Die beiden Imker Thomas Deckert und Wolfgang Barth (von links) stellen die Kisten an ihrem neuen Platz auf. Foto: Werner Kuhnle

Ein Remstäler Unternehmen hat sich sogenannte "Firmenbienen" aus Erdmannhausen aufs Gelände geholt. Die Patenschaft ist gut für die Umwelt, bringt Honig und viele spannende Momente.

Es summt ganz schön in den vier Kisten. Die Bienen wollen raus. Kein Wunder: Sie haben gerade eine rund 30-minütige Autofahrt auf dem Hänger hinter sich. Und auch sonst lief ihr Tag nicht wie gewohnt. Denn anstatt im Leutenbacher Gewann Milchsuppe Pollen und Honig zu sammeln, stand ein Umzug nach Plüderhausen im Remstal auf dem Plan. Das Unternehmen Etiket Schiller hatte die vier Bienenvölker für sein Gelände bestellt.

„Firmenbienen“ nennt der Erdmannhäuser Imker Thomas Deckert das Projekt, das er mit seiner Bienenmanufaktur anbietet. Die Patenschaft umfasst das Aufstellen der Wirtschaftsvölker, die professionelle Pflege und ganzjährige Betreuung der Bienen sowie eine natürliche Honigernte. „Mit den Firmenbienen übernimmt man aktiv die Verantwortung für Insekten und trägt zu deren Erhalt bei“, sagt Thomas Deckert. Und genau das will Susanne Daiber, die Geschäftsführerin bei Etiket Schiller. „Bienen sind wichtig“, sagt sie. „Und das Projekt ist spannend für uns.“

Die Fluglöcher sind für den Umzug geschlossen

Spannend ist auch der Umzug der Bienchen, wie Thomas Deckert die Tiere gern nennt. Er hat die Fluglöcher der vier Kisten auf dem Stückle in Leutenbach bereits in der Nacht zuvor verschlossen, damit am großen Tag auch alle Bienen zuhause sind. Das offizielle Gesundheitszeugnis der Tiere liegt bereit und Deckert macht sich gemeinsam mit Imker-Kollege Wolfgang Barth an die Arbeit: Die Kisten werden mit Bändern gesichert, auf den Hänger geladen und dort gut verschnürt. Die große Reise kann beginnen.

Knapp 30 Autominuten später werden die Kisten in Plüderhausen dann wieder abgeladen. Vom Standort neben dem Firmengebäude ist Thomas Deckert angetan. „Hier ist es schön sonnig, das gefällt den Bienen“, sagt er. „Eine feuchte Ecke wäre nicht ihr Ding.“ Außerdem: „Die Wiese ist nicht schön gepflegt, die Vielfalt ist riesig, das macht den Bienchen Spaß.“ Um ihren Spaß zu haben, müssen die aber jetzt erst einmal raus. Das geht ganz schnell: Nachdem der Imker die Fluglöcher geöffnet hat, summt und brummt es schnell überall. Nachdem Thomas Deckert den ersten Stich abbekommen hat, zieht er dann doch seinen Schutzkittel an. „Die sind jetzt alle ein bisschen aufgeregt“, entschuldigt er die Tiere. „Aber das gibt sich.“ Die Geschäftsleiter Gunther Schiller und Susanne Daiber sowie Projektleiterin Julia Müller halten dennoch lieber etwas Abstand.

Jeder kann, keiner muss

Das soll sich aber in den kommenden Wochen und Monaten ändern, denn der Erdmannhäuser will den Mitarbeitern von Etiket Schiller die Bienen im wahrsten Sinne des Wortes näher bringen. Jeder kann, keiner muss, lautet die Devise. Schon beim Aufstellen der Kisten wird klar, dass es hier viel zu entdecken und erfahren gibt. Etwa, dass momentan jedes Volk aus 30 000 bis 40 000 Tieren besteht, gegen Pfingsten die Kisten aber am vollsten sind. Rund 50 000 Bienen sind es dann pro Volk. Also gleich einmal 200 000 Mitarbeiter mehr bei der Firma in Plüderhausen. Und die dürfen sich jetzt erst einmal eingewöhnen und in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen. Eine Kiste soll zur „Experimentierkiste“ werden. „Die stören wir ein bisschen öfter“, so der Imker.

