Der Einsatz dauert am Samstagmorgen noch an. Foto: KS-Images.de

Ein Haus in Vollbrand, acht Verletzte und Schäden über 500 000 Euro sind die erste Bilanz mehrere Brandanschläge in der Nacht von Freitag auf Samstag in der Marbacher Innenstadt. Der mutmaßliche Täter, ein 42-jähriger Deutscher, wurde festgenommen. Bei der Festnahme gab er polizei- und fremdenfeindliche Parolen von sich.

Am Morgen nach den Brandanschlägen ist man in Marbach vor allem eines: schockiert. Das machen Gespräche mit Anwohnern in der Niklastorstraße und mit Bürgermeister Jan Trost deutlich. Neben dem Schock ist aber auch Erleichterung darüber zu spüren, dass in dem sensiblen, eng bebauten, historischen Altstadtgebiet nicht mehr passiert ist - und dass die Polizei den Täter gefasst hat. 

Wie bereits berichtet, hatten Marbacher Polizeibeamte am frühen Samstag gegen 3.05 Uhr bemerkt, dass jemand einen selbstgebauten Brandsatz gegen die Eingangstür des Reviers in der Steinerstraße geworfen hatte. Zeitgleich hatten Zeugen zwei weitere Brände in der Niklastorstraße im Innenstadtbereich von Marbach gemeldet. Auch dort waren Brandsätze gegen ein Wohnhaus und die evangelische Kirche geworfen worden.

Während ein Teil der Beamten die fast zwei Meter hohen Flammen am Polizeirevier löschten, verfolgten drei Polizisten den mutmaßlichen Täter und stellten ihn in der Grabenstraße. Bei der Festnahme bewarf der Mann eine Beamtin mit einer nicht brennenden Schnapsflasche. Er führte auch einen Schlagstock mit sich. Vermutlich sei er in einem psychischen Ausnahmezustand gewesen, sagt ein Polizeisprecher am Samstagvormittag.

In der Innenstadt löschten in der Nacht Anwohner mit Wassereimern den Brandsatz an der evangelischen Kirche. Die Feuerwehr konnte sich so ganz auf das in Vollbrand stehende Haus Niklastorstraße 11 konzentrieren. Aus dem Dach quoll "pechschwarzer Rauch", beschreibt der Marbacher Feuerwehrkommandant Alexander Schroth die Situation. Ein dramatisches Bild für ihn und seine Kameraden: Zwei Bewohner hatten sich aus der brennenden Wohnung aufs Dach gerettet und saßen im Schneefanggitter umgeben von dichtem Rauch. "Sie wurden umgehend über unsere Drehleiter gerettet", so Schroth. Zwei weitere Bewohner waren im Treppenhaus und wurden von den Feuerwehrleuten ins Freie gebracht, zwei andere Personen waren selbstständig aus dem brennenden Mehrfamilienhaus gekommen.

Danach ging es an die "massive Brandbekämpfung", erklärt Schroth. Das sei in dem Altstadtgebäude aufgrund der Holzbauweise, der Balken und der alten Dämmmaterialien nicht einfach gewesen. Zudem sei das Haus sehr verwinkelt. Zwei Wasserrohrbrüche in der Marbacher Altstadt erschwerten die Situation zudem. Sie waren vermutlich durch die plötzliche starke Wasserentnahme entstanden, mutmaßt der Marbacher Bürgermeister Jan Trost am Samstagvormittag: "Derzeit arbeitet unser Bauhof mit Hochdruck daran, das in Ordnung zu bringen." Seitens der Feuerwehr musste aufgrund des Rohrbruchs nachts umgedacht werden, erklärt Schroth. "Aber wir haben es hinbekommen."

Ein Nachbargebäude kann aufgrund der Kohlenmonoxidbelastung nicht mehr betreten werden. Die Bewohner hatten das Gebäude zuvor selbstständig verlassen. Wie das betroffene Haus Niklastorstraße 11 ist es polizeilich versiegelt.

