Die Museumsleiterin Heike Gfrereis zeigt den Raum im Handschriften-Archiv, der ganz dem Schriftsteller Hermann Hesse gewidmet ist. Foto: 7aktuell.de/Gabriel Span

Museumsleiterin Heike Gfrereis öffnet die Türen zum Handschriften-Archiv auf der Schillerhöhe in Marbach.

Marbach - Im Deutschen Literaturarchiv ist das ganze Jahr über Advent. So sieht das zumindest die scheidende Leiterin der Museen auf der Schillerhöhe, Heike Gfrereis. „Wir haben sehr viele Türen“, erklärt sie. „Und man entdeckt ständig etwas Neues.“ Auch nach rund 15 Jahren gehe ihr das noch so. Und das wird auch auf den ersten Blick deutlich. Schon auf dem Weg durch das Archiv führen ständig Treppen und Türen in verschiedene Ecken der Schillerhöhe. „Unterirdisch kann man vom Archiv bis in die Museen gehen.“

Doch dorthin führt der Weg an diesem Tag nicht. Stattdessen bleibt die Leiterin vor „Auerbachs Keller“ stehen. Ein Wink an das Drama „Faust“ sowie an den gleichnamigen Schriftsteller Auerbach. Doch hinter der Tür gibt es weder Getränke noch Müßiggang. Eine Treppe führt von dort ins Handschriften-Archiv. Und weiter in einen Raum, der ganz einem schwäbischen Schriftsteller gewidmet ist: Hermann Hesse.

Dicht gedrängt reihen sich grüne Boxen in den Regalen aneinander. 600 sind es an der Zahl. Darin befinden sich Mappen, die Handschriften des Autors und seiner Angehörigen beinhalten. „Das sind etwa 15 000 Briefe“, überschlägt Heike Gfrereis kurz. Noch einmal die selbe Anzahl liegt in einem Archiv in der Schweiz, wo er seinen Lebensabend verbrachte. Hinzu kommen etwa 30 000 anderweitige Texte.

Zugriff auf diese Sammlung haben nur Mitarbeiter des Archivs. „Andere Benutzer müssen die Schriften bestellen“, erklärt Heike Gfrereis die Vorgehensweise. Die können dann in aller Ruhe im Lesesaal ein Stockwerk weiter oben gelesen werden.

Und wer zu Hermann Hesse forschen möchte, hat die Qual der Wahl. Denn die im Archiv lagernden Papiere sind vielfältig. Vorsichtig öffnet Heike Gfrereis eine der braunen Kartonmappen. Zum Vorschein kommen bunte Aquarellzeichnungen. „Das ist eine Schmuckabschrift, die Hesse für seine Frau Ninon angefertigt hat“, weiß die Museumsleiterin. Die Schönschrift mit selbst angefertigten Bildern des Märchens „Piktors Verwandlungen“ ist im Urlaub in St. Moritz entstanden. Dort hatte das Paar mit Thomas Mann und seiner Familie freie Tage verbracht.

Heike Gfrereis blättert weiter. Eine Fotokopie wirkt wie ein Kontrast in der feinen Handschrift. „Das ist eine sogenannte Sicherheitskopie“, erklärt sie. Wenn ein Objekt sich etwa in einer Ausstellung befindet, wird das Foto an den eigentlichen Platz in der Mappe gelegt. Das wird zusätzlich mit einem Band markiert. „Auf diese Weise sieht man auf einen Blick, ob etwas entnommen worden ist.“ Das hilft den Mitarbeitern auch bei ihrer Suche nach angeforderten Medien und wenn diese im Anschluss wieder zurückgelegt werden. Das passiert nämlich händisch, während die Bestellungen digital eingehen. Etwa eine ist es pro Tag. Die Dokumente gehören teilweise dem Literaturarchiv, manche sind zur Verwahrung in Marbach.

Die ältesten Hesse-Schriften sind aus dem Jahr 1902. Dabei handelt es sich um Manuskripte, „bei denen auch mal etwa durchgestrichen wurde“. Die hatte Hesse dem Schillerverein noch zu Lebzeiten überlassen. „Er hat sich selbst als sehr schwäbisch begriffen“, erklärt die Leiterin die Entscheidung für Marbach. Anderes stammt von Dritten oder aus Nachlässen. So kommt die große Fülle an Dokumenten im Archiv mit der Zeit zusammen.

Oft entdecke man auch noch Neues. „Wir haben wohl den größten Adventskalender Deutschlands“, so Heike Gfrereis mit einem Schmunzeln. Denn auf dem Weg zu Hesses Raum hat man gerade ein Fünftel des Handschriften-Archivs gesehen.

Und dann gibt es noch einige weitere Archive auf der Schillerhöhe. Da scheint das Hölderlin-Zitat an der Tür passend: „Wir sind nichts, was wir suchen ist alles.“