Roland Draht Foto: Werner Kuhnle

Der Winzerhäuser Roland Draht hat eine Top Ten-Liste der gesunden Gewächse aufgestellt.

Großbottwar - Wenn er über Wildkräuter und ihre positive Wirkung auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit erzählt, ist Roland Draht fast nicht zu bremsen. Die Augen blitzen während er tief in seinen Wissensfundus greift und für den Laien nicht nur Theorie sondern immer wieder auch Praxis herausholt. Zum einen, um zu zeigen, dass die Schätze der Natur auch schmecken. Beispielsweise das Brot, das er mit einem Salat aus Brennnessel, Löwenzahn, Sauerampfer und Bärlauch bestreicht. Um dem vitaminreichen Grün Geschmeidigkeit zu verleihen, vermischt er die kleingeschnittenen Vitaminbomben mit Distel- oder Olivenöl und schmeckt sie mit etwas Salz ab. Zum anderen aber, um dem Laien mögliche Berührungsängste zu nehmen. Etwa vor der Brennnessel. „Man muss nur darauf achten, dass man von der Wurzel her streicht. Dann rollt man das Blatt zusammen und beißt – ebenfalls vom Ansatz her – kräftig zu.“

Aufgewachsen in der Nordrhön in einer Mühle war Drahts Kindheit geprägt vom Leben in und mit der Natur. „Ich wuchs auf wie Simplizissimus im Wald. Bis heute ist Bachgeplätscher, Windrauschen in den Bäumen, Vogelgezwitscher und Insektengesumm meine Lieblingsmusik.“ Mit 23 Jahren begann der heute 70-Jährige sein Heilpraktikerstudium in Stuttgart. „Bald war mir klar, dass ich die reinste Form der Naturheilkunde lernen will: Heilen ohne Pillen und Spritzen mit Kräutern.“

Nach dem Studium wurde Draht Assistent bei dem Kräuterheiler Franz Teufert auf dessen Kräuterfarm Paracelsus im Westerwald und eröffnete später auch eine eigene Praxis. Es folgte der Umzug nach Ludwigsburg, wo er zusammen mit seiner Frau eine Yogaschule und ein Gesundheitszentrum eröffnete. Vor einem Jahr verschlug es Roland Draht nach Winzerhausen. Er liebt das Leben nah an der Natur und hat sich schon gut eingelebt.

Kaum im Großbottwarer Stadtteil angekommen traf er den Winzerhauser Ortsvorsteher Friedrich Link und erkannte in ihm einen alten Bekannten. „Wir haben uns vor 47 Jahren in Stuttgart-Rohracker kennengelernt. Er hat meiner Mutter das Brot für ihren Laden geliefert“, erinnert er sich. „Das Schicksal nimmt manchmal eigenartige Wendungen“, sagt Draht und schmunzelt. Die beiden Männer verstehen sich gut und treffen sich jede Woche. „Wir machen viel Blödsinn miteinander.“

Der Winzerhäuser Ortsvorsteher sei ein Mann der Tat, gerät Roland Draht schon fast ins Schwärmen. Und er ist mindestens so umtriebig wie der 70-Jährige selbst. Insofern überrascht das von beiden ins Leben gerufene Projekt nicht wirklich: auf einer Streuobstwiese von Link wurde auf rund 20 Quadratmeter ein Beet angelegt – mit den Top Ten der Wildkräuter. „Je älter ich werde, desto mehr gehe ich auf das Essenzielle“, sagt Draht. „Wenn man den Leuten 30 oder 40 Kräuter vorstellt, dann wissen sie am Ende gar nicht mehr wo ihnen der Kopf steht. Weniger ist da mehr, deshalb die Top Ten.“

Das Interesse an den Schätzen der Natur ist groß. Immer mehr Menschen nutzen die heilende Wirkung von Kräutern. 40 Kräuterwanderungen hat Draht in Einöd bei Kleinaspach bereits durchgeführt. „In den letzten zehn Jahren haben die ganzheitliche Medizin und die Kräuterheilkunde einen Aufschwung erlebt. Viele Menschen erleben, dass pflanzliche Mittel auch dann helfen können, wenn die schulmedizinischen Medikamente keinen Erfolg bringen.“ Nichtsdestotrotz spürt der Winzerhäuser bei vielen eine gewisse Vorsicht, was das Sammeln von Wildkräutern in der freien Natur angeht. Wer weiß, welches Getier die Pflanze schon gestreift hat . . . „Viele pflanzen sie lieber im eigenen Garten oder in Balkonkästen an, da sehen sie sich auf der sicheren Seite.“ Egal von wo geerntet wird: Was die Natur dem Menschen schenkt ist für ihn das Beste, betont Roland Draht und zitiert den Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner. „Schon der hat gesagt: Was du isst, bist Du.“ Je schwächer die Nahrung werde, desto kränker werde der Mensch. Wildkräuter enthielten hingegen die Kraft der Natur – sind sie doch allem ausgesetzt: dem Wind, der Sonne, und auch dem Eis. „Wenn man täglich ein paar Wildkräuter isst, dann fühlt man sich nach ein paar Jahren anders. Man ist fit, gesund und robust und baut eine andere Persönlichkeit auf“, ist er überzeugt.

Roland Draht selbst schwört seit seinem 19. Lebensjahr auf die Kraft der Natur – und ist genauso lange schon Vegetarier. Allerdings kein militanter. „Toleranz und eine gesunde Mitte sind gut“, sagt er.