Die ausrangierten Tonnen werden zu Kunststoffgranulat weiterverarbeitet. Foto: Werner Kuhnle

Im gesamten Kreis Ludwigsburg werden momentan 76000 Bio- und Restmülltonnen ausgetauscht. Für die Bürger weitgehend unsichtbar, sorgen viele Helfer im Hintergrund für den möglichst reibungslosen Ablauf.

Benningen - Der Müllabfuhr geht es wie vielen anderen Dienstleistern. Läuft alles nach Plan, nimmt keiner davon Notiz. Passiert jedoch ein Fehler, ist die Aufregung groß. Jakob Barabosz und sein Team der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg (AVL) sorgen derzeit in einem logistischen Kraftakt dafür, dass weiter alles reibungslos läuft. Da bleibt für Urlaub aktuell keine Zeit.

Frequenz für die zivile Nutzung verboten

Im ersten Schritt werden zunächst rund 76 000 Bio- und Restmülltonnen ausgetauscht. Sowohl technische wie auch organisatorische Veränderungen zwingen zu der riesigen Austauschaktion. Als vor rund 30 Jahren die ersten Mülltonnen im Landkreis mit Transponder ausgestattet wurden, war das ein Novum. Diese daumennagelgroßen Funkempfänger werden von einem Sensor am Müllwagen erfasst und drahtlos an ein Rechenzentrum zur Abrechnung übermittelt. Das wiederum ist für den Bürger gut.

Denn damit kann nicht nur nach Größe der Mülltonne, also nach deren Volumen, sondern auch nach der Frequenz wie häufig geleert wird, abgerechnet werden. Wer also viel Müll erzeugt, zahlt viel, was die Versorger als „Verursachergerechtigkeit“ bezeichnen. Das hat sich bewährt. Leider blieb die Zeit aber nicht stehen. Erst seit Anfang des neuen Jahrtausends gibt es vom Verband aller deutschen Müll- und Entsorgungsfirmen einen einheitlichen Standard für die Datenübertragung.

Was einst fortschrittlich war, ist heute also ein Stolperstein für die AVL. Soll wie jetzt die Mülleinsammlung im Kreis neu ausgeschrieben und vergeben werden, würde sich kein Anbieter mehr am Markt auf den veralteten Transponder einlassen, oder hätte die technische Apparatur dafür. Obendrein werden die aktuell genutzten Funkfrequenzen in der Zwischenzeit militärisch vergeben und sind für die zivile Nutzung verboten.

Die Nutzung hinterlässt Spuren an den Tonnen

Wenn es schon um Kreislaufwirtschaft geht, warum werden dann die bisherigen Tonnen nicht einfach mit einem neuen Transponder gechipt, fragt sich manch kritisch und nachhaltig mitdenkender Zeitgenosse? Denn immerhin sind das rund zehn Kilogramm wertvoller Kunststoff pro Behälter, der ausgetauscht wird. „Eine so lange Nutzung geht natürlich an vielen Tonnen nicht spurlos vorbei“, so André Jörgens. Sein Unternehmen c-trace ist Spezialist für diese Austauschaktionen und unterstützt die AVL. Wie zum Beweis zeit Jörgens eine mit Flechten bewachsene Tonne mit Rissen. Die Sonne, die Temperaturunterschiede und vor allem die mechanische Belastung beim Leeren lassen das Material ermüden. Doch selbst solch eine Tonne wird demontiert, zermahlen und das Granulat wiederverwendet. Zudem wurde der Chip oft fest vernietet oder in einer Bohrung versenkt, in die der neue Transponder aber nicht mehr hineinpasse.

200 Tage im Jahr unterwegs

Bei dieser logistischen Leistung wird Jörgens von acht Einzugsteams zum Einsammeln und acht Verteilteams der neuen Tonnen unterstützt. Über ein Zeitarbeitsunternehmen beschäftig er so 36 zumeist rumänische Mitarbeiter. Ioan Curtau ist einer davon, er kommt aus Zalau im Nordwesten Rumäniens. Die Arbeit ist schwer. Schon jetzt um kurz nach 7 Uhr morgens glitzern Schweißperlen auf seiner Stirn. Curtau ist je für zwei Monate hier und macht diesen Job schon seit drei Jahren.

Doch nicht nur die Mitarbeiter müssen angeworben werden. Alle Lastwagen sind gemietet, die Mitarbeiter über Zeitarbeit müssen für die Zeit der Austauschaktion in der Region untergebracht und verpflegt werden. Auch Projektleiter Jörgens ist über 200 Tage pro Jahr unterwegs, ob nun in Bad Reichenhall, oder wie bis zu Beginn des Projekts an der Nordseeküste. Die noch gut erhaltenen Tonnen wiederum sind bereits verkauft.

Mülltonnen bekommen ein zweites Leben in Polen

Nebenan sind schon die Mitarbeiter des polnischen Abnehmers bei der Arbeit. Die gut erhaltenen Müllbehälter werden zukünftig in Polen – ohne Transponder – ein zweites Leben bekommen. Gekonnt demontiert das Team zum Transport die Räder mitsamt Achsen und stapelt immer ein Dutzend Behälter ineinander für die Reise nach Polen. Das größte Handicap für alle beteiligten Teams ist die beengte Lagermöglichkeit auf dem Gelände des Abfallentsorgers Kurz in Benningen. Dabei hat der schon kulant viele Müllcontainer ausgelagert und Platz geschaffen. Doch weil momentan das Einsammeln der alten und das Verteilen der neuen Behälter parallel verlaufen, geht es eng zu und dutzende Mitarbeiter wuseln über das Gelände.

1700 Tonnen sind das Tagespensum

Zwischenzeitlich sind Gheorghe Boca Yonef Molovon in Affalterbach unterwegs und sammeln dort am Feuersee die alten Tonnen ein. Gekonnt stapeln die beiden Rumänen diese im LKW. Später werden sie überprüft, ob sie eingemahlen oder weiter verwendet werden. So werden in den nächsten Wochen täglich an die 1700  Tonnen im Kreis ausgetauscht. Noch ist alles im Zeitplan. Und das, obwohl zwei Wochen später begonnen wurde. Ostern liegt bei den Rumänisch-Orthodoxen zwei Wochen später als bei uns. Eine schöne Geste also, wenn die fleißigen Helfer vor ihrem Arbeitseinsatz noch etwas Zeit mit ihren Familien verbringen konnten.

Für Jakob Barabosz und sein Team jedenfalls wird die Verschnaufpause nach dieser Austauschaktion gleich noch etwas kürzer. Denn schon 2022 steht die noch viel größere Umstellung von „Flach und Rund“ in der Region an. Das verschärfte Verpackungsgesetz zwingt den Landkreis nämlich zur besseren Abfallverwertung und zur Umstellung auf das duale System.