Besonders Begabte können ihre Köpfe in Marbach und anderen Orten in Europa unter einem besonderen Verbund zusammenstecken Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Das Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) und der Verein Pfiffikus werden in das europäische Netzwerk ETSN aufgenommen, das die Unterstützung von Hochbegabten fördert.

Marbach - Netzwerke werden immer wichtiger – das ist in vielen Bereichen so. Es gilt aber für die Begabtenförderung, die an vielen deutschen Schulen ein Schattendasein fristet, besonders. So ist Ingvelde Scholz am Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium froh, dass das FSG und der Verein Pfiffikus in das Netzwerk European Talent Support (ETSN) aufgenommen worden sind. „Wir sind die beiden einzigen Einrichtungen im Land Baden-Württemberg, die dort vertreten sind“, berichtet die Lehrerin – und hofft auf Nachahmer, damit möglichst viele Hochtalentierte davon profitieren.

Entdeckt hat Ingvelde Scholz das Netzwerk beim Weltkongress für Begabtenförderung in Dubai im vorigen Jahr. Die Lehrerin, die seit dem Jahr 2009 in Marbach die Begabtenförderung entwickelt, hielt dort selbst zwei Vorträge und kam mit Kollegen aus anderen Ländern ins Gespräch. Schnell erkannte sie die Vorteile: „Heutzutage sind junge Leute gerne auch in anderen Ländern unterwegs.“ Projekte wie etwa Meeresbiologie an einem Institut in Portugal kennenzulernen, könnte auch deutsche Schüler interessieren, findet die Koordinatorin des Vereins Pfiffikus, der auf dem Marbacher Campus vier Kinder- und Jugendakademien pro Schuljahr mit anspruchsvollen Kursen anbietet. An der Akademie nehmen jeweils rund 200 besonders begabte Schüler aus allen Schularten teil. „Inzwischen kommen auch Eltern aus Städten wie Heilbronn, Karlsruhe und Freiburg zu unseren großen Informationsveranstaltungen zur Begabtenförderung“, erzählt Ingvelde Scholz, die sich seit fast 20 Jahren um eine größere gesellschaftliche Akzeptanz für Begabtenförderung bemüht und solche Kinder bis zum Erwachsenenalter begleitet sehen will. Im E-Mail-Verteiler des Vereins Pfiffikus seien inzwischen 1400 Eltern vertreten.

Wichtig ist aber auch der fachliche Austausch auf dem Gebiet der Begabtenförderung. „Deutschland ist im internationalen Vergleich vorne, Benachteiligte zu fördern – aber im Bereich der Begabtenförderung liegen wir eher hinten: Das zeigen die regelmäßig erscheinenden Studien.“ Länder wie Estland, Israel, Taiwan und Singapur oder die USA und Kanada unternähmen mehr, um leistungsstarke Schüler vor Unterforderung und sozialer Disintegration zu schützen. In Deutschland haben deshalb Bund und Länder mit der Initiative „Leistung macht Schule“ (Lemas) im Jahr 2016 gegengesteuert, damit mehr Schüler eine Chance erhalten, ihre besonderen Talente zu entwickeln.

Hochbegabte müssen befürchten, wegen ihrer herausragenden Leistungen im Klassenverband ausgegrenzt zu werden. Deshalb schützt das Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium von der 5.  bis zur 7.  Klasse rund 20 Schüler in einer eigenen Begabtenklasse. „Erst kürzlich hat mir ein Schüler gesagt, er habe vier Freunde gefunden, mit denen er sich über Astrophysik unterhalten konnte“, berichtet Ingvelde Scholz. Eine solche Form der Beheimatung sei für Begabte ganz entscheidend: „Diese Kinder inspirieren sich gegenseitig.“ Die Begabten würden vom 8.  Schuljahr an wieder in allgemeine Klassen des FSG entlassen, um alle Profilfächer wählen zu können. „Unser Modell hat sich bewährt“, sagt Ingvelde Scholz. Studien belegten: Die Begabten könnten in der Pubertät so ihren Weg gut weitergehen.