Eine Tour durch den mittelalterlichen Mauergang in Waiblingen ist ein Erlebnis. Foto: G. Stoppel

Auf Erkundungstour in der Region – zu geheimnisvollen Burgen und Ruinen, prächtigen Schlössern und eindrucksvollen Kirchen. Heute: die Stadtmauer von Waiblingen.

Meterdicke Mauern mit Schießscharten, Wehrtürmen und uraltem Gebälk, ein überbauter Mauergang sowie eine frühere Arrestzelle, in der ein Totenkopf Wache hält: Eine Tour zur historischen Befestigungsanlage der Stadt Waiblingen ist eine Zeitreise zurück ins Mittelalter. Die zum Großteil erhaltene, ringförmige und bis zu zwölf Meter hohe Hauptmauer um die Stadt sucht ihresgleichen in der Region – und ihr Besuch kostet nicht einmal Eintritt.

Aus welcher Zeit stammt die Mauer? Mit dem Bau des rund einen Kilometer langen Hauptmauerrings haben die Waiblinger um das Jahr 1250 begonnen. Bis zur Vollendung des bis zu zwei Meter breiten und stellenweise zwölf Meter hohen Bauwerks dauerte es ungefähr 30 Jahre. Rund 200  Jahre später errichteten die Waiblinger an den Stellen, an denen ihre Stadt nicht durch den Fluss Rems, einen Mühlkanal oder sumpfiges Terrain geschützt war, eine Vormauer mit rund acht Metern Höhe und Schalentürmen, die einen guten Überblick gewährten.

Was kann man davon noch sehen? Vom einst rund 1000 Meter langen Hauptmauerring sind ungefähr 750 Meter erhalten geblieben, die überwiegend öffentlich zugänglich sind. Der Mauergang ist mal gut zwei Meter breit, mal so schmal, dass keine zwei Menschen nebeneinander gehen können. Teilweise ist er überdacht, weil die Waiblinger in früheren Zeiten die Stadtmauer als Fundament oder auch als Stützmauer für ihre Wohnhäuser nutzten. An einigen Stellen ist der Mauergang nicht einmal mehr zwei Meter hoch, denn darüber befindet sich der Fußboden eines Gebäudes.

Wieso ist die Stadtmauer besonders? In der näheren Umgebung hat kaum eine Stadt eine so gut erhaltene Befestigung. Gebaut worden ist sie überwiegend aus Muschelkalk, denn darauf gründet die Stadt. An den Mauern lässt sich die Stadtgeschichte ablesen. Michael Gunser, bei der Stadt Waiblingen unter anderem für den Denkmalschutz zuständig und seit Kindertagen ein Fan des Mauergangs, verweist auf hellrote Stellen in der sonst grauen Muschelkalkmauer: „Das ist ausgeglühter Kalkstein, es handelt sich um Spuren des großen Stadtbrands im Jahr 1634.“ Dieser legte bis auf sehr wenige Gebäude fast die komplette Stadt in Schutt und Asche.

Wo beginnt man die Tour? Ein guter Einstieg ist der Zugang neben dem Beinsteiner Tor in der Langen Straße 1. Von dort führt der Mauergang ohne Unterbrechung bis zum Postplatz. Danach gelangt man bergauf zum Hochwachtturm am höchsten Punkt der Altstadt. Dort sowie in der Weingärtner Vorstadt sind ebenfalls Überbleibsel der Stadtbefestigung erhalten.

Für wen ist der Ausflug geeignet? Besonders Kinder dürften ihren Spaß an der Tour durch den Mauergang haben. Barrierefrei ist dieser allerdings nicht – am Einstieg beim Beinsteiner Tor muss man erst einige Treppenstufen überwinden. Danach geht es aber einigermaßen ebenerdig weiter, allerdings ist der Gang recht schmal, teilweise geht es über Kopfsteinpflaster.

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Was liegt Sehenswertes am Weg? Am Mauergang gibt es auf Schritt und Tritt etwas zu sehen. Gleich beim Beinsteiner Tor, dem letzten der einst drei Stadttore, sieht man außen an der Mauer kleine Häuser fast wie Schwalbennester an der Stadtmauer kleben. Hier standen einst offene Hütten und Funktionsgebäude auf Stelzen, in denen Leder gegerbt wurde, teils lebten hier wohl auch arme Leute. Ein Stück weiter erreicht man den Standort des 1634 zerstörten Schlosses, von dem noch der riesige Keller erhalten ist. In den 1950er-Jahren wurde an dieser Stelle das heutige Rathaus gebaut. Sehenswert ist auch der Apothekergarten, in dem Heilpflanzen wachsen.

Was hat es mit dem Karzer auf sich? Als Karzer bezeichnet man eine Arrestzelle für Studenten. Der Waiblinger Karzer ist eigentlich einer der einst 15 Wehrtürme, die zur Überwachung der Stadtmauer dienten. Im späten 15. Jahrhundert sollen in dem Turm aber Studenten tageweise eingesessen haben. Die gab es damals in Waiblingen, weil der Rektor der Tübinger Universität, ein gebürtiger Waiblinger namens Georg Hartzesser, mit Studenten vor der Pest hierher geflüchtet war. Auch nach deren Rückkehr nach Tübingen wurde der Turm als Kerker genutzt, wovon in die Wand eingeritzte Inschriften und Zeichnungen zeugen. Dass der auf der Fensterbank liegende Schädel von einem vergessenen Studenten stammt, ist eine beliebte Story, aber nur eine Legende.