Die Freien Wähler mit Spitzenkandidat Hubertus Aiwanger werden von der Basis in den Kommunen kritisch gesehen. Foto: imago images/Stefan Zeitz

Die Partei mit dem Namen Freie Wähler will bei der Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde knacken. Der kommunal organisierte Landesverband grenzt sich ab.

Kreis Ludwigsburg - Kein Bürgermeister steht auf der Liste der Freien Wähler Baden-Württemberg für die Bundestagswahl am 29.  September. Das ist auch nicht möglich, denn den Rathauschefs ist es schlichtweg verboten zu kandidieren. Zu groß wäre der Interessenkonflikt, denkt auch der Landesverband der Freien Wähler, in dem die Ortsgruppen vereint sind. Der Verband liegt im Clinch mit der Partei der Freien Wähler, die erstmals bundesweit antritt.

Die neue Partei und der Landesverband sind sich derzeit alles andere als grün. Das liegt offenbar vor allem an der Abwehrhaltung des Verbands, in dem Bürgermeister und etablierte Kreisräte das Sagen haben. „Für uns ist das ein Problem: Wir werden mit dieser Partei identifiziert, wollen das aber nicht“, sagt Rainer Gessler, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kreistag von Ludwigsburg. Einer Partei anzugehören, aber zugleich vor Ort das Interesse der Kommune zu vertreten, das vertrage sich schlecht mit dem Selbstverständnis der Kraft, in der sich nach dem Zweiten Weltkrieg etwa Bäcker, Metzger oder Lehrer bewusst ohne Parteizugehörigkeit organisierten, argumentiert der langjährige Markgröninger Gemeinderat.

Keine Wahlstände der örtlichen Gruppen im Landesverband

Egal, ob CDU, SPD, Grüne oder andere etablierte Parteien: Vielerorts unterstützen Mitglieder mit Info-Ständen selbstverständlich ihre Kandidaten. Die Freien Wähler als Partei kann mit einem solchen Support der rund 9000 Mitglieder aus dem Landesverband im Kreis Ludwigsburg nicht rechnen. Auch bei den Oberstenfelder Freien Wählern gibt es niemanden, der sich auf diese Weise engagiert, berichtet Michael Meder, im örtlichen Gemeinderat Fraktionschef. Das Thema komme jedoch auf der Straße öfter zur Sprache: „Bei jeder Kommunalwahl fragen mehr Bürger nach dieser Partei.“ Ihnen erklärt der Oberstenfelder, wie wichtig es sei, „dass wir uns in keinen politischen Schuh hineindrücken lassen“. Die Themen würden vor Ort sachgemäß entschieden.

Die Abwehrhaltung aus den Reihen der Kommunalpolitiker gegen seine Partei will Markus Mangold, Landesgeschäftsstellenleiter der Freien Wähler in Stuttgart, so nicht akzeptieren. „Es ist vor allem ein Phänomen in der Region Stuttgart“, sagt er. In anderen Teilen von Baden-Württemberg gebe es viel mehr Kandidaten, die auch in Gemeinderäten Ämter innehätten. Das Argument, dass Bürgervertreter an der Basis keinen Einfluss auf die Gesetzgebung haben sollten, halte er für überholt. „Heutzutage wollen die Bürger von unten mehr mitbestimmen.“

Die Partei beklagt die fehlende Unterstützung

Die kritischere Haltung der Bürger und ihr Wille zur Parteienreform erklärten laut Mangold auch den Erfolg der Freien Wähler bei den Landtagswahlen in Bayern und Rheinland-Pfalz, bei denen der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gelang. In Baden-Württemberg sei man mit 2,9 Prozent in diesem Jahr gescheitert, weil die Basis der Freien Wähler nicht kooperiert habe. An der Offenheit der Partei habe es nicht gelegen: „Wir haben mehrfach die Hand ausgestreckt, sie ist immer ausgeschlagen worden.“ Dabei wäre es wichtig, sich bei Wahlen an gewachsene Ortsstrukturen anbinden zu können.

Ganz anders bewertet Wolfgang Faißt, Vorsitzender des Landesverbandes der Freien Wähler, das Verhältnis zur neuen Partei. „Die versuchen, mit unserem Namen Stimmen zu bekommen“, erklärt der Renninger Bürgermeister. Die Partei habe nur etwa 200 bis 300 Mitglieder, der Landesverband rund 9000. „Wir sind in den Gemeinderäten die größte kommunalpolitische Kraft in Baden-Württemberg und werden als solche auch von den Entscheidungsträgern der Landespolitik gehört.“ Man sei als Landesverband nur Ideengeber und Dienstleister für die unabhängigen Ortsverbände: „Sie suchen unabhängig von uns die beste Lösung – Lörrach braucht unter Umständen etwas ganz anderes als Weinheim.“ Würde der Landesverband zur Partei, verlöre er seine führenden Köpfe. Die neue Partei, bei der laut Faißt auch ehemalige AfD-Mitglieder mitwirken, bekomme in den Ortsgruppen des Landesverbands „keinen Fuß auf den Boden“. Der Streit zwischen Partei und Landesverband sei schon vor etwa zehn Jahren ausgetragen worden. Damals klagte der Verband erfolglos auf den Schutz des Namens.

Die Partei Freie Wähler

Geschichte
Der Bundesverband der Freien Wähler gründete im Jahr 2009 die Partei. Diese eher lose Vereinigung der auf kommunaler Ebene aktiven Wählergemeinschaften wollte auch an Landes-, Bundes- und Europawahlen teilnehmen. Die Partei trat bei der Landtagswahl 2016 in nur fünf Wahlkreisen mit Kandidaten an. Bei der Wahl 2021 bot sie 69 Kandidaten auf und erzielte 2,9 Prozent.

Politische Ausrichtung
Laut Bundeszentrale für politische Bildung ist die Partei in der rechten Mitte einzuordnen. Die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung ist ein wichtiges Anliegen. Sie bezeichnet sich als wertorientiert, will den Mittelstand fördern, aber auch Bürgerrechte erhalten.