einrichtungen auf der Schillerhöhe zu erhalten. Der Bund hat sich bereit erklärt, dafür 2,5 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

Warum ist das so elementar?

Die Situation ist sehr ernst auf der Schillerhöhe. Die Raumkapazitäten sind erschöpft. Die Weiterentwicklung des Archivs ist gefährdet. Deshalb freut es mich ungemein, dass wir jetzt in die Planung für neue Archivräume einsteigen können. Außerdem soll ein digitales Forschungslabor geplant und umgesetzt werden.

Das dürfte auch für die Stadtentwicklung wichtig sein. . .

Absolut. Die Literatur-Einrichtungen ziehen etwa 80 000 bis 100 000 Menschen pro Jahr nach Marbach. Davon profitiert auch unsere Stadt insgesamt.

Noch mehr Besucher würden wahrscheinlich in die Schillerstadt pilgern, wenn man gemeinsam mit Benningen den Zuschlag für eine Gartenschau erhält.

Davon ist auszugehen, im Gartenschaujahr würde mit rund 500 000 Besuchern gerechnet. Auch da spielt wieder die Weiterentwicklung der Einrichtungen auf der Schillerhöhe eine Rolle. Im Rahmen der Gartenschau soll schließlich der seit 2007 konzipierte Kultur- und Literaturpark entstehen. Auf dem Gelände soll die Deutsche Schillergesellschaft ihre Pläne verwirklichen können. Aber auch wir haben in diesem Quartier einiges vor und möchten eine große innerörtliche „grüne Lunge“ als Antwort auf die Klimaveränderung und einen großen Spielplatz schaffen. Die Entscheidung über den Zuschlag zur Gartenschau wird im nächsten Sommer fallen.

Wenn Marbach und Benningen zum Zuge kommen, müssen Sie den Bürgern wahrscheinlich auch vermitteln, dass dadurch nicht auf Jahre alle Kräfte nur für dieses eine Ereignis gebündelt werden?

Die große Kunst wird sein, auch das laufende Geschäft zu bewerkstelligen. Wobei es Verknüpfungspunkte zwischen beidem gibt. Wir können ja geplante Großprojekte wie die Verlegung des Hallenbads und des Hermann-Mayer-Sportplatzes besser stemmen, weil wir im Zusammenhang mit der Gartenschau schneller und leichter an Zuschüsse kommen dürften. Zudem könnte man eine bessere Anbindung vom Neckar an die Altstadt erreichen. Das sind alles Vorhaben, die die Bevölkerung stark beschäftigen. Ein modernes Hallenbad wäre wünschenswert für alle Generationen.

Gewünscht wird auch, speziell von den Geschäftsleuten, ein Citymanager. Wo könnte er helfen?

Er könnte sich zum Beispiel um die Harmonisierung der Öffnungszeiten bemühen, aber auch um das Leerstandsmanagement kümmern und gemeinsame Aktionen in der Innenstadt initiieren. Der Innenstadtkümmerer soll aber auch Ideen liefern, die helfen, die schwierige Zeit während des Umbaus der Fußgängerzone zu überbrücken. Da werden die Umsätze sicher nach unten gehen. Unabhängig von der Frage, ob ein Innenstadtkümmerer angestellt wird oder nicht, wird die Aufwertung der Fußgängerzone aber zu den wichtigsten Themen 2020 gehören.

Ein Thema, das schon ziemlich lange auf der Agenda steht.

Das ist richtig. Ziel ist, im Verbund mit Einzelhändlern, Bevölkerung und Anwohnern eine Lösung für eine attraktive Fußgängerzone zu finden. Eine Fußgängerzone, in der man sich gerne aufhält, sitzt, miteinander reden und etwas essen kann. Dazu gehört auch eine stärkere Begrünung, wenn man eine angenehme Aufenthaltsatmosphäre schaffen will, gerade in Zeiten des Klimawandels. Die Frage wird zudem sein, ob man den Marktbrunnen an der jetzigen Stelle belässt oder nicht. 2021 sollen die Bauarbeiten in der Marktstraße starten.

