Es gab immer wieder etwas zu lachen beim vierten MZ-Talk am Dienstagabend. Foto: Julia Spors

Beim vierten virtuellen MZ-Talk am Dienstagabend ging es ums Reisen, die Öffnung beziehungsweise weitere Schließung der Freibäder und um die Frage, wie Corona das Leben nach der Pandemie beeinflussen wird.

Marbach - Mit Franz Untersteller, dem Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden Württemberg, und Marcus Niehaves, Chef und Moderator der ZDF-Sendung WISO, ist der MZ-Talk so prominent besetzt gewesen wie nie. Das versprach hochklassige Unterhaltung – und die bekamen die Zuschauer am Dienstagabend auch durchweg geboten. Denn: Alle Gäste, auch Steinheims Bürgermeister Thomas Winterhalter und Reisebüro-Inhaber Peter Rode, wussten zu überzeugen und plauderten mehr als eine Stunde lang munter aus dem Nähkästchen – über allerlei Themen.

Franz Untersteller auf die Frage, wie sich sein Alltag durch Corona verändert hat:
Der Minister, zugeschaltet von zu Hause, verriet, dass Corona seinen Alltag ordentlich durcheinander gebracht hat. „Da geht es mir nicht anders als vielen anderen. Ich bin voll aus dem Vollprogramm rausgerissen worden. Es gab keine Außentermine mehr, ich war kaum noch im Ministerium, sondern Home Office wurde zum Maß aller Dinge, und plötzlich lernt man, mit digitalen Konferenzen umzugehen.“ Sein großer Vorteil: „Ich hatte etwas Glück im Gegensatz zu anderen Kollegen, denn im letzten Jahr war die Frage: Wer fängt an mit dem Arbeitsplatz 2025? Da fiel das Los auf mein Ministerium, obwohl ich keine Lust darauf hatte.“ Heißt: Die Umstellung auf Notebooks war bereits vollzogen, als es ernst wurde. „Seit März ist kaum mehr jemand da, alle 450 Mitarbeiter haben von zu Hause aus gearbeitet. Seitdem laufen Dinge, von denen ich nicht wusste, dass es sie gibt und von denen man nur träumen konnte. Deshalb sage ich auch jetzt schon: Wenn Corona hoffentlich bald rum ist, werden wir das nicht alles wieder aufgeben.“ Denn: „Ich sehe nicht mehr ein, dass ich für eine Frühkonferenz mit dem engsten Kreis unbedingt ins Ministerium muss. Manches läuft inzwischen sogar effizienter. Man muss auch nicht unbedingt zu jeder Konferenz mit Kollegen nach Berlin fliegen. Ich kann so etwas zukünftig auch hin und wieder als Videokonferenz machen.“

Marcus Niehaves, in Marbach aufgewachsen und zur Schule gegangen, wird nach zig ZDF-Sondersendungen zu Corona liebevoll schon von vielen als „Mr. Corona“ betitelt. Doch wie waren die vergangenen Wochen für ihn privat? Spannend oder sehr belastend, fragte Moderatorin Karin Götz:
„Eine Mischung aus beidem“, erklärte er. Er habe die Zeit als eine mit mehreren Phasen in Erinnerungen. „Am Anfang war alles sehr unwirklich, aber auch spannend und aufregend, was da jetzt alles so auf einen zukommt. In der zweiten Phase hatte ich das Gefühl, dass viele verstanden haben, wie bedrohlich das Ganze doch ist, und die dritte Phase war so ein bisschen, dass man angenervt war. Ich habe noch genau in Erinnerung, als die Nachricht kam: Vor dem 1. August werden die Kitas nicht öffnen und der Sommerurlaub wird wahrscheinlich auch nicht stattfinden können. Da waren wir zu Hause stimmungsmäßig am Boden.“ Das habe sich inzwischen aber wieder geändert. Der Camping-Urlaub in den Niederlanden sei gebucht und die Lage so entspannt, dass man „sich manchmal schon dabei ertappt, dass man denkt, es sei alles überstanden“.

