Lars Laucke Foto: MZ

Warum ich eine Mitmachurkunde bei Bundesjugendspielen für groben Unfug halte.

Der Nachwuchs ist das Wichtigste – das gilt nicht nur, aber ganz besonders im Sport. Denn ohne frisches Blut ist irgendwann Schluss. Die meisten Sportarten haben in den vergangenen Jahrzehnten dementsprechend auch kindgerechte Einstiegsformen entwickelt. Kleinere Felder, niedrigere Netze oder weichere Bälle – man passt es an die Kids an. Außerdem wird häufig auch darauf geachtet, dass nicht ausschließlich die Sportart selbst ausgeübt wird, sondern auch verschiedene Athletik- und Koordinationsübungen in die Wettkämpfe integriert sind.

So weit, so sinnvoll. Doch manche Entwicklung könnte auch kontraproduktiv sein. Bei den Kreismeisterschaften der Kinderleichtathletik in Murr am Samstag war die Teilnehmerzahl deutlich geringer als in früheren Jahren (siehe nebenstehender Bericht). Uwe Funk, Abteilungsleiter beim SGV, sah den zurückgeschraubten Wettkampf-Charakter als eine mögliche Erklärung. Das ist in meinen Augen durchaus plausibel. Denn es gibt bei der Kinderleichtathletik nur noch Teamwettbewerbe. Möglicherweise fehlt vielen Kindern die klare Aussage, auf welchem Platz sie denn selbst gelandet sind. Natürlich birgt die Fokussierung auf eine Teamwertung die Chance, dass auch die etwas Schwächeren mal vorne landen. Aber neben dieser Chance lauert auch eine Gefahr: Wer wirklich gut ist, aber keine entsprechenden Teamkollegen hat, wird runtergezogen. Ist dieser Frust weniger schlimm als der von Kindern, die (noch) nicht so weit sind wie andere? Warum kann man nicht wenigstens die besten Einzelstarter separat küren?

Bei meinen eigenen Kindern ist mir zudem aufgefallen, dass es heute für alle und alles eine Urkunde gibt. Im Vergleich zu meiner Kindheit ist es geradezu inflationär. So schön das am Anfang ist, irgendwann ist die nächste Urkunde nur ein weiteres Stück Papier – auch das habe ich bei meinen Kindern festgestellt. Ich kann mich erinnern, dass ich noch bis ins Teeniealter alle Urkunden in eine Mappe abgelegt habe, weil sie etwas Besonderes waren und es sie für besondere Leistungen gab. Mit Erstaunen habe ich vor einigen Jahren festgestellt, dass es bei den Bundesjugendspielen nicht mehr nur Ehren- und Sieger-, sondern sogar Mitmachurkunden gibt. Im Ernst? Wo war bitte meine Mitmachurkunde, als ich in der vierten Klasse in BK ein Pferd zeichnen sollte und das Ganze am Ende eher aussah wie eine Mischung aus Beagle und Aligator? Meine Lehrerin gab mir „mit drei zugedrückten Augen“ eine vier. Spätestens hier war klar, dass ich kein Künstler werden würde. Ebenso wie meine Tischnachbarin, die ein schönes Pferd zeichnete, nie eine Chance hatte, Leistungssportlerin zu werden, da sie schon beim 50-Meter-Lauf im Schnitt dreimal auf die Nase fiel. Daran hätte auch keine Mitmachurkunde etwas geändert. Kinder sollen Sport treiben und dabei Spaß haben. Doch dieser Spaß wächst nicht, indem man künstliche Erfolge kreiert. Und er nimmt ab, wenn man die guten Leistungen nicht entsprechend würdigt.