Das Jahr, in dem auch der Marbacher Bürgermeister gewählt wird. Sie hatten angekündigt, wieder Ihren Hut in den Ring zu werfen. Bleibt es dabei?

Ja, dabei bleibt es.

Trotzdem gibt es auf dem Rathaus einen größeren Umbruch. Der Erste Beigeordnete Gerhard Heim wurde ja schon verabschiedet, Hauptamtsleiter Thomas Storkenmaier geht ebenfalls bald in den Ruhestand.

Solche Situationen sind nie einfach. Gerade im Führungsbereich. Da muss sich erstmal wieder alles einspielen. In der Stadtkämmerei sind zuletzt gleich drei erfahrene Kräfte ausgeschieden, aber mit Franziska Wunschik haben wir eine kompetente Nachfolgerin für Gerhard Heim gefunden. Und ja, auch Thomas Storkenmaier wird im Mai 2020 in den Ruhestand gehen. Aber sein Nachfolger steht mit Jürgen Sack schon fest, der derzeit fürs Personal und die EDV verantwortlich zeichnet. Ich bin sehr froh, dass wir ihn für diese zentrale Stelle im Rathaus gewinnen konnten.

Werden Sie zusätzlich neues Personal einstellen? Im Gemeinderat klang unlängst an, dass die Verwaltung am Limit arbeite.

Wir sind in vielen Bereichen über dem Anschlag, speziell im Bauamt. Da müssen gerade viele Projekte betreut werden wie die Generalsanierung des Bildungszentrums, der Neubau des neuen Rathauses, die weiteren Planungen im Energie- und Technologiepark, die Spielplatzentwicklungskonzeption oder das Neubaugebiet Keltergrund in Rielingshausen. Wir haben darauf auch schon reagiert und im Bauamt eine Kraft zusätzlich eingestellt. Eine weitere Mitarbeiterin wird im Frühjahr 2020 kommen. Eine weitere Aufstockung ist allerdings nicht angedacht. Die Konjunktur trübt sich gerade ein. Auch wir müssen den Gürtel enger schnallen.

Ebenfalls im Bauamt ist das Thema Parkraum angesiedelt. Derzeit werden verschiedene Varianten für neue Parkhäuser diskutiert. Welche Option favorisieren Sie?

Jede Option hat ihren Charme. Wir sind uns aber, glaube ich, alle einig, dass es begrüßenswert wäre, wenn wir an der Stadtmauer eine schöne Eingangssituation schaffen könnten und der Kelterplatz frei von Autos wäre. Und das würde über eine Tiefgarage an der Grabenstraße gelingen. Insofern gefällt mir auf den ersten Blick diese Variante am besten. Allerdings muss das Ganze aber finanziell darstellbar und technisch machbar sein. Städtebaulich hochinteressant ist aber auch das Volksbank-Areal, auf dem zusätzlich Wohnraum geschaffen werden könnte.

Aus dem Bauamt kamen Bedenken auf wegen der Tiefgarage, weil im Rahmen der Arbeiten die Grabenstraße gesperrt werden müsste. Sehen Sie das auch als Problem?

Die Belastung für die Ausweichstraßen wird natürlich immens sein. Darüber muss man gar nicht diskutieren. Es ist aber auch nicht das erste Mal, dass eine für die Stadt sehr wichtige Straße nicht befahren werden kann. Vor vielen Jahren musste man die Schillerstraße/Bottwartalstraße komplett sperren. Dort hat man im Gegenzug eine tragfähige Lösung für die nächsten Jahrzehnte hinbekommen. Wenn das auch in der Grabenstraße so wäre, könnte man die verkehrstechnisch komplizierte Bauphase wohl eher verschmerzen. Fakt ist, dass eine Entscheidung zu den Parkplätzen im zweiten Halbjahr 2020 fallen soll.

