Achim Seiter (ganz links) und Adi Gieseler (Dritter von rechts) haben die Fragen an die Kandidaten Timo Jung, Andreas Freund, Edwin Kubotat, Tobias Möhle, Ulrich Raisch, Jan Trost und Dennis Rickert (von links) übermittelt. Foto: Werner Kuhnle

Bei der zweiten Vorstellungsrunde der Stadt zur Wahl des Rathauschefs haben sich die Bewerber den Fragen der Bürger gestellt. Dabei ging es um ein breites Spektrum vom Verkehr über das Wohnen bis hin zur Kinderbetreuung.

Marbach - In der ersten Vorstellungsrunde der Kommune konnten sich die sieben Bewerber um den Marbacher Bürgermeisterposten noch klassisch in Reden vorstellen und ihre Ziele präsentieren. Am Montag folgte dann per Live-Stream aus der Stadthalle Teil zwei, bei dem die Kandidaten vornehmlich Fragen beantworteten, die Bürger eingesandt hatten. Unter dem Label ihres Talk-Show-Formats „Fische im Tee“ moderierten Adrian Gieseler und Achim Seiter die Veranstaltung, die im Schnitt rund 220 Zuschauer zuhause an den Bildschirmen verfolgten. Sie erlebten Kandidaten, die ihre Standpunkte unter anderem zu den Themen Verkehr, Kinderbetreuung und Wohnen darlegten. Dabei wurden kleine und größere Unterschiede deutlich, aber auch Gemeinsamkeiten: Im Grunde wollen alle die Bürger mitnehmen und in Entscheidungsprozesse einbinden. Zudem wurden die Pläne zur Erweiterung des Steinbruchs in Rielingshausen quasi durch die Bank kritisch gesehen.

Verkehr
Zum Teil ähnliche Ansätze bevorzugen die Bürgermeisteraspiranten auch im Hinblick auf mögliche Verbesserungen für Radler. Timo Jung will im Detail die Stellen ins Visier nehmen, an denen es hakt. Er denkt dabei unter anderem an Erhöhungen, die für Pedaleure zum Hindernis werden können. Vor allem aber möchte der Leiter der Zentralen Dienste beim Städtetag Baden-Württemberg ein Radverkehrskonzept entwickeln, damit man „flüssig durch die Stadt kommt und nicht überall stoppen muss“. Das Ausarbeiten eines solchen Programms hat sich auch der Amtsinhaber Jan Trost auf die Fahne geschrieben. Zudem verwies er auf die Planungen zur Fußgängerzone. Hier seien dezentrale Standorte für Radbügel angedacht.

Weitere Fahrradboxen am Bahnhof erachtet er ebenfalls als wichtig. Tobias Möhle findet allerdings, dass Abstellplätze deutlich attraktiver werden müssten – samt Lademöglichkeiten für E-Bikes und Überdachungen. Ferner macht sich der Betriebsrat dafür stark, an den Schulen Spinde einzurichten, in denen Helme und Co. deponiert werden könnten. Andreas Freund regte überdies an, die Schüler bei der Frage einzubeziehen, welche Radwege benötigt werden. Mit attraktiveren Verbindungen für Pedaleure könne man auch die proppevollen Busse entlasten, meinte der 42-jährige Betriebsrat.

Beim Themenblock Verkehr wurde auch die Parkplatzsituation angerissen. Um die angespannte Lage zu entzerren, kann sich Edwin Kubotat vorstellen, „in die Luft zu gehen“ und eine Seilbahn zu bauen. Solche Konstruktionen seien gar nicht mal so teuer. „Und sie sind viel ökoeffizienter als man denkt“, sagte der Dozent und Philosoph. Eine Idee, die Dennis Rickert von Die Partei charmant fand. Der Student sprach sich zudem gegen weitere Parkplätze in der Stadt aus. Stattdessen solle man den ÖPNV fördern.

Zurückhaltend zeigten sich die Kandidaten bei der Frage, ob Marbach eine Umgehungsstraße zwischen Affalterbacher Straße und Poppenweiler Straße braucht. Sowohl Jung als auch Trost meinten, dass dazu zunächst alle Fakten auf den Tisch kommen müssten, und erinnerten an die Verdrängungseffekte des Verkehrs von der einen auf die andere Verbindung. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir den LKW-Verkehr aus der Stadt rausbekommen“, ergänzte Freund. Ein Punkt, den auch Jan Trost nannte, der für die Zukunft auf eine großräumige Umfahrung aus dem Rems-Murr-Kreis über eine zur Bundesstraße hochgestufte L 1115 zur Autobahn bei Mundelsheim hofft.

Kinderbetreuung
Verbesserungen wurden auch in Sachen Kinderbetreuung angemahnt. „Für mich müssen die Betreuungszeiten zur Lebenswirklichkeit der Eltern und den dort Beschäftigten in den Einrichtungen passen“, sagte Tobias Möhle. Man brauche mehr Flexibilität, mehr Personal und mehr Kita-Plätze. Timo Jung strich ebenfalls heraus, dass sich Familie und Beruf vereinbaren lassen müssten. Der Stuttgarter Musikpädagoge Ulrich Raisch brach zudem eine Lanze für einen Musikkindergarten. „Da geht es um Bildung durch Musik. Der ganze Tag im Kindergarten ist durch Musik strukturiert“, erklärte der Bürgermeister-Aspirant. Die Mädchen und Jungs reagierten unmittelbar über die Gefühle, die über die Klänge transportieren würden.

Digitalisierung
Kritisch steht Raisch indes der Digitalisierung gegenüber. Man laufe Gefahr, die Privat- und Intimsphäre zu verlieren. Edwin Kubotat denkt derweil, dass Jugendliche befähigt werden müssten, mit den Geräten umzugehen. Heranwachsende und Ältere könnten außerdem gemeinsam eine Marbach-App auf den Weg bringen. Dennis Rickert sieht ebenfalls eher die Chancen der Technik und meinte, dass man beispielsweise Anträge online stellen könne. Andreas Freund schwebt eine Plattform vor, auf der Gewerbe in Marbach präsentiert wird, in das man finanziell einsteigen kann. So könnte man Start-up-Unternehmen leichter für die Schillerstadt begeistern.

Wohnen
Gefragt wurden die Kandidaten auch, wie sie den sozialen Wohnungsbau forcieren würden. „Da kann man keine Versprechungen machen, das ist viel zu teuer gerade“, meinte Kubotat. Die großen Bauträger könnten die Vorschriften laxer interpretieren und damit besser am Markt agieren. Rickert will das Problem so angehen, dass er im Falle seiner Wahl die Hälfte seines Gehalts für soziale Projekte und den sozialen Wohnungsbau spendet. Timo Jung wies auf einen Bodenfonds des Landes hin, wo sich Kommunen finanzielle Mittel besorgen können, um aktive Bodenpolitik zu betreiben. „Ich glaube, das ist für die Zukunft eine ganz, ganz wichtige Errungenschaft“, sagte er. Ferner müssten die Bauflächen im Eigentum der Stadt sein, um das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Dem misst auch Jan Trost einen hohen Wert bei. Genau das sei im Rielingshäuser Keltergrund gelungen. Wobei man nicht nur bezahlbare Mietwohnungen, sondern auch bezahlbaren käuflichen Wohnraum schaffen müsse.

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