Zeitreise mit der Bottwartalbahn: Am Modell des Steinheimer Bahnhofes haben drei Männer gearbeitet. Der Bahnhof mit den Nebengebäuden ist aus Bausätzen entstanden, während die Gaststätte „Ochsen“ im Hintergrund und die zwei Schuppen Unikate sind. Im Zentrum befindet sich heute der Steppi-Kreisel. Dieser und zwei weitere Bahnhöfe werden erstmals als Ensemble ausgestellt. Foto: Berner

Vor gut 50 Jahren wurde die Bottwartalbahn eingestellt. Seit drei Jahrzehnten ist eine Handvoll Männer dabei, sie en miniature wieder aufzubauen. Wann wird sie zu sehen sein?

Steinheim - Die Bottwartalbahn setzt sich ganz langsam in Bewegung. Sie passiert das hell erleuchtete Steinheimer Bahnhofsgebäude – im Hintergrund ist das Gasthaus „Ochsen“ zu erkennen. Langsam rollt die Schmalspurbahn aus dem Bahnhof, am Gleis stehen reglose Figuren. Da entschwindet die Lok auf den Gleisen – es geht Richtung Oberstenfeld davon.

So oder so ähnlich wird es wohl aussehen, wenn im Oktober eine lange Geschichte ihren Höhepunkt findet. Seit rund 30 Jahren bauen fünf Männer unabhängig voneinander an verschiedenen Bahnhöfen der Bottwartalmodellbahn. Sie eint die Begeisterung für den Modellbau im Allgemeinen und die Liebe zur Bottwartalbahn im Besonderen. Und vermutlich werden sie alle zugegen sein, wenn die verschiedenen Module der Bottwartalbahn zum allerersten Mal auf einer 16 Quadratmeter großen Platte zusammengesetzt werden und die Eisenbahn als Modell zwischen den nachgebildeten Bahnhöfen Steinheim, Oberstenfeld und Auenstein hin- und herfährt. Geplant ist dieser erste öffentliche Auftritt der voll ausgestalteten Anlage im Maßstab 1:87 mit einer Spurweite von neun Millimetern (HOe) bei der Ausstellung „Schmalspur-Expo 2021“ in Amstetten im Alb-Donau-Kreis am 2. und 3. Oktober – falls Corona es zulässt.

Der Großvater war Fahrgast

Einer dieser eisenbahnbegeisterten Männer ist der Marbacher Wolfram Berner. Auch er fiebert dem Moment entgegen, wenn die Module zusammengesetzt werden und die Fahrten der Bottwartal-Schmalspurbahn, die im Jahr 1968 stillgelegt wurde, auf diese Weise nachempfunden werden können.

Schon als kleiner Bub hat sich Berner für die Eisenbahn interessiert. Sein Großvater war Fahrgast der Bottwartalbahn, sein Vater besuchte mit ihm Museumsbahnen. Und wenn der Siebenjährige in seinem Heimatort Benningen den Kieszug oberhalb von Marbach hörte, stürmte er mit seinen Freunden auf dem Rad gen Schillerstadt, um nichts zu verpassen. Als Zehnjähriger war er stolzer Besitzer einer hochpreisigen Modelllok, die er selbst aus einem Bausatz zusammengesetzt hatte. Leider wollte sie nicht fahren. „Für so einen Bausatz braucht man eigentlich Profierfahrung“, weiß Berner heute. Als junger Mann dann ließ er das Hobby etwas ruhen, ist aber nie ganz davon losgekommen. Im Jahr 2016 hat er den Rohbau des Steinheimer Modellbahnhofs von einem Bekannten übernommen und in seinem Keller begonnen, ihn auszugestalten.

„Modellbau ist gelebte Erinnerungskultur“

Heute, als studierter Historiker und Archivar, hat Wolfram Berner noch einen neuen und geschärften Blick auf den Modellbau. „Modellbau ist gelebte Erinnerungskultur“, sagt der Ludwigsburger Kreisarchivar. Denn wenn sich die Miniaturbahnen von einem ausgestalteten Bahnhof zum anderen bewegen, werden bei vielen Betrachtern Erinnerungen wach, beginnen alte Zeiten aufzuleben, in denen die Bottwartalbahn vor ihrer Stilllegung aus wirtschaftlichen Gründen noch unterwegs war.

An diesen Gedanken der Erinnerungskultur knüpft auch die Bürgeraktion Bottwartalbahn an, die Wolfram Berner im Jahr 2016 mitbegründet hat. Diese hat sich zum Beispiel die Förderung von Bahn-Kleindenkmalen zum Ziel gesetzt wie etwa die Infotafel und der entsprechende Radsatz am Gleis 2 des Marbacher Bahnhofs.