Die Feuerwehren Marbach, Oberstenfeld, Steinheim und Ludwigsburg sowie Bevölkerungsschutz, Rettungsdienst, Notarzt und Polizei sind in der Nacht mit rund 100 Einsatzkräften in der Innenstadt im Einsatz gewesen. Der Kreisbrandmeister kam ebenfalls zur Einsatzstelle. Das Stadtgebiet wurde durch einen ebenfalls eingesetzten Polizeihubschrauber auf weitere Brandstellen überprüft. Nach einer ersten Schätzung dürfte sich der Sachschaden am Mehrfamilienhaus auf mindestens 500 000 Euro belaufen.

Klar ist: Das Gebäude ist einsturzgefährdet und nicht mehr bewohnbar. Die Schäden an der Kirche werden auf etwa 10 000 Euro geschätzt. Die Brandschäden am Polizeirevier sind aktuell noch nicht beziffert. Vier Bewohner des Mehrfamilienhauses sowie zwei der Ersthelfer wurden leicht verletzt und mussten medizinisch versorgt werden. Bei dem Brandanschlag auf das Polizeirevier wurden zwei Polizisten leicht verletzt.

Bei dem Tatverdächtigen handelt es um einen 42-jährigen deutschen Staatsangehörigen, der die Polizeibeamten beleidigt und polizei- und fremdenfeindliche Parolen von sich gegeben hatte. Der 42-Jährige verwendete bei seinen Brandstiftungen laut Polizei mutmaßlich sogenannte "Molotow-Cocktails". Ob er der Polizei bekannt ist, dazu könne er nichts sagen, so ein Sprecher der Polizei. Dass der Täter der rechten Szene zugeordnet werde, könne er ebenfalls  nicht bestätigen. Der 42-Jährige wird im Laufe des Tages auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heilbronn einem Haftrichter vorgeführt. Die Kriminalpolizei des Polizeipräsidiums Ludwigsburg hat die weiteren Ermittlungen übernommen. 

Am Nachmittag wurde der Tatverdächtige dem Haftrichter beim Amtsgericht Heilbronn vorgeführt. Dieser setzte den von der Staatsanwaltschaft Heilbronn beantragten Haftbefehl in Vollzug, woraufhin der Tatverdächtige in eine Justizvollzugsanstalt eingeliefert wurde.

Am Samstagvormittag hat sich die Situation in der Altstadt entspannt. Gegen 11 Uhr beendet die Feuerwehr ihre Brandwache. Anwohner zeigen sich schockiert. "Da weiß man nicht, was man sagen soll. Es hätte auch uns treffen können. Ich bin wirklich froh, dass der Täter gefasst ist", sagt ein Nachbar. Ein anderer war nachts gegen 3 Uhr vom Lärm auf der Straße aufgewacht und hatte den Brand gesehen. "Meine Frau hat sofort die Feuerwehr verständigt."

Schockiert ist auch der Marbacher Bürgermeister Jan Trost darüber, "dass so ein Brandanschlag in unserer Stadt passiert". Er war kurz vor 3.30 Uhr telefonisch informiert worden und machte sich dann ein Bild von der Situation vor Ort. Froh ist Trost, dass insgesamt alles recht glimpflich ausgegangen ist. Das habe man der guten Arbeit und Zusammenarbeit der Einsatzkräfte zu verdanken. "Das ist eine riesige Leistung." Denn leicht hätten die Flammen auf die umstehenden Gebäude übergehen können, was aber "gottseidank nicht der Fall war". Ordnungsamtsleiter Andreas Seiberling und seine Mannschaft haben derweil den Part übernommen, sich um die Unterbringung der betroffenen Bewohner zu kümmern. "Einige konnten zu Freunden und Bekannten, andere haben in städtischen Unterkünften Platz gefunden", erklärt Trost.