In dem Werk von Wolfram Berner (links) und Hans-Joachim Knupfer steckt jahrelange Forschungsarbeit. Foto: Werner Kuhnle

Wolfram Berner und Hans-Joachim Knupfer haben ein Buch zur Bottwartalbahn verfasst. Dafür haben sie auch bislang unzugängliche, recht brisante Akten einsehen können.

Marbach - Ob Aufsätze, kleinere Büchlein oder Broschüren: Die Geschichte der Bottwartalbahn ist schon in allerhand Publikationen beleuchtet worden. Doch das, was Wolfram Berner und Hans-Joachim Knupfer erarbeitet haben und nun präsentieren können, setzt neue Maßstäbe. „Es ist das erste Mal, dass 1,5 Kilogramm Buch zur Bottwartalbahn vorliegen“, sagt Berner. „Was Struktur, Umfang und Tiefe anbelangt, kann man, glaube ich, schon davon sprechen, dass es sich um ein neues Standardwerk handelt“, ergänzt Knupfer.

„Fehlentscheidung“ auf den Grund gegangen

Kein Wunder also, dass der mehr als 250 Seiten umfassende Wälzer auf eine beachtliche Resonanz stößt. „Das Interesse und die Nachfrage sind groß“, sagt der 55-jährige Knupfer, dessen Leidenschaft für das Thema schon als junger Mann entflammt war. Er konnte nie verstehen, warum in einem Ballungsraum wie dem hiesigen, in dem die Straßen vor Autos überquellen, eine Schienenverbindung aufgegeben wurde. „Deshalb wollte ich herausfinden, wie die Politik so eine Fehlentscheidung treffen konnte“, sagt der Leonberger. Er begann, sich mit der Historie vertraut zu machen, grub sich immer tiefer in das Sujet ein – und stieß 2009 in Wolfram Berner auf einen, der ebenfalls ein Faible für die Bahn hegte, für die 1894 die Ampel auf Grün sprang und deren letztes verbliebenes Teilstück von Marbach nach Steinheim 1990 stillgelegt wurde.

Ein Zufall führt die Eisenbahnfans zusammen

„Das war eine glückliche Fügung, dass wir gemeinsame Sache machen konnten“, sagt der heutige Kreisarchivar Berner, der seinerzeit in der Betreuung der Kunden des Hauptstaatsarchivs in Stuttgart arbeitete und dem der Name Knupfer in der Nutzerliste aufgefallen war. „Er ist eine Koryphäe auf dem Gebiet“, erklärt Berner, der Kontakt zu Knupfer aufnahm. Fortan organisierte das Duo Vorträge, hält mit der Bürgeraktion Bottwartalbahn die Erinnerung an die Strecke hoch und wirbt für eine Wiederbelebung der Schienenverbindung von Marbach nach Heilbronn. Die Idee zu dem Buch entstand, als Besucher von Veranstaltungen wissen wollten, ob es zu dem Thema auch eine tiefer gehende schriftliche Darstellung gibt. Ein Mitarbeiter des Verlags, in dem das Werk nun herausgekommen ist, ermutigte das Duo ebenfalls, sich an die Arbeit zu machen. Und so sammelten die beiden eine Fülle von Informationen, sprachen mit Zeitzeugen, durchkämmten Archive, erhielten Material von privater Seite und trugen unzählige Fotos zusammen. Aus all dem entstand das Werk „Unvergessene Bottwartalbahn“. Darin geht das Duo unter anderem auf Anfang und Ende der Strecke ein, widmet den Bahnhöfen eigene Kapitel, unternimmt einen Exkurs zu den Gasthäusern an den Gleisen. Zudem haben sich Knupfer und Berner mit den Wagen und Loks beschäftigt, die einst zwischen Marbach und Heilbronn pendelten. „Man kann sagen, dass hier große Ingenieurskunst geleistet worden ist“, hebt Knupfer hervor.

Auch mit Zeitzeugen gesprochen

Pandoras Box öffnet sich

Ein weniger gutes Zeugnis stellen er und Berner indes denjenigen aus, die das Ende der Bottwartalbahn zu verantworten haben. Bei seinen Recherchen durchforstete das Tandem Unterlagen vom Innenministerium, die erst jetzt, nach Ablauf einer Sperrfrist, einsehbar waren. „Und das war, als ob wir Pandoras Box aufmachen konnten“, sagt der 43-jährige Berner. „Wir konnten dadurch feststellen, wie Spitz auf Knopf es in den 60er-Jahren eigentlich stand, dass die Bahn hätte weiterbestehen können“, erklärt der Marbacher. Die damalige Südwestdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft habe den Betrieb übernehmen wollen, die Bundesbahn sich aber quergestellt, sagt Knupfer. „Die wollten die Bahn lieber tot sehen, als dass jemand zeigt: Man kann das wirtschaftlich besser machen als die Bundesbahn“, sagt er. Unterm Strich seien es ergo politische Machtspiele gewesen, die das Ende der Bahn eingeläutet hätten, plus den Sparzwang, der auf der Bundesbahn gelastet habe – und keinesfalls der Umstand, dass die Strecke keine Zukunft gehabt hätte.

Kein offenes Ohr

Den Verantwortlichen der beiden Landkreise könne man ankreiden, dass sie das ehrenamtliche Engagement von Eisenbahnfans unterschätzt hätten, meint Knupfer. Es habe Bestrebungen gegeben, einen Teil der Strecke zumindest zu bewahren und dort wie andernorts erfolgreich geschehen touristische Züge fahren zu lassen. Doch die Kreise hätten dafür kein offenes Ohr gehabt. Knupfer und Berner hoffen, dass die Politik inzwischen anders denkt und die Chancen sieht, die sich durch einen Wiederaufbau der Route ergeben könnten: Für Unternehmen entlang der Strecke, den Tourismus und staugeplagte Pendler. Entsprechend stellen die beiden in einem Kapitel auch dar, dass eine moderne, leise und flexible Stadtbahn ein sinnvolles zusätzliches ÖPNV-Angebot wäre.

Kapitel befasst sich mit den Zukunftschancen

Das Buch „Unvergessene Bottwartalbahn“ aus der Verlagsgruppe Bahn kann unter der ISBN-Nummer 978-3-96453-295-4 für 45 Euro bestellt werden.

Die Wiederbelebung

Potenzial
Seit der Stilllegung der Bottwartalbahn kochte immer wieder die Diskussion hoch, ob die Strecke nicht reaktiviert werden sollte. Befeuert wurde die Debatte zuletzt dadurch, dass das Land der Route ein hohes Fahrgastpotenzial bescheinigte.

Untersuchung
Das Zwischenfazit einer Machbarkeitsstudie hatte allerdings ergeben, dass die Verbindung aktuell nicht förderfähig ist, der Kosten-Nutzen-Faktor zu schlecht ausfällt. Die Karten könnten aber bald schon neu gemischt werden. In neuen Vorgaben für solche Untersuchungen sollen Umweltfaktoren stärker gewichtet werden. Die beteiligten Landkreise und die Kommunen an der Strecke wollen nun abwarten, wie die überarbeiteten Kriterien ausschauen und „zu gegebener Zeit die weiteren erforderlichen Schritte einleiten“, hieß es zuletzt aus dem Landratsamt Ludwigsburg.