Die Neckarschleife bei Mundelsheim. Foto: Archiv (Marbacher Zeitung)

Die Corona-Krise zwingt die meisten von uns, einen Gang runterzuschalten. Was kommt danach?

Mundelsheim - Was sind das für besondere Wochen, denke ich mir, alleine auf einer Holzbank am Neckarufer bei Mundelsheim sitzend. Mein Blick schweift übers Wasser, die Sonne steht tief über dem gegenüberliegenden Ufer. Rechts von mir türmt sich der Käsberg auf. Über mir? Blauer Himmel – und kein einziges Flugzeug. Vögel kündigen den Frühling an. Ihr Zwitschern ist aber nicht das einzige, das ich höre. Im Ohr habe ich noch das Lied, das am Morgen Radiostationen in ganz Europa gleichzeitig spielten: You’ll never walk alone. Ein Klassiker, der vor allem aus Stadien bekannt ist und dessen Text dazu ermutigt, in schwierigen Zeiten den Kopf oben zu halten und die Hoffnung zu bewahren. Ein Mutmacher also auch für alle, die gerade wegen des Coronavirus um ihre Gesundheit, ihr Einkommen, ihre Zukunft bangen. Auch wenn der Text dieser Tage, wie im Radio schmunzelnd erwähnt, heißen müsste: You better walk alone.

Andreas Hennings

Auf der Bank am Neckar male ich mir aus, wie man einmal auf das Jahr 2020 zurückblicken wird. Sicherlich als eine echte Zäsur, wie sie der Schwarze Donnerstag an der New Yorker Börse, die 68er-Revolution, Tschernobyl, der Mauerfall, der 11. September, der Tsunami oder hierzulande das Sommermärchen 2006 waren. Etwas nie Dagewesenes. Es wird heißen: Damals, als die Welt stillstand. Als Gaststätten und die allermeisten Geschäfte geschlossen waren. Als Treffen und Veranstaltungen unmöglich waren, selbst Beerdigungen nur im kleinen Rahmen stattfanden. Als Schulen und Kindergärten geschlossen, Straßen und Gehwege leer gefegt waren. Als viele Menschen einsam bleiben mussten, Enkel ihre Omas und Opas oder Angehörige ihre Liebsten im Krankenhaus nicht besuchen konnten. Als niemand verreiste. Als jahrhundertealte Kirchen ihren ersten Sonntag ohne Gottesdienst erlebten. Als Menschen aber auch Kreativität bewiesen, sich unterstützten oder abends an ihren Fenstern standen, um Krankenhaus-Mitarbeitern zu applaudieren. Als jedoch wie in einem Krieg niemand wusste: Wie lange wird das alles dauern?

Klar, wir sind noch mittendrin. Vielleicht sogar erst am Anfang? Ich bin aber schon gespannt darauf, ob wir das, was wir jetzt nicht haben können, nach Corona mehr wertschätzen werden als zuvor. Oder ob einmal wieder alles einfach seinen gewohnten, altbekannten Lauf nehmen wird. Eine Mischung aus beidem wäre das Schönste! Bis dahin ist abwarten angesagt: zuhause oder eben hier am fast menschenleeren Neckarufer, an dem weder Autos noch Flugzeuge zu hören sind, dafür die Vögel. Wie heißt es im Liedtext von You’ll never walk alone doch so schön? „Am Ende des Sturms ist ein goldener Himmel. Und das süße, silberhelle Lied einer Lerche.“ Freuen wir uns drauf, wann immer es auch sein wird!