Andreas Hennings spielt selbst Akkordeon. Foto: victoria p. - Fotolia

Der musikalische Begriff für leidenschaftlich trifft auf zwei Musiker aus Benningen ganz besonders zu, findet Redakteur Andreas Hennings.

Benningen - Ich muss ja gestehen: Die meiste Zeit des Jahres fristet mein Akkordeon ein eher einsames Dasein. Immerhin verstaubt es nicht, da hinten, im graubraunen Koffer unter dem Schreibtisch in der Ecke. Meist hole ich es nur an Heiligabend hervor, um dann wieder „Stille Nacht, heilige Nacht“, „Leise rieselt der Schnee“ oder „O du fröhliche“ erklingen zu lassen. Jahr für Jahr spiele ich die Weihnachtslieder aus demselben Liederheft, Jahr für Jahr merke ich auch direkt, wieder ein Jahr älter geworden zu sein. Warum? Weil mein Akkordeonlehrer die schöne Angewohnheit hatte, direkt neben den Schlussstrich eines Musikstücks ein Kreuzchen zu setzen und daneben zu schreiben, bis wann ich das Lied zuhause zu üben habe.

Und so springen mir seitdem an Heiligabend immer wieder mit Bleistift geschriebene Datumsangaben ins Auge, die immer weiter zurück liegen: 7. Dezember 1999, 15. Dezember 1997 oder auch 7. Dezember 1998. Beim Gedanken daran, dass das inzwischen ja mehr als 20 Jahre sind, erschrecke ich schon mal.

Andreas Hennings

Bei zwei Musikern aus Benningen könnte all das schallendes Gelächter hervorrufen. Nur ein paar Mal im Jahr spielen? 20 Akkordeon-Jahre für eine lange Zeit halten? Da sind Gerhard Schmidt und Siegfried Schober wahrlich aus anderem Holz geschnitzt. Seit sage und schreibe 70 Jahren sind die beiden Mitglied im Handharmonika-Club beziehungsweise dem daraus hervorgegangenen Akkordeonverein Benningen. Und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern als musizierende Kraft. Der eine mit seinem diatonischen Akkordeon, der andere mit seiner Bassorgel. Als die beiden vor 70 Jahren erstmals die Tasten beziehungsweise Knöpfe drückten, da zählte Benningen gerade mal knapp 2400 Einwohner, da kam in der Nachkriegszeit zum ersten Mal der Begriff DDR auf, und da gab es erstmals überhaupt einen Formel-1-Weltmeister. Oder um es mit einem bekannten Volkslied auf den Punkt zu bringen: Lang, lang ist’s her!

Es ist zweifelsohne ein beachtliches Jubiläum, das Gerhard Schmidt und Siegfried Schober da feiern dürfen. Kein Wunder, dass die beiden Benninger aus ihrem Verein, den sie mit begründet haben, nicht wegzudenken sind. Zumal sie auch lange fleißig mit angepackt haben, wenn gerade anderes anstand, als ein Konzert. Ein Vereinsfest beispielsweise. Dieser Einsatz über Jahrzehnte hinweg zeigt, was Leidenschaft bei einem Menschen bewirken kann – und wie ein Verein und die Gesellschaft davon profitieren können. Den beiden Musikanten wünsche ich, dass sie ihr Hobby noch viele Jahre lang ausüben und so auch ihre Zuhörer beglücken können. Wie heißt es in der Musik so schön? „A capriccio“ – der Laune folgend.