Bis wann wird denn endgültig feststehen, ob das Neubaugebiet an der Affalterbacher Straße umgesetzt wird oder nicht? Zuletzt schien es mehr als ungewiss, dass Sie mit allen Bauträgern handelseinig werden.

Mittlerweile sind alle Bauträger, die Aktien in dem Areal haben, mit unseren Konditionen einverstanden. Heißt: Sie würden den von uns geforderten Anteil an bezahlbarem Wohnraum verwirklichen. Jetzt geht es nur noch um einen privaten Grundbesitzer, der ebenfalls mitziehen muss. In den ersten drei Monaten des nächsten Jahres wird klar sein, ob diese Partei auch noch einlenkt oder nicht.

Könnte man das Gebiet nicht so zuschneiden, dass man das fehlende Areal einfach herausnimmt?

Das wird nicht funktionieren, weil die betreffenden Flächen zu zentral liegen und zu groß sind.

Ebenfalls nicht ganz reibungslos läuft es beim Thema Kinderbetreuung. Vor allem in Rielingshausen hat sich Unmut aufgestaut, weil die Kapazitäten erschöpft sind. Hat die Verwaltung hier unglücklich agiert oder sich etwas vorzuwerfen?

Wir haben schon 2018 erkannt, dass wir mit einem Anbau im Kindergarten Im Gässle in Rielingshausen und einem neuen Kinderhaus in der Marbacher Kernerstraße reagieren müssen. Wir wurden bei der Umsetzung aber um ein halbes Jahr zurückgeworfen, weil die Firmen wegen der sehr guten konjunkturellen Lage kaum Planungskapazitäten freihatten. Wären die Einrichtungen, wie ursprünglich geplant, schon in diesem Winter in Betrieb gegangen, wäre der Unmut vermutlich gar nicht erst entstanden. Wobei wir in Marbach trotzdem weitestgehend alle Wünsche der Eltern erfüllen konnten. In Rielingshausen haben wir ein Provisorium aufstellen lassen. Plätze sind also ausreichend da. Der Knackpunkt sind in Rielingshausen die Betreuungszeiten. Dies hat die Elternumfrage ganz klar gezeigt. Daran werden wir zusammen mit der evangelischen Kirche arbeiten. Die größte Schwierigkeit dabei ist sicher, zusätzliches Personal zu finden, der Arbeitsmarkt ist leergefegt, alle Kommunen suchen händeringend nach Erzieherinnen.

Gedanken müssen Sie sich in Rielingshausen auch über die Sicherung der Gesundheitsversorgung machen.

Das Thema wird kommen. Die Hausärztin am Ort wird früher oder später in den Ruhestand gehen. Und gerade in kleineren Gemeinden ist es schwer, Mediziner von einem Engagement zu überzeugen. Aber die Problematik wird uns auch in Marbach beschäftigen. Hier sind viele Ärzte ebenfalls 60 Jahre oder älter. Vielleicht könnte das Modell aus Oberriexingen für Rielingshausen beispielhaft werden, wo die Stadt Räumlichkeiten in einem Mehrfamilienhaus gekauft hat und diese nun an einen Arzt vermietet. Auf dem Areal des Marbacher Immobiliendienstes in der Güntterstraße ist ebenfalls ein modernes Ärztehaus denkbar.

Wenn das Beispiel Schule machen sollte, kann es sicher nicht schaden, wenn sich das Gewerbe gut entwickelt und die Steuern entsprechend sprudeln. Wie sieht es in der Hinsicht aus?

Die EnBW wird wie angekündigt ein Netzstabilitätskraftwerk in Marbach für mehr als 100 Millionen Euro bauen. Die Vorarbeiten laufen schon. Wenn die Anlage bis spätestens Herbst 2022 den Betrieb aufnimmt, wird sich das auch positiv auf die Gewerbesteuer auswirken. Zudem siedelt sich das Unternehmen Jetter AG im Energie- und Technologiepark an, eine sehr hochwertige, profitable Firma.