Norbert Gundelsweiler hat sich aus dem Rathaus verabschiedet. Foto: Werner Kuhnle

Der Erste Beigeordnete der Stadt Steinheim hat sich in den Ruhestand verabschiedet. Norbert Gundelsweiler hat in 26 Jahren vier Bürgermeister erlebt und das Kindergartenwesen der Stadt vorangebracht.

Steinheim - Norbert Gundelsweiler nimmt’s genau – im positiven Sinn. Das bestätigt der Blick in sein Büro unterm Dach des Steinheimer Rathauses kurz vor seinem letzten Arbeitstag. Der Schreibtisch ist aufgeräumt, an den Schränken kleben gelbe Zettel auf denen Mensa, Mittagstisch oder Kindertageseinrichtungen steht. Auch jeder Ordner hat ein neues Deckblatt bekommen mit Informationen zum Inhalt. Die Übergabe an seinen Nachfolger soll sauber über die Bühne gehen – das ist Gundelsweiler wichtig. Dafür hat er in den vergangenen Wochen extra Stunden geschoben, wie so oft in seiner Zeit in der Urmenschstadt.

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Im September 1995 wechselte Gundelsweiler von der Stadt Esslingen an die Murr und übernahm das Hauptamt. Im Jahr 2010 wurde er zum Ersten Beigeordneten gewählt, acht Jahre später im Amt bestätigt. „Nächstes Jahr hätte ich mein 40-Jahr-Jubiläum im öffentlichen Dienst gehabt“, erzählt der 58-Jährige. Bedauern? Nein. Wer den Backnanger kennt weiß, dass er kein Zauderer ist, keiner der zurückblickt, sondern nach vorn – und einer, der zu seinen Entscheidungen steht. Vergangenen Oktober hat er beschlossen, seinen Traumjob früher an den Nagel zu hängen, als er es eigentlich tun müsste. Doch wer mindestens 47 Jahre alt ist und seit 18 Jahren im Beamtenstand, kann in den Ruhestand gehen, sagt das Landesbeamtengesetz.

Im September gibt es eine offizielle Feier

„Ich bin in dem Alter, in dem ich noch eine Lebensqualität besitze, die ich genießen möchte. Man weiß nie wie lange es einem gut geht“, erklärt Norbert Gundelsweiler seine Entscheidung. Leicht fällt ihm der Abschied, der im September mit einer offiziellen Feier abgerundet werden soll, dennoch nicht. Seine letzte Gemeinderatssitzung habe er noch recht emotionsfrei erlebt – bis zur Nachsitzung, als sein Team einen Kasten Bier brachte und man dann ganz ungezwungen beieinander gestanden und geredet habe. Coronakonform versteht sich. „Da kamen auch einige ehemalige Stadträte und da ist es mir dann schon kalt den Rücken hinunter gelaufen.“ Stichwort Team: Seine drei „Ladies“ aus dem Vorzimmer werde er mit am meisten vermissen ebenso wie der Kontakt zu den 250 Mitarbeitern. „Ich kenne von jedem den Namen“, sagt der scheidende Chef und wird dann doch etwas sentimental.

Rathaus ist nicht mehr zeitgemäß

Vier Bürgermeister hat der 58-Jährige erlebt. „Von jedem habe ich etwas mitgenommen – sowohl im Positiven als auch im Negativen.“ Besonders prägend war die Zeit mit seinem ersten Chef, Alfred Ulrich, der Steinheim mit Blick auf die Infrastruktur wegweisend vorangebracht habe. An seinem ersten Arbeitstag habe Ulrich ihm klar gemacht, dass er nicht seine Wunschbesetzung gewesen sei, aber man jetzt im Sinne der Stadt gut zusammenarbeiten werde. Besiegelt wurde das Ganze dann bei einem Stück Schwarzwälder Kirschtorte morgens um 10 Uhr, erzählt Gundelsweiler und lacht.

An was er sich besonders gerne erinnert und was er im Nachhinein vielleicht sogar etwas bedauert? „Ich bin stolz auf die Entwicklung im Kindergartenwesen, die meine Handschrift trägt und das pädagogische Konzept der Mensa – also, dass von ihr als einer Art Basisstation aus auch die anderen pädagogischen Einrichtungen beliefert werden.“ Nicht glücklich ist Gundelsweiler dagegen mit der Verteilung des Rathauses auf drei Häuser und die fehlende Barrierefreiheit. „Wir haben ein schickes Rathaus, aber es ist nicht zeitgemäß und ich hätte vielleicht in verantwortlicher politischer Stellung öfter und vehementer auf die Situation des Rathauses hinweisen müssen, denn Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource einer Verwaltung.“ Stolz und dankbar ist der scheidende Steuermann auch auf die gute Zusammenarbeit mit den Stadträten. Auch wenn man nicht immer einer Meinung gewesen sei, habe man sich in einem guten demokratischen Konsens offen ausgetauscht: „Das Gremium hat mich immer arbeiten lassen.“

Beim ersten EM-Spiel der Deutschen dabei

Pläne für den Ruhestand? Fehlanzeige. Zusammen mit seiner Frau habe er schon die halbe Welt bereist und gesehen, erzählt der 58-Jährige „Jetzt freue ich mich erst einmal nicht zu wissen, was ich tun werde und lass alles ganz entspannt auf mich zukommen.“ Wobei ganz planlos ist der begeisterte Fußballer, der als Coach für Sonnenhof Großaspach schon bei der ersten Mannschaft und bei der U23 am Spielfeldrand gestanden hat und derzeit den Bezirksligist SV Unterweissach trainiert, dann doch nicht. Als nämlich am Dienstagabend die deutsche Nationalmannschaft in München zum ersten Spiel der EM auflief, da saß Gundelsweiler auf der Tribüne.