Gefrorene Trauben sind nötig. Foto: privat

In Zeiten des Klimawandels nicht selbstverständlich: Das Beilsteiner Weingut Sankt Annagarten hat am Montagmorgen Eiswein gelesen. Es war mit minus acht Grad kalt genug.

Beilstein - Pünktlich zum regulären Arbeitsbeginn nach Weihnachten und Neujahr durften sechs Mitarbeiter und Familienmitglieder des Beilsteiner Weinguts Sankt Annagarten am Montagmorgen mit einer besonderen Aufgabe ins neue Jahr starten: der Lese des Eisweins.

Die Eisweingewinnung im Weinberg-Gewann Freudenberg geht auf eine Tradition bis ins Jahr 1976 zurück. Damals wie heute müssen die Trauben vom Stock weg gefroren geerntet und im Freien gekeltert werden. „Wir brauchen Temperaturen von minus sieben Grad“, sagt Marcel Wiedenmann, Weingärtner und Chef des Gutes.

Nicht immer schafft es die Natur, so abzukühlen, dass eine Eisweinlese möglich ist. So fiel die Lese im vorigen Jahr aus. Doch diesmal klappte es. „Es reicht nicht, wenn es nur in der Nacht minus sieben Grad sind – es muss schon den ganzen Tag vorher so kalt sein, dass das Thermometer fast den Gefrierpunkt erreicht“, erklärt der Winzer. Bei der Lese musste sich das Team beeilen, es hatte nur etwa eineinhalb Stunden. Denn schon bei Sonnenaufgang können die Temperaturen schnell wieder zu hoch sein.

Die erste Pressfraktion der Semillon Blanc Trauben ergab 180 Grad Öchsle. Die Menge, die aus den bei minus 8  Grad Celsius geernteten Trauben entlockt werden kann, wird – so Wiedenmann – „verschwindend gering“ ausfallen. Die Ausbeute sei jahrgangsentsprechend klein und werde über das Gefrieren noch kleiner. In guten Jahren könnten 80 bis 100 Liter Eiswein aus den 600 Stöcken gewonnen werden, die sich auf den 10 bis 12 Ar in dem Gewann verteilen.

Zwar ist der Eiswein im Jahr 2021 gelesen worden, doch zählt er weinrechtlich noch zum 2020er-Jahrgang. Und der war, wie schon die Beilsteiner Weinchronik anführte, von witterungsbedingten Ertragseinbußen gekennzeichnet. Marcel Wiedenmann ist trotzdem froh, dass er wieder einen Eiswein gewinnen konnte und wohl in diesem Jahr rund 90 „halbe“ Flaschen mit jeweils 0,375 Litern produzieren kann. „Nachdem der süße deutsche Wein als Old School lange Zeit verschrien war, gönnen sich jetzt immer mehr Menschen einen solchen Tropfen zu einem besonderen Anlass.“ Der nun entstehende Süßwein tritt die Nachfolge des bis dato letzten Eisweines aus 2018 an, dessen Beliebtheit in Feinschmeckerkreisen laut Wiedenmann unter dem Namen Generation „Letzte Lese“ bekannt ist.