Der Gemeinderat erfuhr aus der Zeitung vom Verkauf des VW-Betz-Geländes an Lidl & Schwarz. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die Schließung von VW Betz Ende Mai und der Verkauf war Bürgermeister Jan Trost seit Mitte 2020 bekannt. Einige Stadträte verübeln ihm jetzt, dass er sie nicht informierte, weil er dem Eigentümer versprochen hatte zu schweigen.

Marbach - Die plötzliche Nachricht von der Betriebsaufgabe bei VW Betz und vom Verkauf des Areals an Lidl & Schwarz zieht nun auch kommunalpolitisch Kreise in Marbach. Nachdem der Bürgermeister Jan Trost erklärte, er habe dem Geschäftsführer Dieter Horn absolute Verschwiegenheit versprochen, kritisieren die Sprecher von drei der fünf Marbacher Ratsfraktionen den Verwaltungschef. Sie hätten sich zumindest im nichtöffentlichen Bereich Informationen gewünscht.

Jan Trost glaubt, in der Sache keinen Fehler begangen zu haben, als er Mitte des vergangenen Jahres VW-Betz-Chef Horn die Zusage gab, alles streng vertraulich zu behandeln. „Es gibt Mitarbeiter, die schon seit Jahrzehnten in dem Betrieb arbeiten – sie und die Geschäftspartner von VW Betz galt es zu schützen“, so Trost am Donnerstag. Er habe in der ersten Runde der Amtsleiter nach dem Gespräch diese informiert, ihnen den Käufer genannt und gebeten, absolutes Stillschweigen zu bewahren.

Den Gemeinderat habe er auch in nichtöffentlicher Sitzung oder durch den engen Kreis der Fraktionsvorsitzenden nicht eingebunden, weil er den Eindruck habe, dass aus nichtöffentlichen Sitzungen trotzdem immer etwas durchsickere. Trost will deshalb in nächster Zeit das Thema mit den Bürgervertretern besprechen. „Der Gemeinderat ist ganz klar Herr des Bauleitplanungsverfahrens.“

Immer noch nicht bestätigen wollte der Bürgermeister, dass Lidl & Schwarz das Areal für eine Lidl-Erweiterung gekauft habe. Der Lebensmittelkonzern äußerte sich jedoch gestern nach einer erneuten Anfrage unserer Zeitung und bestätigte den Erwerb. Für Trost ist trotz des bereits getätigten Verkaufs noch keine Entscheidung über das Areal gefallen. „Der Gemeinderat kann eine Veränderungssperre erlassen“, sagt er. „Wir stehen erst am Anfang der Gespräche.“

Anderer Meinung ist Heike Breitenbücher, die CDU-Fraktionsvorsitzende im Marbacher Gemeinderat. „Es hätte mehrere Wege gegeben, uns zu informieren“, sagt sie und nennt insbesondere die kleine Runde mit den Fraktionsvorsitzenden. Sie empfinde das als Misstrauensvotum. Dass der Bürgermeister den Betrieb schützen wollte, lässt sie nicht gelten: „Man kann doch darüber reden, dass nichts an die Öffentlichkeit dringen soll.“

Ähnlich argumentiert Barbara Eßlinger, Fraktionschefin der Grünen, die vom Verkauf gerne früher etwas erfahren hätte: „Es handelt sich um ein großes, sensibles Gebiet in der Innenstadt, um das es bereits früher Diskussionen gegeben hat.“ Sie traue den Bürgervertretern zu, monatelang verschwiegen zu sein.

Klartext spricht Dr. Michael Herzog, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler und stellvertretender Bürgermeister. Als er den Zeitungsbericht gelesen habe, sei er „von den Socken“ gewesen. Er spricht von einem Fauxpas: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Fraktionsvorsitzenden rechtzeitig über ein solch wichtiges Vorhaben informiert werden.“

Ganz anders bewertet Hendrik Lüdke, Fraktionschef der Liste PULS, das Vorgehen des Bürgermeisters. „Es kommt ganz darauf an, was die beiden Männer vereinbart haben: Wenn Herr Trost versprochen hat, dass die Information nicht das Büro verlassen darf, muss er sich daran halten.“ Lüdke hält das Schweigegebot für ein hohes Gut. „Es geht nicht, dass ein Geschäftsmann erfährt, dass in der Sauna oder in der Kneipe über sein Anliegen gesprochen wird.“

Ein Versprechen sei ein hoher Wert, meint auch Ernst Morlock, der die Fraktion der Sozialdemokraten leitet. Noch sei auf dem Gebiet nicht viel passiert, „und es werden am 1. Juni nicht gleich die Bagger kommen“, sagt Morlock. Von der Sache her sei es aber wichtig, sich jetzt gemeinsam Gedanken zu machen, wie es mit dem Lebensmittelhandel in der Stadt weitergehen kann. „Wir haben ja den Rewe-Markt in der Innenstadt, der sollte für die Versorgung dort erhalten bleiben.“