Momentan lagern auf dem Gelände noch Baumaterialien für den Neubau eines nah gelegenen Seniorenheims. Foto: Oliver von Schaewen

Die Gemeinde Erdmannhausen flankiert die Planung einer Gemeinschaftsbleibe des Landkreises Ludwigsburg am S-Bahnhof mit einem Informationsabend. 96 Menschen sollen dort einmal unterkommen können.

Läuft alles nach Plan, beginnt im November der Bau einer Wohnanlage für 96 Flüchtlinge am Erdmannhäuser Bahnhof. Das Vorhaben des Landratsamtes Ludwigsburg für die maximal zweijährige vorläufige Unterbringung stellt die Gemeinde und den Freundeskreis Asyl vor neue Herausforderungen. „Mir ist wichtig, dass wir gegenüber der Bevölkerung voll transparent sind“, sagte der Bürgermeister Marcus Kohler nun bei einem Informationsabend am Donnerstag im Rathaus. Gekommen waren jedoch nur wenige Interessenten, unter ihnen einige Gemeinderäte.

Ein ähnliches Konzept wie am Marbacher Bahnhof

Der Neubau einer Unterkunft, wie sie der Landkreis auch am Marbacher Bahnhof betreibt, war kürzlich schon im Erdmannhäuser Gemeinderat besprochen worden. Das Projekt trifft die 5000-Einwohner-Kommune nicht unerwartet. Bereits vor sechs Jahren sollte eine Unterkunft mit rund 200 Plätzen entstehen. Als die Flüchtlingszahlen abebbten, stoppte das Landratsamt die Planungen. Nun will die Behörde eine deutlich abgespeckte Variante bauen. „Sie ist an die Gemeindegröße angepasst“, erklärte Martin Schliereke, Leiter des Fachbereichs Asyl und Migration im Kreishaus.

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Jedem Geflüchteten stehen nach den Vorgaben des Landes nur sieben Quadratmeter Wohn- und Schlaffläche zu, erklärte Schliereke – drei Quadratmeter weniger, als Kommunen für ihre Obdachlosen zugrunde legten. Er gab an, dass die Unterkunft mit zehn Acht-Personen-Appartements à 65  Quadratmeter und vier Vierer-Wohngemeinschaften à 43 Quadratmeter, jeweils mit Küche und Bad, eher mit 80 als 96 Menschen belegt würden. „Man kann Einzelpersonen nicht einer Großfamilie zuteilen, die schon sieben von acht Plätzen belegt.“ Eine soziale Durchmischung sei gewollt – wobei es in reinen Unterkünften mit jungen Männern, wie etwa in Gerlingen, friedlich zugehe und es umgekehrt auch zwischen Familien zu Streit kommen könnte.

Immer mehr Menschen aus der Ukraine brauchen eine Bleibe

Wegen des Kriegs in der Ukraine seien die Flüchtlingszahlen in den vergangenen Wochen stark gestiegen, so Martin Schliereke. Noch verfüge der Kreis zwar über genügend Reserven, aber immer mehr Geflüchtete würden zugeteilt, im Kreis Ludwigsburg seien es aktuell mehr als 200 pro Woche. „Sie sind nicht vernetzt und kommen deshalb auf dem Wohnungsmarkt nicht unter.“ Gemeldet seien 3300 größtenteils privat untergebrachte Geflüchtete aus der Ukraine. „Ich schließe nicht aus, dass wir irgendwann Sporthallen belegen müssen“, sagte Schliereke. Damit seien aktuell aber nur Hallen des Landkreises, nicht aber die von Erdmannhausen gemeint, ergänzte Marcus Kohler.

Dezentrale Unterbringung im Ort hat sich bisher bewährt

Die Integration von Asylbewerbern in Erdmannhausen laufe derzeit gut, was an der dezentralen Unterbringung liege, berichtete der Bürgermeister. Das örtliche Integrationsmanagement umfasse Sprachkurse und Anleitung im Sozialverhalten, besonders bei der Mülltrennung, es gebe aber auch Mitmachprojekte bei Vereinen. Das gelte es möglichst weiterzuentwickeln. „Wir wollen die Bürger in einem Beteiligungsprozess mitnehmen“, sagte Kohler, der einen Tag der offenen Tür in der neuen Unterkunft am Bahnhof veranstalten will, „wenn es so weit ist“. Wichtig sei, dass die Außenanlagen mit genügend Grün entsprechend gestaltet seien und Gemeinschaft ermöglichten.

In Erdmannhausen sind etwa 20 Ukrainer gemeldet

In Erdmannhausen sind nach Angaben der Verwaltung aktuell rund 20  Personen aus der Ukraine gemeldet. In diesem Jahr soll die Gemeinde zehn Personen in der Anschlussunterbringung aufnehmen. Wenn der Landkreis die Unterkunft am Bahnhof baue, sinke die Sollzahl im nächsten Jahr um ein Drittel, so Kohler. Allerdings würden Ukraineflüchtlinge, die auf dem freien Wohnungsmarkt untergebracht wurden, nicht mitgerechnet.

Für den Freundeskreis Asyl beklagte Martin Probst eine Überforderung Ehrenamtlicher beim Sprachunterricht, Verzögerungen bei Leistungsauszahlungen und eine Zwei-Klassen-Gesellschaft des Staates, der etwa Ukrainer besser stelle als die Menschen aus anderen Ländern. Man sei sich des Themas bewusst, antwortete Schliereke, doch seine Behörde müsse sich an politische Vorgaben halten. So habe ein abgelehnter Kosovo-Albaner keinen Anspruch auf einen Sprachkurs, während ukrainische oder anerkannte syrische Flüchtlinge bestimmte Leistungen erhalten dürften. Wegen der steigenden Zahlen seien die Mitarbeiter im Landratsamt stark ausgelastet. Im Sprachunterricht engagierten sich 150 Ehrenamtlichen freiwillig, sie würden mit Materialien unterstützt.