Die Besucher sollen sich mit Statements auseinandersetzen. Foto: Ralf Poller/Avanti

Die analoge Open-Space Ausstellung im Literaturarchiv der Moderne zeigt ausgewählte Exponate, die im Rahmen von zwei Forschungsprojekten entdeckt und erforscht wurden.

Marbach - Vermutlich verschafft die am Sonntag eröffnete Ausstellung im Marbacher Literaturarchiv der Moderne mit dem Titel „Wie Literatur Welt + Politik macht“ dem Besucher einen ähnlichen Effekt, wie er ihn normalerweise beim Lesen eines Buches erfährt: nämlich zwischen den Zeilen zu lesen. Bei der neuen, analog wie digital basierten Ausstellung, geht es jedoch nicht um die Intention eines einzelnen Schreibenden. Es geht vielmehr darum, anhand von Archivobjekten aufzuzeigen, wie die Literatur „Welt“ entwirft und welche Rolle dabei politische Systeme, soziale Gruppen oder auch spezielle Verlagswege spielen. Die Ausstellung, die mithilfe eines – bewusst unvollständigen - Themenalphabets sowie mit Impulsen aus Hängeregistraturen arbeitet, regt den Gast an, sich mit Statements und Fragestellungen auseinanderzusetzen, die Hintergründe und Zusammenhänge erklären und Lust auf ein Mehr an Informationen machen.

Die Ausstellung will vernetzen und eine globale Debatte anstoßen

Heike Gfrereis, die gemeinsam mit Sonja Arnold und Stephanie Obermeier die Ausstellung kuratiert hat, verweist auf die internationale Verflechtung der Akteure, die sich hierbei der Netzwerkarbeit öffneten: „Wir haben den Aufschlag gemacht und dazu eingeladen, dass anderenorts kommentiert wird.“ Angestoßen wurde die Ausstellung offenbar durch eine südkoreanische Kollegin, die zum Thema DDR-Literatur forscht. Voneinander lernen und aufzeigen, wie das „kooperative Kuratieren“ möglich wird, und „Forschung auch anderswo anzuregen“, ist also ein wesentlicher Teil der Ausstellung, die sich von den beiden, vom Auswärtigen Amt geförderten Forschungsprojekten „Literatur im Systemkonflikt“ und „Global agierende Verlage als Literaturvermittler“ nährt. Diese sollten an „unterschiedlichen Orten entwickelt, vorbereitet und gezeigt werden“. Coronabedingt wurde das kooperative Programm zum Teil ins Digitale verlegt. Die Besucher der Ausstellung haben neben der analogen Präsentation auch die Möglichkeit, per QR-Code im virtuellen Forschungsraum zu stöbern und in internationalen Archivbeständen zu lesen.

Die Neonfarben Grün und Rosa stehen für Neutralität

Farblich gegliedert sind die beiden Forschungsprojekte und somit die Archivbezüge in die Neonfarben Grün und Rosa. Der Neutralität wegen, denn die Farben sollen eine schnelle Zuordenbarkeit ermöglichen und nicht von vornherein politisch besetzt sein, wie Gfrereis bei der Presseführung am Sonntag verdeutlichte. Zu den politischen Medien des Literaturbetriebes gehören offene Briefe und Aufrufe. Interessante Beispiele dazu sind in der Ausstellung, etwa vom Verlag Luchterhand, zu sehen. Das Nachwort bilde ein eigenes Genre, das schnell mal vom Leser übersprungen werde, wie Stephanie Obermeier anmerkte. Bei der Ausstellung ist es Verleger Siegfried Unseld, der darin die Fehlinterpretation eines Romans zur Sprache bringt. An anderer Stelle erfährt der Besucher etwas über die Art und Weise, wie formuliert werden muss, damit die Texte bei der Zensurbehörde durchkommen.

Verleger Siegfried Unseld wendet sich an Mao Tse Tung

Aufschlussreich auch ein Brief von Siegfried Unseld an den ehemaligen Staatspräsidenten der Volksrepublik China, Mao Tse Tung: Unseld bittet darin um die Genehmigung, dessen Gedichte übersetzen und veröffentlichen zu dürfen.

Lesen Sie aus unserem Angebot: https://www.marbacher-zeitung.de/inhalt.spektakulaerer-fund-schiller-brief-taucht-aus-versenkung-auf.59bea843-ca7b-478f-8208-96fdaad77ef5.html

Gedanken darüber, wie sich der Leser einen Autor vorzustellen habe, erläutern etwa die „Rollenspiele“, die manchmal auch das Ziel haben, „politische Systeme zu überlisten“.