Als Journalist sei er noch nie so nah an einem Thema dran gewesen wie an diesem. „Das hat alles auf den Kopf gestellt. Auch die Arbeitsabläufe im ZDF wurden vom einen auf den anderen Tag digitalisiert. Ich bin total überrascht, wie gut das funktioniert. Davon werden auch wir später – wie Franz Untersteller schon sagte – nicht alles wieder hergeben wollen.“

Eine Frage, die sich durch den kompletten Talk zog, war die, ob die Freibäder in Oberstenfeld und Steinheim wieder öffnen. Denn zeitgleich zum Talk wurde in den Rathäusern getagt:
Kaum war Steinheims Bürgermeister Thomas Winterhalter bei diesem Thema am Zug, konnte er live auch schon die frohe Nachricht zum Wellarium verkünden: „Ich habe gerade von meinem Beigeordneten eine WhatsApp bekommen: Wir werden das Bad aufmachen.“ Anschließend stellte er sofort die Detailplanungen inklusive der Eintrittspreise vor (siehe auch Bericht auf Seite I). Für ihn sei die Freibad-Öffnung eine „gewisse gesellschaftliche Verpflichtung. Auch wenn es natürlich immer ums Geld geht. Das Freibad wird immer ein ordentliches Zuschussgeschäft bleiben.“ Moderatorin Karin Götz konterte mit WhatsApp-Nachrichten von einer Kollegin, die aus Oberstenfeld und Beilstein berichtete, wo es um das Mineralfreibad Oberes Bottwartal ging. Hier war die Lage nicht so eindeutig wie in Steinheim und Murr, weshalb die endgültige Entscheidung erst nach Talk-Ende im Zweckverband fiel. Das Ergebnis: Das Bad bleibt zu. Die Trauerbekundungen in der internen WhatsApp-Gruppe ließen nicht lange auf sich warten.

Wie wichtig sind denn geöffnete Freibäder für Familien, wollte Karin Götz von Papa Marcus Niehaves wissen:
„Wenn Sie meinen Sohn fragen würden, wäre es für ihn das wichtigste Thema überhaupt. Er hat schon mehrfach gesagt, er muss jetzt unbedingt ins Freibad gehen“, berichtete der ZDF-Moderator schmunzelnd. Ernst ergänzte er: „Ich bin ehrlich gesagt beeindruckt davon, mit welcher Ernsthaftigkeit und welchem Aufwand solche Maßnahmen umgesetzt werden. Für Politiker ist es ja auch eine Gratwanderung, diesen Weg zu gehen. Sie müssen die Bevölkerung beschützen, zugleich aber auch aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt.“ Alles in allem glaubt er, dass die Leute die Beschränkungen in der aktuellen Lage ohne Murren annehmen werden. „Das Wichtigste sind doch wahrscheinlich eh die Pommes am Kiosk“, so Niehaves. Und da konnte Thomas Winterhalter lachend Entwarnung geben. „Der Pächter hat gesagt, dass er sich einen Rumpfbetrieb vorstellen kann.“

Zum Thema Ernsthaftigkeit in der Politik hakte Franz Untersteller noch einmal ein:
Bei einem morgendlichen Blick in seine Zeitung habe er gesehen, dass es „aktuell in Baden-Württemberg 29 Neuinfizierte bei einer Bevölkerung von 11 Millionen gibt. Das heißt: Maßnahmen, die wir den Leuten in den vergangenen Monaten zugemutet haben – und da waren ja Zumutungen dabei –, offensichtlich einen Nutzen hatten.“ Auch das Runterfahren des Lebens und von Institutionen sei in seinen Augen richtig gewesen. Denn: „Eigentlich waren wir recht erfolgreich mit dem, was wir gemacht haben. Das Erkennen vermisse ich manchmal bei einigen Menschen. Was passiert, wenn man die Maßnahmen nicht über sich ergehen lässt, das kann man in den USA oder aktuell noch mehr in Brasilien sehen“, meinte er und fügte an: „Ich bin ein bisschen stolz drauf, wie wir das hier in Deutschland gemanagt haben – abseits jeglicher Partei oder jedes Parteidenkens. Wir haben schon ein paar Dinge richtig gemacht und es geht jetzt darum, Stück für Stück wieder rauszukommen.“

Rauskommen – auch aus den eigenen vier Wänden – also Verreisen, ist eines der brisantesten Themen derzeit. Nicht viel zu lachen hatte in den vergangenen Wochen und Monate diesbezüglich Peter Rode, der Inhaber von zwei Reisebüros in Steinheim und Beilstein. Er schilderte die Lage in der Tourismusbranche:
„Ein paar Gesunde werden die Krise überleben. Wenn die Politik uns hilft, werden es ein paar mehr sein. Hilft die Politik uns nicht, wird es ein Reisebüro-Sterben geben“, sagt er und fordert: „Die kleinen Reisebüros brauchen einen Ausgleich für das, was verloren geht. Um es mal in Zahlen zu nennen: In einem Laden wie unseren in Beilstein und Steinheim sind das etwa 300 000 Euro – und zwar nicht weniger Einnahmen, sondern Verlust.“ Rode geht aber davon aus, „dass man uns nicht hocken lässt, denn es konnte ja keiner was dafür. Was mir nur manchmal fehlt, ist etwas Verständnis von den Gästen.“ Franz Untersteller wünscht der Reisebranche, „dass es jetzt langsam wieder aufwärts geht. Was man da hört aus der Branche, ist nicht mehr lustig.“

