Die Eltern fühlen sich vom Beschluss der Lehrer überrumpelt. Foto: Werner Kuhnle

Die Schulkonferenz entscheidet am Dienstag, Grundschul-Eltern fühlen sich vor den Kopf gestoßen und sind sauer.

Marbach - Die Bombe platzte am Wochenende. In einem Brief wurden die Elternvertreter der Marbacher Grundschüler von deren Vorsitzenden Berenice Hagelstein darüber informiert, dass das Ganztagsmodell, das nach vielen Jahren der Erprobung vor drei Jahren eingeführt wurde, zum Schuljahr 2021/22 schon wieder gekippt werden soll – auf Wunsch der Lehrer. Einem entsprechenden Antrag wurde in der Gesamtlehrerkonferenz am Freitag zugestimmt. Heute tagt die Schulkonferenz dazu. Sollten die Elternvertreter ebenfalls mit Ja stimmen, wird sich der Gemeinderat nach der Sommerpause mit dem Thema beschäftigen müssen.

Marbacher Modell
Mit dem Übergang des Ganztagesbetriebs an der Grundschule vom jahrelangen Versuch zur gesetzlichen Form waren erhebliche Diskussionen verbunden. Seit 2017 ist die Grundschule Marbach nach Paragraf 4 des Landes-Schulgesetzes eine „Ganztagesschule (GTS) in Wahlform“. Die Eltern können entscheiden, ob ihre Kinder am Ganztagesschulbetrieb teilnehmen oder nicht. Die Entscheidung ist jeweils für ein Schuljahr verbindlich. Anders als an anderen Schulen werden keine gesonderten Ganztagsschulklassen gebildet. Die Grundschule Marbach besuchen derzeit rund 470 Kinder. 60 Prozent von ihnen im Ganztagesbetrieb. Sie werden von 35 Lehrkräften unterrichtet.

Gründe für die Abschaffung
Die Informationslage, warum die GTS abgeschafft werden soll, ist dürftig. Die Vorsitzende des Gesamtelternbeirates, Anja Wild, erfuhr erst am Sonntagabend über unsere Zeitung von der Entwicklung. Offenbar habe es, so Wild am Montagmorgen nach einer ersten Recherche, mit einer von den Lehrern angeführten zu hohen Arbeitsbelastung zu tun. Auch der Verwaltung, erklärt die Erste Beigeordnete der Stadt, Franziska Wunschik, ebenfalls am Montagmorgen, seien keine Gründe genannt worden. Schulleiterin Nicole Kossira erklärt schriftlich, sie selbst sei sehr zwiegespalten. „Sicherlich ist die GTS für einige Kinder wichtig. Ich bin aber auch dem Kollegium verpflichtet.“ Klar sei, so Kossira, dass nur eine gute Schulkindbetreuung, wie sie auch in anderen Gemeinden praktiziert werde, eine Alternative sein könnte. „Auch in Marbach gab es schon vor Zeiten der GTS eine flexible Betreuung bis 17 Uhr.“ Der Antrag und die Kurzfristigkeit des Anliegens sei vom Kollegium ausgegangen und habe auch sie überrascht. „Ich bin als Schulleiterin aber verpflichtet, Anträge des Kollegiums aufzunehmen.“ Darüber, wie knapp oder deutlich die Abstimmung der Gesamtlehrerkonferenz ausgefallen sei, dürfe sie nichts sagen.

