Ein Asylbewerber aus Pleidelsheim soll einem Mitarbeiter vom Landratsamt den Mittelfinger gezeigt haben. Foto: Archiv (dpa/Arne Dedert)

Ein Asylbewerber soll einem Mitarbeiter des Landratsamtes den Mittelfinger gezeigt haben. Zudem soll er gemeinsam mit anderen die Brandschutz-Begehung der Gemeinschaftsunterkunft behindert haben.

Pleidelsheim - Hat ein 24-Jähriger im Mai einem Mitarbeiter des Landratsamts in der Gemeinschaftsunterkunft in Pleidelsheim den Mittelfinger gezeigt? Auf jeden Fall musste sich der Mann nun dazu vor dem Ludwigsburger Amtsgericht verantworten. Am Ende des Prozesses, bei dem unter anderem ein Pfarrer aussagte, sah es das Gericht nicht als erwiesen an, dass der Flüchtling mit beiden Händen den doppelten Mittelfinger gezeigt hat, als ihm bei einer Brandschutz-Begehung die Schlafmatratze weggenommen werden sollte. Das Verfahren wurde eingestellt.

„Danke, dass Sie mir die Möglichkeit geben, hier zu reden“, begann der gelernte Koch mit der Hilfe einer Dolmetscherin zu erzählen, wie er am 22. Mai Besuch vom Landratsamt Ludwigsburg bekam. Die Gemeinschaftsunterkunft sollte auf Brandschutz überprüft werden. Es klopfte also auch an der Türe des Angeklagten, in dessen Zimmer seine Verlobte auf einer Matratze schlief. Nach seiner Schilderung traten daraufhin fünf Leute ein, die ihm erklärten, sie wären gekommen, um ein paar Dinge zu holen. Er hätte schließlich seine Verlobte wecken müssen, damit auch die Matratze mitgenommen werden konnte. Diese habe er sich allerdings von seinem erarbeiteten Geld selbst gekauft und überhaupt nicht verstanden, warum sich der Besuch das Recht herausnahm, seine Sachen anzufassen.

Als er die Mitarbeiter daraufhin bat, sein Zimmer zu verlassen, hätte einer der Herren ihm angedroht, in diesem Falle würde er eine „Spezialeinheit“ rufen. „Es gab keine gesetzliche Grundlage, sein Zimmer zu betreten“, hob der Verteidiger hervor und nahm Bezug auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg, das besagt, dass kein Zimmer ohne Gerichtsbeschluss durchsucht werden dürfe.

Sein Mandant sei nicht irgendjemand, sondern ein politisch engagierter Mensch, der gelernt habe, sich zu artikulieren, führte der Verteidiger weiter aus. Er habe etwa auch auf einer Pressekonferenz zum Musterprozess um demokratische Rechte für Flüchtlinge in Ellwangen gesprochen.

Der Angeklagte hätte seine Landsleute aufgehetzt, einen Freund fotografieren lassen und dadurch die Überprüfung der Fluchtwege, des Brandschutzes und der hygienischen Voraussetzungen erheblich gestört, trat darauf ein beim Landratsamt angestellter Hausmeister vor Gericht in den Zeugenstand.

Die Lastwagen mit den Containern, die vor dem Gebäude gewartet haben, hätten nicht abfahren können, weil sie blockiert worden seien. Menschen hätten sich auf die Container gesetzt. An dem Tag seien Sachen aus der Unterkunft entfernt worden, die den Fluchtweg behindern, wie etwa Polstermöbel und Teppiche. Im Kreis Ludwigsburg seien immerhin schon zwei solcher Heime abgebrannt. In der Unterkunft, so der Zeuge weiter, hätte es außerdem ein Problem mit Kakerlaken und Schaben gegeben. Im Übrigen sei die Art, in welcher der Angeklagte und seine Freunde die Behörden-Mitarbeiter „hinauskomplimentiert“ hätten, durchaus „bedrohlich“ gewesen.

„Ich war gegen diese Begehung“, bezog ein Pleidelsheimer Theologe und Pfarrer als Zeuge klar Stellung. Das Landratsamt sei mit dem Leiter der Bauabteilung in die Unterkunft gekommen und hätte nahezu alles herausgenommen, was nicht vom Amt gestellt war. „Ich wollte verhindern, dass es zu Eskalationen kommt, konnte aber nicht bei allen Begehungen dabei sein“, beschrieb der Pfarrer die Probleme. Im Zimmer des Angeklagten war er „vor der Aktion“ und hatte von Mittelfingern deshalb nichts mitbekommen.

Der Mitarbeiter, dem Letztere gegolten haben sollen, hatte zwar eine Einladung bekommen, arbeitete aber nicht mehr beim Landratsamt, und eine Anschrift wurde dem Gericht nicht mitgeteilt. Die Kosten für das eingestellte Strafverfahren hat das Gericht der Staatskasse auferlegt, und auch die Auslagen des Beschuldigten hat der Staat zu tragen.