Die Weimarer Reichsverfassung stellt fest: „Die Ehe beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter.“ Foto: epd

Familienpolitik im Laufe der Zeit – Folge 3

Familienpolitik im Laufe der Zeit – Folge 3

1919: Gründung der ersten deutschen Demokratie mit der Weimarer Republik. In der Weimarer Reichsverfassung findet in den Artikeln 119 bis 121 erstmals die Regelung von Familienleben in Deutschland Eingang in eine Verfassung:

•Art. 119 WRV: (1) Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Sie beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter. (2) Die Reinerhaltung, Gesundung und soziale Förderung der Familie ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden. Kinderreiche Familien haben Anspruch auf ausgleichende Fürsorge. (3) Die Mutterschaft hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staates.

•Art. 120 WRV: (1) Die Erziehung des Nachwuchses zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit ist oberste Pflicht und natürliches Recht der Eltern, über deren Betätigung die staatliche Gemeinschaft wacht.

•Art. 121 WRV: (1) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche, seelische und gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

In der Weimarer Republik entstand eine ganze Reihe von Spezialverwaltungen in den Bereichen des Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesens, die teilweise auch auf die Familien Einfluss zu nehmen suchten. So unternahmen zum Beispiel Vertreterinnen der Sozialverwaltung Hausbesuche, um vor allem Frauen in der Haushaltsführung und Kinderpflege zu unterweisen.

1933 – 1945: Nationalsozialismus widmet der Familie große Aufmerksamkeit: Gewährung von finanzieller Familienförderung, rechtliche Änderungen und extreme symbolische Aufwertung von Familie. Instrumentalisierung der Familie für die Absichten des Regimes. Juden oder Oppositionelle wurden von den Maßnahmen ausgeschlossen. Diese zentrale Funktion von Familie im Politik- und Gesellschaftsbild des Nationalsozialismus findet sich in „Mein Kampf“ von Adolf Hitler. Danach hätte der völkische Staat die „Rasse“ in den Mittelpunkt des allgemeinen Lebens zu stellen und für ihre „Reinerhaltung“ zu sorgen. Das Kind sollte zum kostbarsten Gut eines Volkes erklärt werden, und der völkische Staat hätte dafür Sorge zu tragen, dass nur „wer gesund ist, Kinder zeugt“. Umgekehrt dürften der Nation aber auch keine gesunden Kinder vorenthalten werden. Der Staat als „Wahrer einer tausendjährigen Zukunft“ müsste dem Wunsch und der Eigensucht einzelner entgegentreten.

1938: Ehegesetz: Einführung des Zerrüttungstatbestands im Scheidungsverfahren. Er verwehrte dem scheidungsunwilligen Partner jeglichen Einspruch bei Unfruchtbarkeit, „völkisch unerwünschter Altehe“ oder dem Wunsch des Scheidungswilligen eine außereheliche Beziehung zum Zwecke der Familiengründung zu legalisieren. Symbolische Inszenierung der Familie, kinderreiche Mütter wurden mit Mütterkreuz ausgezeichnet und der Propaganda-Apparat verbreitete in der Öffentlichkeit das Bild der nationalsozialistischen Familie. Neu geschaffene Institutionen – Bund Deutscher Mädel und Hitlerjugend – wurden zu wesentlichen Sozialisierungsträgern. Auch der „Lebensborn“ unterhöhlte die Institution Familie. Bei ihm handelte es sich um einen von der SS getragenen Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Geburtenzahlen von „arisch reinen“ Kindern zu erhöhen. Dazu ermöglichte er es Frauen, in entsprechenden Einrichtungen anonym Kinder – oft aus nichtehelichen Verbindungen SS-Angehöriger – zu entbinden, die später zur Adoption freigegeben wurden. Zudem war der Lebensborn für die Verschleppung „arischer“ Kinder aus besetzten Gebieten zuständig. Im Nationalsozialismus spielten Krippen (abgesehen von so genannten Erntekrippen, die zur Erntezeit für ein paar Wochen eröffnet wurden) kaum eine Rolle. Von den Müttern wurde – entsprechend dem nationalsozialistischen Ideal – erwartet, zu Hause zu bleiben und sich der Erziehung der Kinder zu widmen.