Daniel Renz setzt sich mit der AfD auseinander. Foto: Oliver von Schaewen

Der Murrer Pfarrer Daniel Renz setzt sich mit der Partei AfD auseinander. Er zeigt in Facebook-Foren Präsenz und hinterfragt dabei den Politikstil der Neuen Rechten.

Murr - Soziale Medien gehören heutzutage zu den Kanälen, die auch von Pfarrern bespielt werden. Da macht auch Daniel Renz keine Ausnahme. Der evangelische Pfarrer der 6700-Einwohner-Gemeinde Murr unterhält eine eigene Facebook-Seite, und er mischt sich zuweilen auch unter Menschen, die sich auf ganz anderen Seiten tummeln. Und so interessiert ihn auch, was die Alternative für Deutschland (AfD) zu sagen hat.

Der Pfarrer, der meistens schon um 5  Uhr morgens am Schreibtisch sitzt, weil er dann die meiste Ruhe zum Arbeiten hat, will nicht allzu viel Zeit in die sozialen Medien stecken – „ich habe kein fertiges Konzept, ich möchte die AfD auch nicht bekämpfen, halte aber manches von der Partei für zu pauschal – dann reagiere ich gelegentlich mittags mal mit einem Post, wenn mir etwas auffällt“.

Das fordert den Gemeindepfarrer, der auch als Rundfunkmitarbeiter und Notfallseelsorger arbeitet, heraus. „Wenn ein Björn Höcke in seinem Buch von ,Remigration’ aller nicht integrierbarer Migranten redet, muss man ihn fragen, wie er sich das vorstellt – denkt er dann an die Abschiebung ganzer Bevölkerungsteile, egal ob die Menschen schon einen deutschen Pass haben oder nicht? Und wer entscheidet, ob jemand wie integriert ist? Da sei, so Renz, Willkür möglicherweise Tür und Tor geöffnet, und es sei zu befürchten, dass er mit seinem ,groß angelegten Remigrationsprojekt’ gedanklich sehr nahe an Deportationen heranreiche, sagt Renz im Gespräch mit dieser Zeitung.

Mit seinen Facebook-Beiträgen unternehme er den Versuch, aus seiner eigenen Blase herauszutreten und in einen Dialog mit Befürwortern und Gegnern der AfD-Botschaften zu treten, berichtet Daniel Renz. „Alles andere wäre auch Quatsch, denn reines AfD-Bashing führt zu nichts, weil die Partei die Opferrolle nur allzu bereitwillig annimmt und sie die von ihr kritisierten sogenannten Eliten angreift“, sagt Renz, der durchaus versteht, dass Teile der Bevölkerung die Politik der anderen Parteien als defizitär empfinden. Es bleibe bei ihm jedoch ein Unbehagen an der Art und Weise, wie die AfD sich artikuliere. „Wenn etwa ein Herr Meuthen auf Facebook immer wieder die Phrase ,Morgen ist Merkel weg’ drischt, wirk er auf mich wie ein Endzeitprophet, der nach dem Abgang der Kanzlerin sagen wird, er habe immer recht gehabt.“

Mittlerweile hat sich Daniel Renz gründlicher mit dem Phänomen der Neuen Rechten beschäftigt und das Buch „Die Angstmacher“ von Thomas Wagner gelesen. „Es schlägt einem in den Statements viel Freudlosigkeit entgegen, es wird Panik vor einem nahen Untergang unserer Gesellschaft und des christlichen Abendlandes verbreitet – dabei ist Panik selten ein guter Ratgeber“, sagt Renz, der übrigens eine ähnliche Tendenz bei den Aktivisten gegen den Klimawandel erkennt, aber bei den Friday’s-for-Future-Anhängern eine größere Offenheit, vor allem für eine globale Zusammenarbeit, erkennt. „Bei der AfD ist dagegen viel von ‚Abgrenzung’ und ‚Heimat schaffen’ die Rede – die Verbindung mit Trump und dessen Republikanern in den USA verrate ein autoritäres Menschenbild. Ob sich die Botschaft der AfD mit der christlichen frohen Botschaft vereinbaren lässt? Von Daniel Renz kommt ein klares Nein, auch wenn er Parteianhängern nicht grundsätzlich eine christliche Gesinnung abspricht. Allerdings gebe es innerhalb der AfD ein Bündnis von Christen, die er floskelhaft eine „unfassbar schlechte Theologie“ verbreiten sehe, die das christliche Abendland quasi als gottgewollt heroisiere und ausblende, dass es etwa in Afrika eine Unterdrückungsgeschichte durch europäische Mächte gegeben habe, durch die viele Probleme entstanden seien. Grundsätzlich stelle sich bei der AfD die Frage der geistigen Haltung, findet der Pfarrer: „Die Angst zu kurz zu kommen, die aus vielen Beiträgen spricht, ist Jesus fremd.“ Es verblüffe ihn, wie wenig dankbar auch AfD-nahe Menschen im Umfeld seiner Kirchengemeinde seien, die objektiv zu den zehn Prozent derer in der Weltbevölkerung zählten, die als reich angesehen werden müssten.“ Aus dem Parteiprogramm der AfD gehe nicht hervor, dass sie sich für Arbeitnehmerrechte einsetzen wolle. „Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger sollen in Arbeitsdienste eingegliedert werden“, weiß Renz, der aber in seinen Predigten bewusst darauf verzichtet, politisch zu werden. „Es geht mir darum, dass Christen von innen heraus eine Kraft erleben, die sie offen bleiben lässt.“