Die Vorkehrungen für den Lebensabend frühzeitig zu treffen ist ein mutiger - aber meist auch kluger - Schritt. Foto: Archiv (fotolia)

Ein Gespräch hat Karin Götz gezeigt: Wir tun gut daran, rechtzeitig über das Leben im Alter nachzudenken.

Marbach - In ein paar Wochen werde ich 52. Alt fühle ich mich noch lange nicht. Auch wenn mein älterer Sohn mich längst an Körpergröße überholt hat und mich so manches Zipperlein mehr plagt als noch vor zehn Jahren. Ich halte mich an den Spruch der längst verstorbenen Schauspielerin Lilli Palmer: „Nur wer sein Alter verleugnet, fühlt sich wirklich alt.“

Dennoch: Die Zeit rast gefühlt dahin, und irgendwann einmal werd’ auch ich an der Schwelle zur dritten Lebenshälfte stehen. Wie möchte ich meinen Alltag dann verbringen? Und vor allem wo? In welchem Umfeld? Wann macht es Sinn, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen?

Das Zuhause ist Zuflucht und Heimat

Ein Gespräch mit Inès und Hans-Jürgen Stritter für unsere Serie „Wohnen“ hat mich tief bewegt. Das Alter sieht man den Senioren nicht an. Agil, lebensfroh, engagiert, interessiert, hellwach. Vor einem halben Jahr haben sie ihr Haus verkauft und sich eine Wohnung im Dachgeschoss des neuen Pflegeheims hier bei mir um die Ecke in Rielingshausen gekauft.

Das Haus verlassen, in dem man Jahrzehnte gelebt hat, das einem Zuflucht und Heimat geworden ist. Die im Laufe der Zeit angesammelten Habseligkeiten aussortieren, den Hausstand radikal verkleinern, sich auf etwas komplett Neues einlassen. Rechtzeitig die Vorkehrungen treffen – bevor einer womöglich körperlich schwächelt oder dement wird. Was für ein mutiger, was für ein kluger Schritt.

Es gibt keinen Weg, der für jeden passt

Mir ist bewusst, dass der Weg, den das Ehepaar gegangen ist, nicht für jeden Menschen der richtige ist. Dass es kein richtig und falsch in dieser Frage geben kann. Dass es Menschen gibt, die ihren Halt verlieren, wenn sie aus ihrer Umgebung gerissen werden. Nach dem Gespräch mit den Stritters ist mir aber klar: Es ist ein Weg, über den sich ernsthaft nachzudenken lohnt. Auch schon mit 52.

Eine schwere und doch richtige Entscheidung

Als mein Vater vor zehn Jahren starb, traf meine Mutter in den Wochen nach seinem Tod die Entscheidung, das Haus, das sie gemeinsam gebaut haben und in dem ich aufgewachsen bin, zu verkaufen. Ihr Leben im Remstal hinter sich zu lassen und im Betreuten Wohnen ein paar Minuten von uns entfernt noch einmal neu zu beginnen. Vier Monate später war das Haus samt großem Garten verkauft, fünf Monate später zog sie in ihre neue kleine Wohnung ein. Von 170 Quadratmetern auf etwas mehr als 50 Quadratmeter. Auch das ein mutiger Schritt einer damals 79-jährigen Frau.

Das Aussortieren, Verschenken und Wegwerfen so vieler Dinge, die die beiden angesammelt hatten, zerriss mir das Herz. Noch heute schaffe ich es nicht, an meinem Elternhaus vorbeizufahren. Für meine Mutter war die Entscheidung jedoch genau die richtige. Die Kunst des Kochens, so heißt es zumindest, hat sie mir vererbt. Ich hoffe, ihren Mut, sich im Alter auf Neues einzulassen, auch.