Es ist aber auch generell so, dass die Völker ganz unterschiedlich im Charakter sind, erklärt Thomas Deckert. Eines von denen, die er mitgebracht hat, zeige zum Beispiel einen recht hohen Drang, Propolis zu produzieren. „Das sieht man an den Waben. Und vielleicht haben wir die Chance, im Herbst Propolis zu ernten.“ Aber zunächst einmal wird es Honig geben. Hiervon produzieren die Firmenbienen pro Stock etwa 25 bis 30 Kilo pro Jahr. Thomas Deckert will ihn Mitte bis Ende Juli gemeinsam mit den Mitarbeitern von Etiket Schiller ernten, schleudern und abfüllen. Probiert werden darf aber vorher schon. Dann zum Beispiel, wenn Thomas Deckert den Mitarbeitern das Innenleben der Kisten zeigt. „Spätestens, wenn der eigene Honig mit den Fingern aus den Waben gekratzt und geschleckt wird, kann man an den Gesichtern sehen, warum wir das anbieten.“

Der Imker und seine Bienen
Thomas Deckert, 45 Jahre alt, lebt in Erdmannhausen und ist Unternehmensberater. Das Imkern hat er begonnen, weil er zum Berufsalltag eine sinnvolle, abwechslungsreiche Beschäftigung finden wollte. „Irgendwas mit Tieren war schnell klar“, sagt er. „Auf der Shortlist blieben nach ein paar Wochen die Wasserbüffelzucht oder eben Bienen.“ Gemeinsam mit Wolfgang Barth begann er vor 13 Jahren hobbymäßig mit der Bienenhaltung. Vor drei Jahren machte er mit seiner Frau Carmen David-Deckert die Ausbildung beim Imkerverein Ludwigsburg, vor gut zwei Jahren gründeten die beiden die Bienenmanufaktur. Dort vertreibt das Ehepaar Honig, Blütenpollen und Honigperlen. 

Bienen haben elementaren und direkten Anteil an der Artenvielfalt der bestehenden Pflanzen- und Tierwelt. Fast 90 Prozent der Blütenpflanzen weltweit sind von der Bestäubung abhängig. „Wir sehen unseren Beitrag darin, durch eine eigene naturnahe Bienenzucht und die professionelle ganzjährige Pflege die Bienen und ihren Erhalt wesensgetreu zu fördern“, so Thomas und Carmen Deckert. „Unsere Bienen leben in natürlichen großzügigen Holzbeuten mit eigenem Naturwabenbau. Die Königinnen bleiben unversehrt, und drohende Gefahren werden durch natürliche und organische Substanzen abgewehrt.“ 

Propolis ist eine von Bienen hergestellte harzartige Masse mit antibiotischer, antiviraler und antimykotischer Wirkung. Im Bienenstock verhindert er, dass es schimmelt – trotz hoher Luftfeuchtigkeit und molligen 35 Grad.  Als Tinktur, Salbe oder  Mundwasser kann es auch therapeutisch genutzt werden. sl

Mitte/Ende Juli soll der Honig geerntet werden

Thomas Deckert ist selbst jedes Mal fasziniert, wenn er den Superorganismus Biene beobachtet. „Es gibt verschiedenste Rollen und Aufgaben im Volk, die penibel genau aufeinander abgestimmt sind.“ So sei zum Beispiel die Königin auf Gedeih und Verderb von ihrem Volk abhängig. „Eine einzelne Biene ist nie überlebensfähig, nur die große Mende einzelner Bienen zusammen als ganzes Volk.“

Wie im Bienenstock schlussendlich alles zusammenwirkt, zeigt Thomas Deckert auch gleich anhand einer Wabe, in der der Bienennachwuchs das Licht der Welt erblickt. Das Insekt schlüpft, schüttelt sich kurz und schon kommen die anderen Bienen an und putzen die Wabe direkt wieder sauber.