Eltern
Die Begeisterung für die Einführung des Ganztagsmodells seitens der Lehrerschaft war wohl nie wirklich euphorisch. Allerdings, so der Vorwurf vieler Eltern, wurde den Müttern und Vätern nie gespiegelt, dass die Stimmung so schlecht ist. Die Eltern wurden am Wochenende vor vollendete Tatsachen gestellt – und das lässt die Wellen hochschlagen. Die Elternvertreter bekamen von der Schule offenbar Mitte Juli eine Info, dass es Gespräche in der Lehrerschaft gebe, was die Abschaffung des Modells angehe. Vergangene Woche wurde in der Schulkonferenz informiert, dass in der Gesamtlehrerkonferenz am Freitag über einen entsprechenden Antrag entschieden werden soll. Mögliche Alternativen, so die Kritik seitens der Elternschaft, werden nicht erörtert, stattdessen soll das Modell mit einem Schlag abgeschafft werden. Die Kommunikationsstruktur der Schule sei mehr als fragwürdig, moniert ein Grundschul-Papa. „Uns ist bislang ein eher positives Bild der GTS gezeichnet worden.“ Eltern bräuchten Planungssicherheit. Dass jetzt, nachdem durch Corona in den vergangenen Monaten die Situation eh schon schwierig genug gewesen sei, die GTS auf einen Schlag ohne Diskussion mit den Eltern abgeschafft werden solle, zeuge von fehlendem Fingerspitzengefühl.

Elternvertreter
Die Elternvertreter sind kurzfristig darüber informiert worden, dass die Ganztagesschule in der jetzigen Form nicht mehr die breite Unterstützung des Kollegiums habe, erklärt die Vorsitzende Berenice Hagelstein in einer Stellungnahme. Einzelheiten würden in der Schulkonferenz diskutiert und das Ergebnis dieses Dialoges zwischen Lehrern und Eltern müsse abgewartet werden, bevor eine umfassende Stellungnahme möglich sei. „In erster Linie ist aus Sicht der Eltern eine Entschleunigung des Prozesses nötig, um eine sachliche Diskussion und Erörterung der verschiedenen Aspekte des Schullebens an der Grundschule gewährleisten zu können. Konkrete Probleme des jetzigen Konzepts müssen identifiziert, Verbesserungsmöglichkeiten erarbeitet und ausgeschöpft werden.“ Nur bei Vorliegen eines tragfähigen alternativen Konzepts könne seriös eine Umstrukturierung der Schülerbetreuung erfolgen.

Gemeinderat
Im März 2019 tagte die Arbeitsgruppe „Grundschule Marbach“ das erste und bisher einzige Mal. Sie setzt sich aus Vertretern der Verwaltung, der Schulleitung, der Vorsitzenden des Gesamtelternbeirates sowie Sebastian Engelmann und Jochen Biesinger als Mitglieder des Gemeinderates zusammen. Initiiert hatte sie der damalige Erste Beigeordnete Gerhard Heim. Engelmann hatte, nachdem er am Freitag vor einer Woche von der Entwicklung an der Schule mitbekommen hatte, Bürgermeister Jan Trost schriftlich gebeten, die Gruppe zeitnah einzuberufen. „Ich habe aber bislang noch keine Antwort bekommen“, so Engelmann.

Weiteres Prozedere
Heute tagt die Schulkonferenz. Sie setzt sich aus Eltern und Lehrern zusammen – und zwar paritätisch. Das heißt: Stimmt die Lehrerschaft geschlossen gemäß dem Beschluss der Gesamtlehrerkonferenz und ein Elternvertreter spricht sich ebenfalls dafür aus, dann ist der Schulträger am Zug. „Wir werden uns dann nach den Sommerferien mit dem Thema befassen müssen“, so Franziska Wunschik, die auch erst vergangene Woche vom Antrag erfuhr. Das letzte Wort, betont Wunschik, habe der Gemeinderat. Allerdings sei es in der Vergangenheit so gewesen, dass das Gremium immer der Entscheidung der Schulkonferenz gefolgt sei. „Klar ist aber, dass es dieses Mal eine politische Entscheidung werden wird.“ Zur Erinnerung: Die Mensa wurde 2017 erweitert – unter anderem, um dem Ganztagsmodell an der Grundschule Rechnung zu tragen. Für die Erweiterung steuerte das Land damals 450 000 Euro bei.