Weil das Eis sehr dick ist, muss von Hand ein Loch geschlagen werden. Foto:  

Die Kälte schafft ideale Bedingungen für eine Übung der Marbacher Feuerwehr.

Benningen - Immer weiter geht Lena Gampper im Dunkeln hinaus auf das Eis. Es ist dunkel und bitterkalt – an diesem Abend wird die Temperatur bis auf minus acht Grad Celsius fallen. Ganz alleine geht sie, sie hüpft und stampft an verschiedenen Stellen. Am Ufer warten die Kameraden atemlos ab. Aber das Eis hält. „Typisch – wenn das Eis schon mal nachgeben soll, dann klappt es nicht“, sagt Alexander Schroth, Kommandant der Marbacher Feuerwehr. Das Eis hat an diesem Abend eine Dicke von vier Zentimetern, das ist eigentlich viel zu dünn, um ein Gewässer fürs Eislaufen freizugeben. Der See beim Schloss Monrepos beispielsweise darf erst ab einer Stärke von zehn Zentimetern betreten werden.

Lena Gampper ist eine von 19 Rettungsschwimmern der Marbacher Feuerwehr. Sie trägt einen orangefarbenen Schutzanzug, den so genannten Überlebensanzug für die Hochseeschifffahrt. Er ist absolut wasserdicht und hält auch warm – trotzdem gehört einiges dazu, sich auf einen zugefrorenen See zu begeben und das Einbrechen zu provozieren. Leider hält das Eis auch an anderen Stellen und die Kameraden müssen ran, um mit der Axt ein Loch ins Eis zu schlagen. „Wir könnten auch die Kettensäge nehmen“, überlegt das Team kurz, aber Stefan Wachter, Chef und Ausbilder der Wasserrettungsgruppe, ist schon mit der Axt bei Lena Gampper und bald ist ein Loch im Eis entstanden. Ohne zu zögern lässt sich die Rettungsschwimmerin ins Wasser hineinrutschen. Mit den Armen hält sie sich am Eisrand fest. „Bei einem realen Unfall ist das eher nicht der Fall“, sagt Kommandant Schroth, „meist ist das Eis am Rand so dünn, dass der Verunglückte sich nicht so gut festhalten kann.“ Eisrettungen seien immer ganz brisante Einsätze: „Die Rettung muss sehr schnell gehen, bei diesen Temperaturen ist ein Einbrechen ins Wasser in kürzester Zeit lebensbedrohlich.“ Wenn der Körper auskühlt, sinke schnell der Muskeltonus, so dass der Verunglückte kaum mehr in der Lage sei, sich selbst aus dem Eis zu befreien. Trotzdem müssen die Retter besonnen handeln: „Eigenschutz geht vor“, bekräftigt Schroth.

An diesem Abend tragen Stefan Wachter, der Leiter der Wasserrettungsgruppe, und Nico Scheich Neoprenanzüge und fungieren bei der Übung als Retter. Wachter hat das goldene Rettungsschwimmabzeichen des DLRG und Scheich das silberne. Scheich ist darüber hinaus auch ein so genannter Strömungsretter. „Das DLRG ist insgesamt für Wasserrettungen zuständig“, sagt Schroth weiter. Die Feuerwehr unterstütze jedoch bei der so genannten Oberflächenrettung. Die Einsatzleitstelle informiert im Unglücksfall Feuerwehr und DLRG, die dann kooperieren. „Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit dem DLRG in Remseck“, berichtet der Kommandant, „die Ausbildung unserer Rettungsschwimmer erfolgt gemeinsam mit dem DLRG“. Jeden Freitag trifft sich die Wasserrettungsgruppe der Feuerwehr im Hermann-Zanker-Bad, um sich zwei Stunden lang auf Rettungseinsätze im Wasser vorzubereiten. „Eisrettungen jedoch können wir nur üben, wenn es das Wetter zulässt“, sagt Stefan Wachter. Vor zwei Jahren habe man auf der zugefrorenen Murr üben können.

Stefan Wachter nähert sich nun der Verunglückten, indem er sich kniend auf Leitern über das Eis zur Unglücksstelle hin bewegt. Am Ende der einen Leiter zieht er die andere nach vorne und weiter geht es auf der zweiten Leiter. „Wichtig ist, das Gewicht auf möglichst viel Fläche zu verteilen, so dass der Rettungsschwimmer nicht selbst ins Eis einbricht“, informiert Schroth. An der Unglücksstelle angekommen, zieht Wachter das „Opfer“ aus dem Wasser und gemeinsam geht es kniend zurück ans Ufer.

Als nächstes sollen zwei Retter das Opfer aus dem See holen und mittels Spineboard – einem Rettungsbrett aus Kunststoff – bergen. Erneut macht sich Lena Gampper auf den Weg zum Eisloch und ihre Kollegen sind flugs auf den Leitern und ziehen das Spineboard neben sich her. Hochkant schieben sie das Rettungsbrett vor der Verunglückten ins Wasser, sie hält sich daran fest und wird so aus dem See befreit. Auf dem Weg ans Ufer fungiert das Board wie ein Schlitten. „Das funktioniert richtig gut“, Schroth ist zufrieden, „das Rettungsbrett schwimmt auch, sodass der Verletzte auch bei ganz dünnem Eis gut geborgen werden kann.“

Als weitere Variante übt die Wasserrettungsgruppe die Bergung mit einem Schlauchboot. Das Metallgestell macht es zum Schlitten und falls das Eis bricht, ist das Opfer noch sicher im Boot. Dieses Mal muss Adriano Da Silva den Verunglückten mimen, auch er steckt in einem Überlebensanzug. Die Rettungsleine surrt aus dem Leinenbeutel, alle Beteiligten sind über einen Brustgurt angeleint und so gesichert. Jeweils ein Kamerad am Ufer ist für das Sichern einer Person verantwortlich.

Auch die Rettung mit dem Boot klappt gut. Nach etwa eineinhalb Stunden sind alle Beteiligten durchgefroren und freuen sich auf einen wärmenden Tee im Haus am See. Der Benninger Fischereiverein hat der Feuerwehr seinen Teich und das angrenzende Haus für diese Übung zur Verfügung gestellt. Auf Nachfrage sagt Gruppenleiter Wachter: „Es dauert bestimmt noch eine Stunde, bis wir unsere Ausrüstung wieder eingepackt haben und in der Wache alles zum Trocknen aufgehängt ist.“

Und am nächsten Tag werden sich ganz bestimmt einige Spaziergänger über die seltsamen Spuren auf dem zugefrorenen Teich wundern.