Das Finale 1992 zwischen Gue Yuehua (hinten) und Georg-Zsolt Böhm – umrahmt von den innovativen Logen. Ding Yi, Sieger des Toto-Lotto-Cups 1997, umringt von Autogrammjägern Foto: Archiv (avanti (2), Baumann (3))

Den Toto-Lotto-Cup gibt es nicht mehr, die Auflage 2016 ist die letzte gewesen. Einst gaben sich hier Weltmeister die Klinke in die Hand.

Affalterbach - Es hatte sich in den vergangenen Jahren schon angedeutet, jetzt ist es amtlich: Der Toto-Lotto-Tischtennis-Cup, zu dem seit 1990 Dutzende Welt- und Europameister erst nach Erdmannhausen und später nach Affalterbach kamen, ist Geschichte. „Ich hätte schon noch weitermachen können. Aber das wäre nicht mehr das Turnier gewesen, das ich mir vorstelle. Also habe ich die Reißleine gezogen“, begründet Veranstalter Michael Seibert die Absage. Der Grund ist ziemlich einfach: Das Engagement der Sponsoren ist immer mehr zurückgegangen, „und man findet einfach keine neuen mehr. Ich habe immer wieder abends beim Bier schlaue Ratschläge bekommen, welche Firmen ich denn ansprechen sollte. Aber die Leute haben alle keine Ahnung“, sagt Seibert.

„Es war über die Jahre immer so, dass die Sponsoren zu 95 Prozent über meine persönlichen Kontakte kamen. Anders funktioniert das nicht.“ Doch mehr und mehr brachen diese Sponsoren weg. „Bei VW war es damals so, dass ein Freund von mir dort arbeitete. Der hat aber dann den Arbeitgeber gewechselt, dadurch war das Engagement von VW beendet“, erinnert sich Seibert. Vor vier Jahren habe er noch einen Etat von 15 000 Euro gehabt, vergangenes Jahr seien es nur noch 2500 Euro gewesen. „Und die Zeiten, in denen das Fernsehen da war, zum Teil mit Live-Übertragung wie in den 1990er Jahren, die sind halt auch vorbei. Ich müsste heute Klinken putzen für Mini-Beträge.“ Parallel gingen auch die Zuschauerzahlen zurück. Als 2013 letztmals Chen Weixing am Start war, einer der weltbesten Abwehrspieler, „da musste ich froh sein, dass überhaupt 300 Leute kamen“. Zuletzt waren es dann noch weniger.

Begonnen hatte alles 1989, als Michael Seibert zur Eröffnung der damals brandneuen Erdmannhäuser Halle auf der Schray eine Tischtennis-Show mit den beiden mehrfachen Weltmeistern Gue Yuehua und Liang Geliang organisiert hatte. Er war zwar selbst Tischtennisspieler, im organisatorischen Bereich bis dato aber eher im Tennis aktiv. „Durch diese Veranstaltung kam die Idee, dass man in Erdmannhausen ein Turnier auf die Beine stellen könnte. Ich kannte Klaus Sattler, der bei Toto-Lotto für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war. So kam es zum ersten Toto-Lotto-Cup“, erinnert er sich. Bei der Premiere hatte er die Spieler noch über eine Agentur engagiert. Das Finale bestritten Gue Yuehua und der Ungar Tibor Klampar. „Aber da wurde mir zu viel rumgedaddelt, das war zu wenig Wettkampf. Ich wollte ein sportliches Turnier.“ Künftig setzte sich Seibert selbst ans Telefon und rief die Spieler einfach an. Mit einem Preisgeld von 5000 Mark für den Sieger stellte er sicher, dass sich die Akteure auch wirklich ins Zeug legten. Lange Jahre gaben sich die Welt- und Europameister die Klinke in die Hand. Ob „Tischtennis-Mozart“ Jan-Ove Waldner, Weltmeister Jean-Philippe Gatien, Europameister Jean-Michel Saive, Deutschlands „Mister Tischtennis“ Jörg Roßkopf oder Rekord-Europameister Timo Boll – die Liste ließe sich fast beliebig verlängern.

Michael Seibert war mit seinem Turnier sogar Trendsetter: „1991 haben wir erstmals im Tischtennis einen richtigen Centre Court gehabt. Das hat der Oberschiedsrichter damals sogar noch an den Verband gemeldet und gefragt, ob das erlaubt sei.“ Um die Box mit dem Tisch baute er seinerzeit Logen mit je acht Plätzen, die separat verkauft wurden. „Das war zwar vom Tennis abgeschaut, aber im Tischtennis war das eine kleine Sensation. Und ich hab’s erfunden“, sagt Seibert lachend. Jörg Roßkopf sei damals ganz begeistert gewesen.

Aufgrund des Erfolgs der Veranstaltung gab es ab 1992 sogar ein Damenturnier. „Der Direktor von Toto-Lotto sagte damals, dass wir so etwas auch für die Damen machen müssten. Zunächst fand das Turnier in Backnang statt, ab 1999 dann in Affalterbach“, erzählt Seibert. Auch hier liest sich die Siegerliste wie ein Who is Who des Tischtennis, die vierfache Siegerin Qianhong Gotsch ist noch heute, mit 48 Jahren, die beste Spielerin der 1. Bundesliga. Dass man das Damenturnier 1999 erstmals in der Hermann-Müller-Sporthalle in Affalterbach ausgetragen hatte, war auch ein Grund dafür, dass das Herrenturnier im Jahr 2000 hierhin umzog. In Erdmannhausen hatte es Differenzen gegeben. „Und da es mit den Damen in Affalterbach gut funktioniert hatte, sind wir auch mit den Herren dorthin gegangen. Die Tischtennisabteilung des TSV ist letztlich nur wegen desToto-Lotto-Cups gegründet worden“, erklärt Michael Seibert.

Das Damenturnier stieß dann aber irgendwann auf immer weniger Zuschauerinteresse. „Zum Schluss haben wir da internationalen Spitzensport vor gerademal 50 Zuschauern gehabt“, sagt Seibert, weswegen der Lady-Cup 2006 zum letzten Mal stattfand. Für das Herrenturnier ging es noch zehn Jahre weiter, obwohl die Zeit der ganz großen Namen auch hier bereits vorbei war. Es wurde immer schwieriger und vor allem immer teurer, die Top-Spieler zu verpflichten. „Wir haben dann irgendwann mehr Antrittsprämien und weniger Preisgelder gezahlt, weil die Spieler eine gewisse Sicherheit haben wollten“, erinnert sich Seibert. Dennoch, und darauf legt er wert, hätten die Spieler immer den Ehrgeiz gehabt, das Turnier zu gewinnen. „Jörg Roßkopf hat sich sehr gefreut, als er es 2010 endlich geschafft hat.“

Doch mit zurückgehenden Sponsorengeldern und dadurch sinkenden Antrittsprämien waren schließlich kaum mehr die deutschen Spitzenspieler zu ködern, geschweige denn internationale Spitzenklasse. Und so war Thomas Keinath 2016 der letzte Sieger des Toto-Lotto-Cups. „Ich werde demnächst 62 Jahre alt, da kann man auch mal etwas beenden“, hält sich die Wehmut bei Michael Seibert in Grenzen. Aber er sagt auch ganz klar: „Der Toto-Lotto-Cup war so etwas wie mein Baby.“