Der Steinheimer Bahnhof im Rohbau

Weitaus mobiler und deshalb wohl publikumswirksamer ist da das zweite Standbein der Bürgeraktion – eben der Modellbau. „Die Modellbahn ist für uns nachgelebte Verkehrsgeschichte, die wir versuchen, wach zu halten“, sagt Wolfram Berner. Dass dies gelingt, so Berner, hätten die mehr als 600 Besucher eindrücklich bestätigt, die im Oktober 2019 die Modellbahnausstellung „Schienen im Schozachtal – 120 Jahre Bottwartalbahn nach Ilsfeld, Auenstein und Schozach“ besucht haben. Dabei sei ein großer Pluspunkt, dass die Modellbahn transportiert werden kann: „Wir können die Erinnerung an die Bottwartalbahn theoretisch von Hamburg bis München und darüber hinaus präsentieren“, schwärmt Berner weiter. Er erinnert sich, dass er im Jahr 2016 das Rohbaumodell des Bahnhofs Steinheim von Hans-Joachim Knupfer, Bürgeraktionskollege und Schienenverkehrsexperte, übernommen hatte und in seinem Keller weiterbaute. Knupfer werkelte seit etwa 1990 daran.

„Im Vorfeld der Ausstellung in Ilsfeld im Oktober 2019 hat Helmuth Etzler aus Heilbronn mit der weiteren Ausgestaltung begonnen“, so Berner. Etzler hat beispielsweise die Gebäude, die das Bahnhofsensemble bilden, nachgebaut, so etwa das Gasthaus „Ochsen“ und zwei Schuppen einer Holzhandlung. Zudem hat er die Laternen und Telegrafenmasten hinzugefügt und die Bahnschranken aus Fertigmodellen weiterentwickelt. Von seinem ehemaligen Schüler Hans-Jörg Schmedes hat der pensionierte Gymnasiallehrer den selbst gebauten Bahnhof Auenstein als Dauerleihgabe erhalten. Für das Ensemble bekamen die Tüftler obendrein den Bahnhof Oberstenfeld von Gabriel Oppolzer aus Eppingen.

Die Bahn fährt wie früher hin und her

Jeder der Bahnhöfe, so erläutert Etzler, ist zwei bis drei Meter lang und bekommt seinen Platz auf einer Seite des Quadrates, das rund vier auf vier Meter bemessen wird. In einer 90-Grad-Kurve wird die Bottwartalbahn somit von einem Bahnhof zum nächsten geleitet. An den beiden Enden wird ein Abstellbahnhof gesetzt. „So kann die Bahn hin- und herfahren wie früher auch“, sagt Etzler. Die Anordnung auf einem Quadrat, so der Modellbauer, sei deutlich praktikabler als die Strecke der Länge nach aufzubauen, sonst würde das Modell deutlich zu lang.

Schließlich soll es gut zu transportieren sein. Denn die Erbauer haben fest vor, ihr Werk im Bottwartal öffentlich zu zeigen, wenn die Ausstellung bei der „Schmalspur-Expo“ in Amstetten erfolgreich bestanden ist. Wo genau im Bottwartal die Eisenbahngeschichte ausgestellt werden soll, ist noch nicht klar. Wolfram Berner wird sich darum kümmern – ihm schwebt eines der ehemaligen Gebäude der Bottwartalbahn vor.

Impuls für eine Reaktivierung

Die Erbauer des Modells freuen sich schon auf die leuchtenden Augen der Modellbahnbesucher, die dann vielleicht in Erinnerungen schwelgen und an alte Zeiten – vielleicht an die eigene Kindheit – denken. Doch die Bürgeraktion Bottwartalbahn denkt nicht nur an die Vergangenheit. Wolfram Berner: „Mit der Erinnerung an die alte Schmalspurbahn im Modell wird natürlich auch der Impuls für eine mögliche zukünftige Bahn gegeben.“ Die Bürgeraktion könne mit der Modellbahn gut 50 Jahre nach Einstellung des Schmalspurverkehrs und mittlerweile 30 Jahre nach Einstellung des Restverkehrs nach Steinheim auf der Normalspur den Betrieb einer Bahn, die es früher einmal wirklich im Bottwartal gab, für jüngere Generationen im Modell wiederbeleben, resümiert der Historiker. Berner: „Allein die Dimensionen und die damit verbundene Leistungsfähigkeit dieser Bahn lässt sich im Modell sehr gut darstellen.“