Aus einem Trauben-Mix wurde frischer Saft hergestellt. Foto: /vanti

Weinmacher feiern den Herbstauftakt und schenken dabei frischen Traubensaft aus.

Beilstein - Schöner kann man den Auftakt des „Herbstens“ kaum gestalten: Bei goldenem Spätsommerwetter haben sich am Samstagnachmittag nicht nur die Beilsteiner Weinmacher, sondern auch etliche Gäste auf dem Platz vor der Sankt-Anna-Kirche versammelt, um an der vom Posaunenchor musikalisch begleiteten Andacht teilzunehmen. Und das nicht ohne Grund, wie Bernd Gemmrich stellvertretend für die anderen Wengerter verriet: „Früher durfte die Lese erst beginnen, nachdem die große Kirchenglocke geläutet hat.“ Auch sonst sei das Herbsten in Beilstein und den Teilorten eine hochoffizielle Angelegenheit gewesen: „Die Stadt hat festgelegt, wer als Erstes pressen durfte.“ Kein Wunder, dass zunächst der Schultheiß an die Reihe kam und dann die Gemeinderäte, bevor die normalen Weinbauern mit der Arbeit beginnen konnten.

Pfarrer Rüdiger Jeno von der evangelischen Gemeinde hob in seiner Andacht die Bedeutung des Weins in der Bibel hervor und verlas einen Text einer Vision von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, auf der unter anderem Weinberge gepflanzt würden, damit die Weinmacher deren Ertrag selber genießen könnten. Das sei auch heute noch nicht selbstverständlich, aber „es wäre schön, wenn man als Weinmacher gut vom Weinmachen leben könnte, wenn schonender Umgang mit der Natur und der Verzicht auf Chemie honoriert würden“, erklärte er. Dafür, so Jeno weiter, „tragen wir alle Verantwortung.“

Auch Bernd Gemmrich betonte, früher sei bei einem guten Ertrag die Existenz gesichert gewesen; heute gelte das erst, wenn der Wein auch zu einem vernünftigen Preis verkauft worden sei. Stichwort guter Ertrag: Erstmals habe man in diesem Jahr auch Streuobst angenommen; das sei allerdings bislang sehr bescheiden in Menge und Qualität. Im Weinbau sei man dagegen trotz der Trockenheit recht gut davongekommen: „Wir haben schöne Trauben und werden einen guten Wein bekommen.“

Im Anschluss an die Andacht ging’s dann für die auf dem schön geschmückten Leiterwagen thronende Beilsteiner Weinprinzessin Claudia I und ihr weinliebendes Gefolge zum Kelterplatz. Noch vor zwei Jahren hatte man auf dem Parkplatz der Burg gefeiert, doch der steile Weg sei für viele Gäste beschwerlich gewesen, und zudem solle der Stadtkern belebt werden, erklärte Bernd Gemmrich.

Auf dem Kelterplatz saßen dann schon die ersten Schlemmer, die sich die Leckereien der Landfrauen schmecken ließen. Auch die historische Presse und Raspel waren bereits aufgebaut, um den von allen Weinmachern angelieferten Traubenmix aus Müller-Thurgau, Lemberger, Dornfelder, Kerner und Gutedel zu verarbeiten, der dann als frischer Saft an die durstigen Gäste ausgeschenkt wurde. Allerdings erst, nachdem die 75 Grad Öchsle festgestellt worden waren. „In den letzten Jahren hatten wir mehr, aber das gibt trotzdem einen ordentlichen Wein“, meinte Gemmrich. Wichtig sei neben dem Zuckergehalt nämlich auch, dass die Säure stimme. Und dafür seien mit warmen Tagen und frischen Nächten die Voraussetzungen aktuell perfekt.