Das Bundesnaturschutzgesetz wertet den Bau neuer Trockenmauern höher als die Pflege von bestehenden. Foto: Stadt Steinheim/Eric Hirsch

Das Bundesnaturschutzgesetz legt strenge Maßstäbe an, was den Naturschutzausgleich für neue Baugebiete betrifft. Das erscheint nicht immer sinnvoll.

Benningen - Wenn in einer Kommune eine Fläche versiegelt wird – durch Wohn- oder Gewerbegebiete oder Straßenbau – muss dafür in irgendeiner Form Ersatz geschaffen werden. Grundlage dafür sind zum einen das Baugesetzbuch, zum anderen das Bundesnaturschutzgesetz. In aller Regel müssen Ausgleichsflächen geschaffen werden, das Bundesnaturschutzgesetz sieht auch die Möglichkeit eines finanziellen Ausgleichs vor. Denn nicht jede Gemeinde hat genügend geeignete Flächen zur Verfügung.

Eine weitere Krux: In der Regel sind es die Landwirte, die für Baugebiete Grund und Boden abgeben. Würden sie dann auch noch für notwendige Ausgleichsmaßnahmen Äcker verkaufen, um dort mehr Natur zuzulassen, wäre das für sie ein doppelter Verlust und könnte bedeuten, dass sie überhaupt nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können.

Steillagen und Streuobstwiesen könnten Zuschuss brauchen

Thomas Bopp, der Präsident des Verbands Region Stuttgart (VRS), hat deshalb unlängst bei seinem Besuch in Benningen darauf hingewiesen, dass Steillagenweinberge und Streuobstwiesen in der dicht besiedelten Region eine Möglichkeit böten, aus Naturschutzsicht sinnvolle Ausgleichsflächen zu finden, die nicht einen weiteren Flächenverlust zur Folge hätten. „Für Steillagen und Streuobstwiesen fehlt doch immer das Geld.“ Ihm ist aber auch bewusst, dass das „ein dickes Brett“ ist: „Dafür wäre eine Gesetzesänderung nötig.“

Eine Sprecherin des Landesumweltministeriums teilt auf Anfrage dieser Zeitung mit, eine Ausgleichsmaßnahme müsse zu einer „naturschutzfachlichen Aufwertung“ führen, „weil damit der Eingriff, also die naturschutzfachliche Abwertung an anderer Stelle, kompensiert werden soll. Der reine Erhalt von Streuobstwiesen und Steillagenweinbergen führt jedoch nicht zu der gesetzlich geforderten Aufwertung.“ Daher könnten Pflegemaßnahmen auch nicht durch die Ersatzzahlungen finanziert werden. Möglich sei hier allenfalls, nach entsprechender Prüfung, die Förderung von Einzelfällen, etwa das Wiederherstellen einer Trockenmauer, ebenso wie die Neupflanzung von Bäumen auf bestehenden Obstwiesen.

Neues wird gebaut, dafür verfällt bereits Bestehendes

„Aus der Sicht der Kompensationslogik ist das nachvollziehbar“, findet Thomas Kiwitt, leitender technischer Direktor im VRS. „Wenn etwas abgewertet wird, muss irgendwo etwas anderes besser werden.“ Dieser Logik stehe allerdings die Praxis entgegen: „Man fragt sich, wie sinnvoll es ist, auf einem bisherigen Acker eine neue Streuobstwiese anzulegen, wenn bereits existierende Streuobstwiesen nicht mehr gepflegt werden, oder was es bringt, irgendwo eine neue Trockenmauer anzulegen, wenn eine bereits bestehende zu verfallen droht.“ Immerhin, so betont Kiwitt, seien gerade Steillagenweinberge und Streuobstwiesen prägend für die Region und stünden an Attraktivität asiatischen Reisterrassen, für die die Menschen viele Tausend Flugkilometer zurücklegten, in nichts nach. „Da muss man überlegen, was uns der Erhalt dieser Kulturlandschaften wert ist.“

Kiwitt weist aber noch auf ein anderes Problem hin: „Eine Aufwertung in Sachen Naturschutz ist nur dann sinnvoll, wenn sie dauerhaft ist – die Flächenversiegelung ist es ja in der Regel auch.“ Deshalb werde zur sogenannten „dinglichen Sicherung“ eine Garantie für die Dauerhaftigkeit gefordert, beispielsweise über eine Eintragung im Grundbuch. „Und das führt natürlich bei Grundstücksbesitzern zu Skepsis. Und wenn dann auch noch der Betrieb von Weinbergen komplizierter wird, will das niemand.“

Es fehlt auch an Fachwissen

Klar sei aber auch, so Kiwitt: „Wenn die Kommunen in Zukunft doch einmal Steillagen als flächenneutralen Ausgleich einsetzen könnten und Gelder fließen würden, wäre das zwar ein kleiner Baustein, aber auch nicht mehr. Nicht nur, weil das Geld wohl zu wenig wäre, sondern auch, weil es nur noch wenige gibt, die überhaupt eine Trockenmauer bauen können.