Muhterem Aras findet: „Die Foto: Archiv (dpa)

Die Landtagspräsidentin Muhterem Aras wird zu einem Diskussionsabend über „Heimat“ am Donnerstag, 21. September, in die Benninger Kelter kommen.

Benningen - Die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Die Grünen) wird am 21. September im Rahmen des Begleitprogramms der Sonderausstellung „Heimat neu denken“ im Benninger Museum im Adler zu einem Diskussionsabend in die Kelter kommen.

Wer oder was hat Sie dazu bewogen, nach Benningen zu kommen?
Die Frage, was Heimat bedeutet, wie wir als Gesellschaft den Begriff mit Leben füllen, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ohne das Gefühl von Heimat, von Zugehörigkeit ist Integration nicht denkbar. Ich sehe den Begriff aber nicht nur aus der Perspektive einer Deutschen mit Migrationsgeschichte. Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft steht insgesamt in Frage. Was verbindet uns, was sind unsere gemeinsamen Werte, wie organisieren wir den Dialog dazu? Das sind aus meiner Sicht die entscheidenden Fragen. Daher ist die Diskussion in Benningen für uns alle so spannend – und wichtig.
Zusammen mit dem Tübinger Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Reinhard Johler, der Benninger Bürgerin und Gemeinderätin Anna Maria Lo Bello und dem aus Syrien geflüchteten Bohoz Rassoul werden Sie sich darüber unterhalten, wie sich der Begriff „Heimat“ verändert hat. Geben Sie uns schon mal einen kleinen Vorgeschmack, was Heimat für Sie bedeutet?
Heimat ist für mich nicht geografisch festgelegt. Sie ist dort, wo ich mich zu Hause fühle, weil ich mit anderen Menschen die gleichen Werte teile. Der Ort, an dem ich für diese Werte auch eintrete. Ich habe angefangen, mich politisch zu engagieren, als Anfang der 90er Jahre zum ersten Mal Flüchtlingsheime brannten – und sehr viele Menschen gegen diesen Hass aufgestanden sind. Mir war klar: Ich bin Teil einer weltoffenen Gemeinschaft und ich will einen Beitrag leisten, sie zu erhalten. Dass ich in dieser Gesellschaft beruflich und politisch wirksam werden konnte – auch das macht für mich Heimat aus. Ich bin überzeugt, dass Engagement und die Begegnungen, die daraus entstehen, ganz entscheidend sind für Zugehörigkeit und den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Das gilt völlig unabhängig vom persönlichen Hintergrund.
Sie sind in der Türkei geboren und 1978 mit Ihren Eltern und Geschwistern nach Deutschland gekommen. Ist die Türkei immer noch ein Stück Heimat für Sie, mit allen Schwierigkeiten, die momentan das Verhältnis zu diesem Land trüben?
Ich habe viele Verwandte in der Türkei. Sie und die Erinnerung an die Orte meiner frühen Kindheit, sind natürlich nach wie vor Teil von mir. Nicht umsonst setzt der Titel der Veranstaltung in Benningen den Begriff Heimat in den Plural. Aufgrund dieser engen persönlichen Bindungen betrübt es mich, dass viele Menschen in der Türkei unter den Entwicklungen dort leiden. Dass der Staat sich dort trotz vieler Widerstände mutiger Bürgerinnen und Bürger von europäischen und demokratischen Werten entfernt, führt zur Spaltung der Gesellschaft und zu einem Gefühl der Entfremdung – auch bei mir.
Gehen die gemeinsamen Grundwerte für ein friedliches und respektvolles Miteinander auch in Deutschland zunehmend verloren?
Die Debattenkultur ist rauer geworden, auch bei uns im Landtag von Baden-Württemberg. Doch das dürfen wir nicht einfach so hinnehmen. Als Landtagspräsidentin habe ich die Gesprächsreihe „Wertsachen – was uns zusammenhält“ eingeführt. Es geht darin um die Basis unseres Zusammenlebens, die im Grundgesetz so wunderbar beschrieben werden: Ob die Würde des Menschen in Artikel 1 oder die freie Meinungsäußerung in Artikel 5 – ich bin ein echter Fan der deutschen Verfassung. Würden sich alle nach ihrem Geist richten, hätten wir deutlich weniger Konflikte.
Was können wir in den Städten und Gemeinden tun, dass die Menschen wieder mehr zueinander finden?
Am besten ist reden und im Dialog bleiben. Das sage ich als überzeugte Parlamentarierin und langjährige Lokalpolitikerin. Es reicht nicht mehr aus, nur im Gemeinderat oder im Landtag die Themen zu behandeln. Viele Menschen sind skeptischer geworden gegenüber politischer Repräsentanz. Durch Veranstaltungen wie im Benninger Bürgerhaus schaffen wir wichtige Foren der Begegnung, gerade zum Austausch über unsere gemeinsamen Grundwerte – der Basis, damit Heimat entsteht.