Mehr Fußballerfahrung auf einem Foto ist fast kaum möglich. Foto: avanti

Die Bottwartal-Auswahl und die Traditionsmannschaft des VfB Stuttgart trennen sich mit 4:4.

Benningen - Wenn die Kickstiefel klassisch schwarz und weiß gehalten sind, die Stutzen nicht übers Knie gehen oder gar nur den Knöchel bedecken, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass gerade keine Nachwuchsfußballer oder Aktiven gegeneinander spielen, sondern wie es im Fußball so charmant heißt: Alte Herren. Ganz besondere Vertreter dieser Altersklasse lockten am Samstag rund 600 Zuschauer ins Benninger Talauenstadion. Nachdem die beiden Ehrengäste, die aus der Neckargemeinde stammenden Fußballidole Rudi Entenmann und Friedl Reiter, den Anstoß ausgeführt hatten, standen sich eine Bottwartal-Auswahl und die Traditionsmannschaft des VfB Stuttgart gegenüber.

Die Unterhaltung stand bei diesem anlässlich der „Heimspiel“-Ausstellung im Museum im Adler ausgetragenen Freundschaftsspiel im Vordergrund. Kein Wunder, dass Europameister Hansi Müller so manchen Trick einbaute und VfB-Torhüter Christof Weber ausgeprägte Flugparaden zeigte. Was zur Unterhaltung nicht fehlen darf, sind Tore. Und auch die bekamen die Zuschauer reichlich zu sehen. Acht an der Zahl, wobei Spannung aufkam: Würde es der Bottwartal-Auswahl tatsächlich gelingen, der VfB-Elf die erste Niederlage seit 17 Jahren zuzufügen?

Berechtigte Hoffnungen gab es. Zumal die Bottwartäler läuferisch überlegen waren. Zur ganzen Wahrheit gehört aber, dass der VfB erst am Vortag ein Spiel bestritten hatte, diesmal ohne seine jungen Kräfte Cacau, Kevin Kuranyi und Thomas Hitzlsperger auskommen musste, und aufgrund der angeschlagenen Bernd Förster und Asgeir Sigurvinsson gar nicht auswechseln konnte. Während das Heimteam mit einem Kader von 26 Spielern stets über genügend Luft verfügte. Entsprechend merkte der Bottwartal-Spielführer Marco Willi an: „Mit ihren jungen Spielern hätten sie uns wohl zerlegt.“So aber gab es ein 4:4-Unentschieden. Das schönste Tor des Tages war auch gleich das erste, bei dem Sascha Held für die Bottwartäler den Ball aus 22 Meter ins linke obere Toreck drosch (12.). Die Mannschaft von Trainer Günther Michelfelder vergab zudem weitere Chancen, während die Stuttgarter kurzen Prozess machten: Nach einem Kopfball von Silvio Meißner, den Torhüter Andreas Dogar noch parierte, schoss der Steinheimer Jörg Wolff für den VfB zum Ausgleich ein (17.). Und eine Minute später trugen Victor Lopes, Denis Berger und Wolff einen schnellen Spielzug über die linke Seite vor, den Silvio Meißner mit dem Schuss zum 2:1 krönte (18.).

Bei den Stuttgartern, deren Spieler die Zuschauer nach und nach zu identifizieren versuchten, was mal leichter und mal schwerer fiel, verließ sich etwa Hansi Müller auf seine Technik und Pässe, die Laufarbeit übernahmen die „Jungspunde“ Berger oder der flinke Andreas Hinkel. Letzterer versuchte es auch mehrmals aus der Distanz, verfehlte aber das Tor. So blieb es zur Pause nach 40 Minuten bei der Heim-Führung. Auf die verkürzte Spielzeit hatte man sich wegen des Engpasses beim VfB kurzfristig geeinigt.

Dieser Engpass machte sich in der zweiten Hälfte deutlicher bemerkbar. Die Bottwartäler gaben nun den Ton an, und nach einer Flanke von Christian Jansen köpfte Alexander Fuchs ins linke Eck (52). „Als Abwehrspieler war ich sonst ja nie so der Torjäger. Ich habe einfach den Schädel hingehoben. Es ist natürlich besonders, wenn man gegen seinen Lieblingsverein trifft.“ Und nur zwei Minuten später brandete bei den Zuschauern lautstarker Jubel auf, denn nach einem Doppelpass von Marco Willi und Gerald Fuchs traf Willi zum 3:2. „Das ist phänomenal. Auf eigenem Platz als Abwehrspieler ein Tor zu schießen, das ist das i-Tüpfelchen“, frohlockte der Benninger. Nur vier Minuten später stand es 4:2: Alexander Fuchs bediente von der Mittellinie mustergültig seinen Bruder Gerald, der einschob. „Bei ihm kannte ich den Laufweg natürlich, das hat schon früher oft geklappt“, so der Pleidelsheimer lachend. Das Bottwartal war auf der Siegerstraße. Und Stuttgarts Peter Reichert gestand später: „Ich hätte nicht mehr gedacht, dass wir das aufholen.“Und doch tat der VfB genau das kurz vor Schluss: Erst bediente Berger von links Jörg Wolff, der einschoss. Dann stellte Silvio Meißner mit seinem Tor ins linke obere Ecke auf 4:4 – wonach Hansi Müller Schiedsrichter Gerhard Klaiber gut zuredete, das Spiel doch bei diesem schiedlich, friedlichen Spielstand zu beenden. Mit Erfolg. Der Referee war übrigens kein gewöhnlicher: Für den 66-Jährigen aus Oppenweiler war es das 3136. Spiel seiner Laufbahn. Einst hatte er den FC Marbach in der Oberliga gepfiffen, weshalb er von Günther Michelfelder gefragt worden war, ob er auch diese Partie leiten könne.

Mit dem Resultat zeigten sich alle Beteiligten zufrieden. „Auch bei einer Niederlage wäre das Leben für uns aber weitergegangen“, sagte Jörg Wolff schmunzelnd, für den es ein tolles Erlebnis gewesen sei, mal wieder in der Heimat zu kicken. Und Andreas Hinkel sprach mit Blick auf die Bottwartäler von einem „sehr guten“ Gegner. „Wir wollten aber nicht verlieren und haben am Ende noch zwei Fehler ausgenutzt. So auch Meise (Silvio Meißner, Anm. d. Redaktion), obwohl er angeschlagen war.“ Der Spaß stand an diesem Tag aber klar im Vordergrund, sodass in der Halbzeitpause und nach Spielende viele Pläuschchen gehalten und Autogramme ergattert wurden. Und auch Erinnerungsfotos durften keinesfalls fehlen. Bottwartal:
A. Dogar, T. Forisch – J. Berger, D. Jans, F. Kaiser, T. Oberreiter, M. Hörner, M. Lohner, C. Jansen, S. Held, T. Lorenz, T. Bürkle, B. Schuster, H. Bunderla, L. Entenmann, U. Mäule, R. Essig, D. Bassler, S. Heß, H. Müller, B. Reich, G. Fuchs, T. Zachmann, M. Willi, W. Krauß, A. Fuchs. VfB Stuttgart:
C. Weber – J. Hartmann, A. Hinkel, R. Mall, B. Förster, V. Lopes, S. Meißner, P. Reichert, H. Müller, D. Berger, J. Wolff, A. Glückler.