Woche für Woche wird auf den Straßen protestiert. Foto: Archiv (dpa)

Covid-19 ist ein gefährliches Virus. Gefährlich für unsere Gesundheit, aber – wie sich von Tag zu Tag mehr zeigt – auch brandgefährlich für unser Miteinander.

Marbach - Was wäre das schlimmste Szenario, das er sich fürs Jahr 2020 vorstellen könnte, wurde der grüne Landtagsabgeordnete Daniel Renkonen am Dienstag bei unserem ersten virtuellen MZ-Talk von einer Zuschauerin gefragt. Eine berechtigte Frage, auf die es viele, ganz individuelle Antworten gibt. Eine zweite Infektionswelle und als Folge ein verschärfter Lockdown, war die des Politikers. Davor fürchten sich viele. Auch ich. Und doch treibt mich seit ein paar Wochen etwas anderes mindestens genauso um: Covid-19 ist ein gefährliches Virus. Gefährlich für unsere Gesundheit, aber – wie sich von Tag zu Tag mehr zeigt – auch brandgefährlich für unser Miteinander. Es spaltet unsere Gesellschaft. Der Ton wird rauer, die Fronten verhärten, die Gräben werden tiefer. Auf der einen Seite diejenigen, die den Weg der Politik mitgehen und als alternativlos erachten. Auf der anderen Seite diejenigen, die auf der Straße gegen ihn protestieren. Die einen blindgläubig und naiv? Die anderen wachsam und kritisch? Nein, diese Formel ist nicht nur zu einfach, sondern auch falsch.

Dass es Menschen gibt, die unterschiedliche Meinungen vertreten, ist gut und wichtig. Dass Menschen die Politik kritisch hinterfragen, ist gut und wichtig. Davon lebt und profitiert unsere plurale Gesellschaft. Doch die Wut, die sich derzeit auf der Straße und in den sozialen Netzwerken ihren Weg bahnt, macht mir Angst. Sie ist maßlos und in weiten Teilen auch blind. Politiker werden beleidigt, Journalisten beschimpft und attackiert. Der Respekt vor dem anderen wird mit Füßen, nein mit Worten getreten. Nicht von allen. Keine Frage. Aber von vielen. Von zu vielen. Eine Stimmung macht sich breit, die den Häschern von rechts wie von links in die Hände spielt. Und so braut sich von Woche zu Woche ein immer gefährlicheres Gemisch zusammen.

Ich persönlich habe begonnen, Konsequenzen zu ziehen. Auf meinem privaten Facebook-Account habe ich die Verbindung zu Menschen gekappt, die mir durch Covid-19 fremd geworden sind und deren Gedankenwelt mich zunehmend belastet. Menschen, die nicht zum Austausch unterschiedlicher Argumente bereit waren, ohne den anderen zu beleidigen. Menschen, die für sich in Anspruch nehmen, kritisch zu sein, aber ohne jeglichen Respekt die Arbeit ganzer Berufsgruppen in Frage stellen und mit Dreck bewerfen. Die den so genannten Mainstreammedien vorwerfen, tendenziös zu berichten, gleichzeitig aber einem Aktivisten wie Ken Jebsen folgen, der mit Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien arbeitet.

Was führt uns aus dieser Spaltung? Zuhören, miteinander reden und den anderen respektieren. Eigentlich Selbstverständlichkeiten, die aber mehr denn je auf der Strecke bleiben. Und das ist brandgefährlich.