Im Gemeindezentrum Franziskushaus wurde mit Kritik an der Amtskirche nicht gespart. Foto: KS-Images.de / Karsten Schmalz

Über die Frage „Heute noch katholisch sein?“ wurde bei einem Themen- und Gesprächsabend im Franziskushaus in Steinheim leidenschaftlich diskutiert.

Steinheim - Es ist ein mutiger Schritt, den Pius Angstenberger da geht. „Heute noch katholisch sein?“: Unter diesem Titel hat der Pfarrer der katholischen Gemeinden in Großbottwar und Steinheim zusammen mit der Katholischen Erwachsenenbildung Kreis Ludwigsburg e.V. zu einem Themen- und Gesprächsabend mit Sprengkraft eingeladen. Dies umso mehr, als unter den Gesprächsgästen mit Johanna Beck ein Missbrauchsopfer eines Priesters anwesend war.

Über viele Jahre hinweg hatte sich Johanna Beck von ihrer Kirche abgenabelt und damit selbst geschützt. Auf der anderen Seite führte ihr Weg über die anhaltende Suche nach Sinn und Spiritualität schließlich wieder in die kirchliche Gemeinschaft zurück. Dabei spielte nicht zuletzt die gemeinsam mit ihrem Ehemann diskutierte Frage eine Rolle: „Welche Werte wollen wir unseren Kindern mitgeben?“

Schmerzlicher Weg der Wiederannäherung

Eine wichtige Station auf dem schmerzlichen Weg der Wiederannäherung war für Johanna Beck die Begegnung mit einem weiteren Amtsträger genau jener Kirche. Christian Hermes, katholischer Stadtdekan und Dompfarrer der Stuttgarter Kirchengemeinde St. Eberhard, hielt eine Predigt über kirchlichen Missbrauch. Johanna Beck sprach ihn auf ihren Fall an, und Hermes riet ihr , unbedingt Anzeige zu erstatten. Zwischenzeitlich ist ihr einstiger Peiniger, ein Ordensmann, vom Dienst suspendiert.

Für Johanna Beck zeigt ihr eigenes Beispiel: „Eine Kirche kann verletzen und Wunden schlagen. Eine Kirche kann aber auch verbinden und heilen“.

Nach ihrem Impulsvortrag herrschte betretene Stille im Saal des Franziskushauses. Selbst das von Moderator Jörg Maihoff, Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung Ludwigsburg, empfohlene tiefe Durchatmen konnte da zunächst nicht den Druck auf dem Brustkorb der Zuhörer nehmen.

„Meine Kirche ist aus mir ausgezogen“

Für Johanna Beck war der Kontakt zum Stuttgarter Stadtdekan und Dompfarrer von St. Eberhard „eine Art Entschädigung von oben“, wie sie erklärte. Sie hat durch diesen Kontakt wieder Zugang zu ihrer eigenen Spiritualität und zu ihrem Glauben gefunden.

Doch wie können Katholiken noch in solch einer Kirche bleiben, die für immer mehr Menschen – Mitglieder und Nichtmitglieder – immer weniger gesellschaftsfähig erscheint? Kann ein katholischer Christ unter solchen Bedingungen überhaupt noch katholisch sein oder bleiben? Bei der engagierten Podiumsdiskussion, an der neben Angstenberger und Beck auch Kirchengemeinderätinnen und eine Mitarbeiterin der Flüchtlingshilfe teilnahmen, kam auch das Publikum zu Wort. Ein Zuhörer formulierte pointiert: „Nicht ich bin aus der Kirche ausgetreten, sondern meine Kirche ist aus mir ausgezogen“.

Statements wie dieses stehen – synodaler Weg hin, Reformbekenntnisse her – für den anhaltenden Frust an der Kirchenbasis, den man auch an diesem Gesprächsabend spürt. Erfolge nicht schnell eine transparente, lückenlose Aufklärung – am besten von externer Seite –, drohe sich die Kirche selbst abzuschaffen, ist Johanna Beck überzeugt. Ein langjähriger Kirchengemeinderat und tapferer Kämpfer für eine sich immerfort erneuernde Kirche aus Oberstenfeld machte mit Blick auf die nicht nur seiner Meinung nach zu langsamen und zaghaften Schritte auf diesem Weg der Erneuerung keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: „Da könnte man depressiv werden“.

Für eine jüngere, weiblichere und weltoffenere Kirche

Aber auch bei Johanna Beck, die unverdrossen weiter kämpft für eine jüngere, weiblichere, weniger verstaubte und weltoffenere Kirche, wird mitunter der stete Wille zu Versöhnung und Verständigung strapaziert. Wenn der Kölner Kardinal und in Glaubensfragen konservative Hardliner Woelki in einer Arbeitssitzung im Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz vor ihr sitzt, dann kämpft auch Johanna Beck schon mal mit ihrer Geduld, lässt sie durchblicken.