Der Hund, der den Jungen ins Gesicht gebissen hat, ist im Heilbronner Tierheim untergebracht. Foto: avanti

Beilsteiner Bürgermeister geht nach Angriff auf Kind davon aus, dass ein Kampfhund dafür verantwortlich war.

Beilstein/Oberstenfeld - Der Hund, der am Dienstag in Oberstenfeld einen Dreijährigen durch einen Biss ins Gesicht schwer verletzt hat, war von seinem Besitzer im Wohnort Beilstein nicht als Listenhund angemeldet worden. Das teilt der Beilsteiner Bürgermeister Patrick Holl auf Nachfrage dieser Zeitung mit. „Für einen solchen Hund hätte der Halter im Rathaus aber eine Erlaubnis beantragen müssen, wie sie die Polizeiverordnung des Landes für Kampfhunde vorschreibt“, sagt Holl. Er sei immer noch erschüttert von der schweren Verletzung des Jungen, der ebenfalls aus Beilstein stammt.

Der Mischling soll,   so die Tierrettung Unterland, Anteile eines American Staffordshire Terrier enthalten. Er hatte sich gegen 22 Uhr auf dem Fuß- und Radweg zwischen dem Oberstenfelder Freibad und der Beilsteiner Gemarkung plötzlich von der Leine gerissen. Der 25-jährige Bruder des Halters hatte auf einem Fahrrad sitzend das Tier mit sich geführt. Der Hundeführer sei zuvor an der Gruppe vorbeigefahren und dann zurückgekehrt, teilt die Polizei jetzt mit. Was den Hund veranlasste, so zu reagieren, sei immer noch unklar, sagt Peter Widenhorn, Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. „Das Tier wies wohl vorher keine Auffälligkeiten auf und war hinterher vollkommen zutraulich und frei von Aggressionen.“ Es sei immer noch im Heilbronner Tierheim untergebracht. Der 25-Jährige muss laut Widenhorn mit einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung rechnen.

Anders als der Beilsteiner Bürgermeister Patrick Holl geht die Polizei davon aus, dass sich der Halter korrekt verhielt, als er im März das Tier bei der Stadt Beilstein anmeldete. Der heute 14 Monate alte Mischling gelte offiziell nicht als Listenhund, erklärt Peter Widenhorn. „In seinem Heimtier-Ausweis steht, dass es ein gestromter Mischling ist.“ Diese Angabe stamme von einem Tierarzt. Die Polizei widerspreche aufgrund der Beweislage nicht. „Wir bräuchten einen belastbaren genotypischen Test – den könnte die zuständige Ortsbehörde anordnen.“

Damit läge der Ball bei Patrick Holl. Der Beilsteiner Bürgermeister will diese Frage unbedingt geklärt wissen. Von Listenhunden gehe, rechtlich gesehen, eine größere Gefahr aus. „Möglicherweise hätte die Attacke verhindert werden können, wenn zuvor ein Wesenstest stattgefunden hätte“, vermutet Holl. Denn Halter und Hunde müssten sich einem solchen Verhaltenstest bei den Veterinären des Landratsamtes unterziehen – eine Erlaubnis, den Hund ohne Maulkorb zu führen, könne es erst nach Bestehen des Tests geben.

In einem Telefonat habe der Hundehalter ihm mitgeteilt, er habe gar nicht gewusst, dass er einen Kampfhund gekauft habe, teilt Patrick Holl mit. Das zu glauben, fällt dem Bürgermeister jedoch schwer. „Jeder, der sich mit solchen Hunden befasst, weiß, dass er einen Antrag stellen muss.“ Man schaue sich jetzt alle Papiere inklusive Stammbaum an und prüfe weitere rechtliche Schritte.

Wie man bei Kampfhunden für mehr Ehrlichkeit sorgen kann? „Eine Idee wäre, bei allen Anmeldungen zur Hundesteuer einen Nachweis zu verlangen, dass das Tier keine Anteile von Listenhunderassen enthält.“ Ob das praktikabel sei, müsste man diskutieren. In Beilstein wird bislang keine höhere Hundesteuer für Kampfhunde erhoben. „Es ist eine Lenkungssteuer, sie darf nicht so hoch sein, dass sie das Halten solcher Hunde unterbindet – die höhere Steuer hätte einen solchen Biss wohl auch nicht verhindert“, sagt Patrick Holl, der die Sicherung des Hundes per Leine am Fahrrad im konkreten Fall für nicht ausreichend hält. „Der Hundeführer hätte auf dem engen Weg das Tier auf der abgewandten Seite am Halsband halten müssen – so machen es zum Beispiel verantwortungsbewusste Halter, denen Fahrradfahrer begegnen.“

Bei der Anmeldung von Kampfhunden geht es in Einzelfällen unehrlich zu, berichtet Christine Schläfle, stellvertretende Leiterin des Marbacher Ordnungsamtes. Manchmal würden Listenhunde in der Verwandtschaft herumgereicht, damit sie sich nicht dauerhaft an einem Ort aufhielten. Dadurch entstehe eine Grauzone, denen die Vollzugsbeamten nachgingen. Schläfle geht von einem bestimmten Klientel aus: „Solche Leute haben einfach keinen Bock auf eine Verhaltensprüfung.“

Der Import von American Staffordshire Terrier und deren Kreuzungen ist hierzulande verboten. „Auch Besitzer von Mischlingen stehen in der Pflicht, sich zu informieren“, sagt Carsten Dehner, Sprecher des Innenministeriums von Baden-Württemberg. Über die Einführung eines Hundeführerscheins für alle Arten, wie er von der Tierschutzorganisation Peta gefordert wird, sprächen einzelne Ministerien miteinander. Laut Peta gebe es in Niedersachsen seit der Einführung im Jahr 2013 weniger Beißattacken.

Aktuell ist es zu einem erneuten Vorfall gekommen. Ein sechsjähriger Junge ist in Laudenbach im Rhein-Neckar-Kreis von einem Hund angefallen und verletzt worden. Er war mit seiner Mutter auf dem Fußweg unterwegs, als der Rottweiler ihn zu Boden warf und in die Schulter biss. Das Tier war nach Angaben der Polizei angeleint. Die Bisswunde des Jungen wurde am Mittwoch im Krankenhaus versorgt.