Im Herbst und Winter steigt das Infektionsrisiko. Welche Rolle spielt die Variante BQ.1.1? Foto: dpa/Patrick Pleul

Der Omikron-Ableger BQ.1.1 dürfte schon bald das Infektionsgeschehen dominieren. Was das für den Fortgang der Corona-Pandemie im Herbst und Winter bedeutet.

Auch in Deutschland breitet sich eine neue Variante von Sars-CoV2 aus, die den Spitznamen Cerberus trägt – nach dem Höllenhund aus der griechischen Mythologie. Wir beantworten wichtige Fragen dazu.

Wie häufig ist BQ.1.1?

Das Robert Koch-Institut (RKI) bezifferte den Anteil der Variante in Deutschland zuletzt auf acht Prozent der Corona-Neuinfektionen. Binnen vier Wochen hat sich der Anteil demnach vervierfacht. Allerdings gibt es bei der Erfassung einen Zeitrückstand von rund drei Wochen, so dass die tatsächliche Verbreitung von BQ.1.1 bereits bei 20 oder mehr Prozent liegen könnte. Die Europäische Seuchenbehörde ECDC geht davon aus, dass BQ.1.1 und die Schwestervariante BQ.1 um die Jahreswende zusammen mehr als 80 Prozent der Neuinfektionen in Europa verursachen werden.

Wodurch zeichnet sich die Variante aus?

Es handelt sich um einen weiteren Untertyp der Omikron-Variante, der aus dem seit Juni dominierenden Untertyp BA.5 hervorgegangen ist. Gegenüber BA.5 zeichnen sich BQ.1.1 sowie der verwandte Untertyp BQ.1 durch drei zusätzliche Veränderungen am Spike-Protein aus, mit dessen Hilfe das Virus in menschliche Zellen eindringt.

Ein verändertes Spike-Protein kann dazu führen, dass Antikörper, die aus einer natürlichen Infektion mit oder einer Impfung gegen frühere Varianten stammen, die Viren nicht mehr so gut erkennen und neutralisieren können. Laboruntersuchungen deuten darauf hin, dass dies bei BQ.1.1 der Fall ist. Es handelt sich also um eine weitere so genannte Immunflucht-Variante.

Wie gefährlich ist BQ.1.1?

Nach derzeitigem Stand scheint der Spitzname Cerberus, der sich vom dreiköpfigen Höllenhund in der griechischen Mythologie ableitet, reichlich übertrieben. Die meisten Experten gehen bis jetzt davon aus, dass die Untervariante nicht zu schwereren Verläufen führt als BA.5 und andere Omikron-Subtypen. Dafür sprechen auch Erfahrungen aus Frankreich und Dänemark, wo BQ.1.1 bereits häufiger vorkommt als hierzulande, ohne dass die Krankheitslast deutlich gestiegen wäre.

Bis jetzt wird BQ.1.1 noch nicht als besorgniserregende Variante eingestuft, sondern lediglich als Variante unter Beobachtung. Allerdings sei die Datenlage zur Schwere der Krankheitsverläufe insgesamt noch begrenzt, schränkt die ECDC ein.

Wie gut wirken Impfstoffe gegen BQ.1.1

„Auch wenn BQ.1.1 eine gewisse Immunflucht hat, es kann der Immunität nie ganz entkommen“, sagt der Immunologe Carsten Watzl. Denn an der körpereigenen Abwehr sind neben den Antikörpern auch sogenannte T-Zellen beteiligt, die einen breiteren Schutz gegen unterschiedliche Varianten bieten. Mediziner gehen daher davon aus, dass bisherige Impfungen oder Infektionen mit früheren Varianten auch bei BQ.1.1 das Risiko schwerer Erkrankungen spürbar senken.

Aktuelle Studien deuten zudem darauf hin, dass sich der Schutz durch Booster-Impfungen mit den an die Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 angepassten mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna weiter steigern lässt. Hier wirkt sich positiv aus, dass BQ.1.1 und BQ.1 relativ eng mit BA.5 verwandt sind.

Welche Folgen werden erwartet?

Bis jetzt wurde jede neue Corona-Welle durch die Verbreitung einer neuen Virusvariante ausgelöst, die gegenüber früheren Varianten einen Vorteil für den Erreger aufwies – etwa durch eine leichtere Übertragbarkeit, die Fähigkeit zur Immunflucht oder beides zusammen. Auch angesichts der Verbreitung von BQ.1.1 ist zu erwarten, dass die zuletzt etwas gesunkenen Infektionszahlen wieder ansteigen werden, zumal sich im Winter mehr Menschen in geschlossenen Räumen aufhalten.

Sollte es allerdings dabei bleiben, dass BQ.1.1 keine wesentlich schwereren Verläufe verursacht, gilt eine Überlastung des Gesundheitssystems als unwahrscheinlich. Klar ist nach den bisherigen Erfahrungen aber auch, dass BQ.1.1 nicht die letzte Virusvariante sein wird. Dazu ist das Coronavirus zu mutationsfreudig.