Den Schäfers – Niklas, Annett, Oliver, Melissa und Erika (von links) – droht das Aus ihrer Besenwirtschaft. Foto: avanti/Ralf Poller

Steigende Lebensmittelpreise und Corona: Die Familie braucht dringend mehr Gäste. Sonst muss der Billensbacher Besen nach fast 40 Jahren bald schließen.

Die Lage ist ernst. Sehr ernst. „Wenn es so weitergeht wie zuletzt, dann können wir die Weinstube in zwei oder drei Monaten zuschließen“, sagt Annett Schäfer von der Weinstube Schäfer im beschaulichen Beilsteiner Teilort Billensbach. Denn erst machte die Coronapandemie ihr und ihrer Familie schwer zu schaffen, nun sind es die durch den Ukraine-Krieg deutlich gestiegenen Lebensmittelpreise.

Schwere war es in den vergangenen fast 40 Jahren immer mal

„Aktuell ist die Weinstube ein drauflegerisches Konzept“, sagt ihr Mann Oliver, der bereits seit den Anfängen im Jahr 1984 im Familienbetrieb mitarbeitet. Aufgeben wollen er und seine ganze Familie – darunter Mutter Erika, der die Weinstube gehört – aber noch nicht. Denn schwere Zeiten, wenn auch nicht so schwere wie derzeit, gab es immer mal wieder in den vergangenen fas 40 Jahren. „Erst ist unsere Scheune nebendran abgebrannt und wir mussten wieder einen Kredit aufnehmen, später wurde die Promillegrenze beim Autofahren abgesenkt. Das haben wir zu spüren bekommen“, erklärt er. Gut lief der urige und traditionelle Besen, der in den 80er Jahren aus der Not heraus geboren wurde, in diesen Zeiten dennoch immer.

Besen-Tradition wurde in den 80ern und 90ern noch anders gelebt

„Damals hat man damit noch richtig Geld verdient“, berichtet der 51-jährige Oliver Schäfer und fügt an: „Die Tradition wurde aber auch noch ganz anders gepflegt als heute. Da haben die Leute unter der Woche gearbeitet, sind freitagmittags in die Weinstube gekommen und nachts musste man sie rauskehren.“ Manche Gäste seien gar am Tisch eingeschlafen, was nicht verwunderlich gewesen sei. Denn: „Unter drei oder vier Viertele ist keiner gegangen. Das kommt heute so nicht mehr vor“, sagt Oliver Schäfer, der gerne an diese Zeiten zurückdenkt. Ein Paar Bratwürste hätten damals 4,50 Mark, ein Schmalzbrot 1,50 Mark und ein Viertele 1,80 Mark gekostet. „Das sind Preise, die kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, so der Billensbacher.

Die Lebensmittelpreise sind gestiegen – das macht Probleme

Erst recht nicht in aktuellen Zeiten, in denen alles teurer wird. Und genau das stellt ein großes Problem für die Wirtsleute dar, die die Besenwirtschaft immer von freitags bis sonntags geöffnet haben. „Das Geld, das wir donnerstags im Großmarkt ausgeben, nehmen wir wenn überhaupt gerade so wieder am Wochenende ein“, berichtet Annett Schäfer, die vor sieben Jahren mit in die Weinstube der Familie eingestiegen ist und seitdem bedient. „Sonnenblumenöl, Mehl, Fleisch – alles ist teurer geworden“, sagt sie.

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Und nicht nur das. Zuletzt standen sie und ihr Mann im Großmarkt auch vor leeren Regalen. „Jeden Donnerstag überlegen wir momentan: Gibt es dieses Wochenende überhaupt Pommes oder etwas anderes? Haben wir privat noch etwas Öl oder Mehl oder müssen wir Sachen von der Karte nehmen?“, so die gebürtige Berlinerin. Zu der Planungsunsicherheit und den gestiegenen Einkaufskosten kommt auch noch: Die Getränke- und Essenspreise wurden bereits bereits vor Corona etwas angepasst, eine erneute Preissteigerung würden von den Gästen wohl kaum angenommen, glaubt das Ehepaar. Das zweite Problem: Seit Corona steht zudem ein Tisch weniger im Innenbereich. „Die Leute achten einfach etwas mehr auf Abstand, weshalb wir das nicht rückgängig machen können“, sagt Oliver Schäfer. Heißt aber auch: Weniger Plätze, weniger Einnahmen.

Seit Corona kommen nicht mehr so viele Gäste wie zuvor

Der fehlende Tisch ist das eine Problem. Das größere ist derzeit aber, dass der Familie insgesamt die Gäste fehlen. „Seit Corona kommen nicht mehr so viele wie vorher. Das hat sicherlich verschiedene Gründe. Einer kann sein, dass die Menschen weniger Geld in den Taschen haben“, so der 51-Jährige, der an den Wochenenden als Koch in der Küche steht. Ein anderer, dass man in Billensbach ziemlich ab vom Schuss sei. Das Ehepaar will aber nicht nur äußere Faktoren für die Situation verantwortlich machen, sondern ist durchaus auch selbstkritisch. „Zum einen hatten wir Probleme mit der Bedienung. Außerdem werde ich manchmal als unfreundlich wahrgenommen. Aber die Lage ist seit Monaten sehr ernst und wir sind alle extrem angespannt“, sagt Annett Schäfer.

Mit neuen Ideen will man noch einmal alles versuchen

Für ihre Schwiegermutter, die seit den 80ern für ihre Besenwirtschaft lebt, und auch für die gemeinsamen Kinder Niklas (3 Jahre) und Melissa (6 Jahre) wollen die 36-Jährige und ihr Mann die Stube jedoch unbedingt erhalten. Ihr Plan deshalb: Neue Wege gehen und damit das drohende Aus versuchen zu verhindern. „Wir können das tun oder resignieren“, sagen beide – und haben einige Ideen. Vom eigenen Sirup, den das Paar anbieten will, bis hin zu Gerichten mit Ziegenfleisch von den eigenen Ziegen vom Hof. Auch könnten sie sich einen Streichelzoo vorstellen. Denn neben Schwarzhalsziegen wohnen auf dem Gelände rund um die Besenwirtschaft auch noch Schwarznasenschafe, Hühner und Wachteln. Im Besen findet sich seit Kurzem nun auch ein kleiner Hofladen, hier will die Familie das Sortiment stetig erweitern. Ob das was bringt? „Wir wissen es nicht. Aber wir wollen, dass es hier weitergeht“, sagt die 36-Jährige.