Mit dem Ferienflieger jetzt nach Malle – ohne Abstand? Die Antworten von Peter Rode und Franz Untersteller:
„Ja, warum auch nicht? Ich wollte sogar am Montagmorgen fliegen, doch der Flieger wurde gestrichen. Das Fliegen ist unbedenklich. Alle drei Minuten wird die Luft ausgetauscht, da ist sie besser als im Operationssaal. Da hab ich einmal gelegen – und ich bin wieder aufgewacht“, meinte Peter Rode mit trockenem Humor. Minister Franz Untersteller blies in ein ähnliches Horn: „Ich bin kein Mediziner oder Virologe, aber sagen wir mal so: Wenn mir jemand sagen würde, ich muss die nächsten Tage geschäftlich irgendwohin fliegen, dann würde ich das auch machen. Wenn es hochgefährlich wäre, gehe ich davon aus, dass die Drostens dieser Welt uns entsprechend warnen würden.“

Urlaub in Deutschland oder doch lieber ab ins Ausland?
„Die saisonale Preise in Deutschland sind enorm, deshalb werden wir die Lage haben, dass nicht alle Menschen in Urlaub gehen können, da sie es sich schlichtweg nicht leisten können“, ist Reiseprofi Peter Rode überzeugt. Er selbst wird in diesem Jahr eine Flusskreuzfahrt machen, in Passau geht es auf die Donau. „Die deutschen Flüsse, etwas Schöneres gibt es nicht“, meint er. Er preist Deutschland zwar an, warnt aber: „Man muss damit rechnen, dass es nicht mehr alles gibt, was man möchte. Vor allem Häuser sind so gut wie ausgebucht.“ Nach Sardinien wollte Franz Untersteller in diesem Jahr in den Pfingstferien eigentlich fliegen, gelandet ist er schließlich im Saarland – „dort, wo ich ursprünglich herstamme. Zum ersten Mal habe ich da Urlaub gemacht. Ich habe zu meiner Frau schon ewig gesagt, ich zeige ihr mal die Saarschleife. Nach 34 Jahren Ehe ist das jetzt geglückt – so gesehen hat Corona auch was für sich gehabt.“

Marcus Niehaves auf die Frage, welche Bedeutung Covid-19 aktuell noch für unser Leben hat:
„Ich glaube, dass den Leuten schon bewusst ist, was für eine Gefahr auch weiterhin besteht. Aber man hofft, dass man endlich einen Haken setzen kann. Ich denke, dass doch die Mehrheit auf diesen Impfstoff wartet und hofft, dass dieser dann funktioniert“, so der Moderator.

Was wird bleiben aus dieser Zeit?
Bei dieser Frage waren sich die Talk-Gäste nicht so ganz einig. „Viel“, meinte Franz Untersteller und führte alles Regionale an. „Man hat, glaube ich, in den vergangenen Monaten manches wieder schätzen gelernt, was man für selbstverständlich gehalten hat“, so der Minister „Wenig“, meinten indes Marcus Niehaves und Thomas Winterhalter. Niehaves gab zu: „Ich merke jetzt schon, dass dieses Schnelllebige zurück ist, und ich glaube auch, dass dieses bewusste Leben und bewusste Einkaufen nicht mehr so stattfinden wird wie jetzt.“ Thomas Winterhalter fügte an: „Sobald wir in unserem Hamsterrad wieder angekommen sind und das Tempo und der Druck wieder höher werden, werden wir wieder in alte Muster zurückfallen. Ich hoffe aber, dass wir uns aus der Krise einige Dinge erhalten können.“ Auch Marcus Niehaves sieht Chancen. „Ich will ja nicht allzu pessimistisch rüberkommen. Viele Unternehmen und Schulen haben in der Krise gesehen, dass diejenigen einen Vorteil hatten, die in der Digitalisierung schon fortgeschritten waren. Wenn der Nutzen sichtbar ist, wird was hängen bleiben. Und vielleicht ist das genau der Impuls, den wir gebraucht haben.“

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